An Rhein und Ruhr. Trotz der Krise in der katholischen Kirche wollen junge Leute katholischen Religionsunterricht geben, Im Essener Dom bekommen sie die Erlaubnis.
Wenn der katholischen Kirche etwas besonders wichtig ist, dann nimmt sie dies zum Anlass für ein Pontifikalamt. Eine Messe, geleitet von einem Bischof, der diese mit den Zeichen seiner kirchlichen Autorität begeht: Mit Bischofsstab und Kreuz, mit der hohen Bischofsmütze, der Mitra, und reichlich Weihrauch. Die Verleihung der „Missio Canonica“ ist der Kirche so wichtig: 23 junge Menschen zwischen Mitte 20 und Ende 30 dürfen ab jetzt im Bistum Essen katholische Religion unterrichten. In einer Welt, die von der katholischen Kirche derzeit oft Nachrichten erfährt, die sie eher vom Glauben abfallen lassen.
Doch die jungen Leute hier – sie wollen im Unterricht die Botschaft der katholischen Kirche vermitteln. Der Religionsunterricht, so der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in seiner Predigt, ist „eine der größten Schnittstellen, an der wir als Kirche im so säkularen Alltag von Gott reden und ihn mit der Welt in Beziehung setzen.“ Er weiß auch, dass viele Schüler „trotz möglicherweise formaler Zugehörigkeit eher mit einer Außenperspektive den Unterricht besuchen“.
Das hat Julian Schad erfahren, der an einem Berufskolleg in Oberhausen unterrichtet. In den meisten seiner Klassen sitzen Schülerinnen und Schüler bunt gemischt: atheistisch, islamisch, verschiedene christliche Konfessionen. „Da geht es meist um den interreligiösen Dialog, darum, zu entdecken, was haben wir gemeinsam und wo liegen Unterschiede. Das ist das Schöne, das bringt den Blick über den Tellerrand“, sagt der 39-Jährige, der nicht nur „sortenrein“ katholische Klassen haben will.
Neun Jahre hat er als Speditionskaufmann gearbeitet und sich dann entschlossen, Lehrer zu werden für Volkswirtschaft und katholische Religion. „Mir war das wichtig, da eine zweite Perspektive zu haben. Der Mensch lebt nicht nur in der Welt der Zahlen“, sagt er – das will er auch seinen Schülerinnen und Schülern beibringen. Der katholischen Kirche hat er sich immer verbunden gefühlt, war bei den Pfadfindern. Und die Skandale? „Ja, ich ringe schon mal mit der Kirche“, räumt er ein. „Aber nicht mit meinem Glauben.“
Auch für Alessa Junghänel geht es im Fach katholische Religion um Vermittlung zwischen Religionen: Sie arbeitet an einer Gesamtschule im Essener Norden – da gibt es sogar innerhalb der wenigen katholischen Schüler Vielfalt: Manche haben ihren Glauben in Polen oder Syrien erlernt. „Ich habe da richtige kleine Expertinnen und Experten“, erzählt sie. „Oft geht es vor allem darum, zu moderieren.“ Die Debatten um Missbrauch, katholische Sexualmoral und Gleichstellung – im Unterricht spielt das kaum eine Rolle. „Im Kreis der Kolleg*innen schon eher, und vor allem bei den Mitstudent*innen“, sagt sie und spricht das Gendersternchen immer mit. Nicht jeder konnte verstehen, warum eine 28-Jährige die Lehren dieser Kirche unterrichten will.
„Wie kann man Tradition und Transformation miteinander verbinden?“
Marius de Byl hat seine Antwort auf diese Frage gefunden: Mit der Fächerkombination Latein und katholische Theologie reagieren die Menschen schon mal mit Kopfschütteln. Er findet das spannend: „Wie kann man Brücken bauen zwischen der Geschichte und der Gegenwart? Wie kann man Tradition und Transformation miteinander verbinden?“ Er hat im Referendariat zwischen Grundschule und Abi-Klasse Unterrichtserfahrung in seiner Heimatstadt Oberhausen gesammelt. Gerade der Spagat zwischen Fakten auf der einen und der persönlichen Haltung auf der anderen Seite macht das Fach Religion für ihn zu etwas besonderem. Mit den Erfahrungen aus dem Referendariat ist der 27-Jährige für seine Doktorarbeit an die Bochumer Uni zurückgekehrt: Wie lassen sich im Religionsunterricht Inhalte der Kirche in die heutige Lebenswelt übersetzen? Darüber schreibt er.
Das Übersetzen ist auch die große Leidenschaft von Stephanie Hümbs. Die 35-Jährige ist groß geworden im katholischen Glauben, Abi am bischöflichen Hildegardis- Gymnasium in Duisburg. „Als Kind wollte ich Päpstin werden“ erzählt sie. Vorbereitet wäre sie, hat Latein, Griechisch, Hebräisch und Aramäisch (die Sprache Jesu) studiert. Dass ihre Kirche dieser Karriereplanung Grenzen setzt, ärgert sie heute nicht mehr: „Ich empfinde auch das Lehrerin sein als Berufung.“ Auch und gerade an der Gesamtschule Emschertal in Neumühl, wo sie demnächst einzige Lehrerin für katholische Religion ist. Auch in ihrem Unterricht werden Kinder und Jugendliche sitzen, die nichts von Religion wissen oder mit anderen Glaubensrichtungen aufwachsen. „Ich freue mich darauf, das sind spannende Debatten.“
Der Ruhrbischof hat es in seiner Predigt am Samstag angedeutet: Die feierlich überreichte Urkunde der „Missio Canonica“ „zeigt, dass Sie unter den heutigen Bedingungen für die Inhalte und die Sache des Christenums und ihre Zusammenhänge werben können.“
Die Missio Canonica: Rechte und Pflichten
Die Urkunde mit bischöflichem Wappen, die „Missio Canonica“ berechtigt Menschen, im Auftrag der katholischen Kirche zu lehren – an Uni und Schule. Dafür reichen staatlichen Prüfungen nicht, die Kirche muss – durchaus wörtlich – ihren Segen dazu geben.
Im Gegenzug erwartet die katholische Kirche nicht nur, dass die Lehren der Kirche im Unterricht erklärt, sondern auch gelebt werden. Träger der Missio sollten z.B. katholisch heiraten und sind gehalten, auch ihre Kinder katholisch taufen lassen.