Ruhrgebiet. Die Kindernothilfe hat ihren ersten Jahresbericht in Zeichen der Pandemie vorgelegt. Die Not ist gewachsen. Die Hilfsbereitschaft aber auch.

Das Leben im Lager ist schon kein Zustand, aber das Leben im Lager in Zeiten eines Seuchenzugs ist lebensbedrohlich. Hunderttausende Flüchtlinge leben zu eng aufeinander bei Cox’s Bazar in Bangladesch, haben viel zu wenige Masken, und der Abstand . . . vergiss Abstand!

Lokale Mitarbeiter der Kindernothilfe haben hier im Jahr 2020 Masken und Schutzkleidung an Helfer verteilt. In Malawi haben sie bedrohte Kinder in Übergangs-Wohnheime geholt, in Ecuador Kontakt gehalten zu Familien, um häusliche Gewalt zu verhindern. In Peru haben sie . . . in Ruanda . . . Indonesien . . . in 33 Ländern in 566 Hilfsprojekten nach eigener Zählung 1,9 Millionen Kindern und Jugendlichen geholfen.

Erträge stiegen im Jahr 2020 auf fast 65 Millionen Euro

Katrin Weidemann, die Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe, vor dem Sitz der Hilfsorganisation in Duisburg.
Katrin Weidemann, die Vorstandsvorsitzende der Kindernothilfe, vor dem Sitz der Hilfsorganisation in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Am Mittwoch hat die Kindernothilfe ihren „Jahres- und Wirkungsbericht 2020“ vorgestellt. Diese KNH ist die größte Hilfsorganisation im Ruhrgebiet; sie hat ihren Sitz in Duisburg und ist seit vielen Jahren Partner der WAZ bei der Weihnachtsspendenaktion.

Und das Fazit des Seuchenjahres 2020 ist: Die Not ist gewachsen. Die Hilfsbereitschaft auch. Die Erträge stiegen auf fast 65 Millionen Euro, ein Mehr von zwei Prozent. Speziell bei Spenden gab es sogar ein Plus von fünf Prozent, erbracht von rund 205.000 Menschen.

„Es gibt wachsenden Hunger und steigende Gewalt gegen Kinder“

80,6 Prozent der Erträge flossen in Hilfen, 19,4 Prozent in Werbung und Verwaltung. Das ,Deutsche Spendensiegel’ gab es obendrauf, das seit Jahrzehnten den verantwortungsvollen Umgang mit Spenden bescheinigt. Aufklärungs- und Hygienearbeit haben sie betrieben, Saatgut und Schutzkleidung verteilt, Mädchen von der Straße geholt und Jungen aus der gewalttätigen Familie.

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Erstmals, sagt die Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann, habe man es mit einer Krise nicht in einem Land oder einer Region, sondern auf der ganzen Welt zu tun. Die Situation in den 33 Projektländern sei „ernüchternd: Es gibt wachsenden Hunger und steigende Gewalt gegen Kinder.“

Viele Kinder haben mit dem Schulbesuch auch die einzige warme Mahlzeit verloren

Doch besonders hart betroffen seien Kinder von Schulschließungen: 168 Millionen Mädchen und Jungen hätten das erlebt und erleben es zum Teil noch immer. „Für viele ist der Traum von besseren Lebensbedingungen durch einen Schulabschluss geplatzt.“ Viele Millionen hätten auch keine digitalen Möglichkeiten, ihr Recht auf Bildung sei „massiv gefährdet“.

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Untersuchungen haben gezeigt, dass viele der Kinder damit auch die einzige warme Mahlzeit am Tag verloren haben: Die gab es eben in der Schule. Andere sind in die Kinderarbeit gerutscht sind, um ausfallendes Einkommen der Eltern zu ersetzen. Und: 24 Millionen werden nicht mehr wiederkommen zur Schule.

Die Pandemie habe wie ein Brandbeschleuniger in der Entwicklung sozialer und ökonomischer Ungleichheit auf der Welt gewirkt, sagt Programmvorstand Carsten Montag. Und: Man wisse bereits, „dass die Pandemie sich in vielen Ländern weit in das Jahr 2022 hinziehen wird“. Mindestens. Wie die Hilfsbereitschaft sich 2021 entwickelt, ist ungewiss. Gewiss ist nur: Sie braucht grad langen Atem.