Münster. Viele Landwirte würden gerne Schweineställe um- oder neu bauen, wie es die Vorhaben zum Tierwohl fordern. Doch das Baurecht spielt nicht mit.

Hier sieht es ja aus wie im Schweinestall. Hell, warm, sauber und so leise, denn nicht einmal der übliche, empörte Rabatz der hungrigen Ferkel um die Zitzen der Sau findet statt - gefühlt hat sie ja immer zu wenige. Im Abferkelstall von Bauer Hartmann liegen bis zu 64 Sauen mit ihren Ferkeln auf drei Sorten Boden pro Box, 100 Sauen wären derzeit auf diesem Platz noch erlaubt. Doch Heinz-Georg Hartmann baut buchstäblich vor. Glückliche Schweine. Sie haben sogar Spielzeug.

Der Stall im Münsteraner Süden entspricht nämlich dem Standard, den die deutschen Schweinemäster erst 2035 erreichen müssen. „Wir haben nichts zu verbergen, weil wir nach vorne gehen wollen. Dann lasst uns doch bitte auch bauen“, bittet Hartmann rhetorisch. Denn so fortschrittlich der Abferkelstall ist, das entsprechend moderne Deck-Zentrum hat der 57-Jährige erst mal aufgeschoben. Er ahnt, Ausdünstungen und Vorschriften könnten einander ins Gehege kommen.

„Etwas zu verlangen und zugleich zu verhindern, kriegen wir nicht übereinander“

Heinz-Georg Hartmann ist mit seinem neuen Abferkelstall schon im Herbst 2020 fertig geworden.
Heinz-Georg Hartmann ist mit seinem neuen Abferkelstall schon im Herbst 2020 fertig geworden. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Überall im Land hadern Landwirte damit, dass die staatlichen Tierwohl-Vorgaben Um- und Neubauten von Ställen erfordern, die das Baurecht gar noch nicht zulässt. Besonders griffig formuliert es ein landwirtschaftliches Fachblatt, das schlankweg fordert, „Tierwohlverbesserungsnehmigungen in das Baulandmobilisierungsgesetz aufzunehmen“.

Man kann es aber auch verständlich sagen, etwa mit den Worten von Hubertus Beringmeier, dem Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landschaftsverbandes: „Etwas zu verlangen und zugleich zu verhindern, das kriegen wir nicht übereinander.“ 300 Millionen Euro stellt der Bund bis Ende 2021 für entsprechende Umbauten zur Verfügung, doch weil Baurecht und Tierwohl sich verhakt haben, haben bisher nur 70 Landwirte Anträge auf Unterstützung gestellt.

Immissionsschutz steht dem Auslauf der Schweine im Wege

„Wir haben gesagt, wenn wir neu bauen, dann bauen wir nicht noch mal das alte“, sagt Heinz-Georg Hartmann im Münsterland. Schließlich sind die steigenden Ansprüche an die Tierhaltung teilweise schon definiert. Das Deck-Zentrum etwa, das er im Kopf hat, braucht zwingend Kontakt mit Außenklima. De facto eine ganze Wand, die sich öffnen lässt.

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Aber Immissionsschutz und die „TA Luft“ zur Reinhaltung derselben durch strenge Grenzwerte lassen die Emissionen eines mehr oder weniger halboffenen Schweinestalls derzeit nicht zu. Sie würden „pauschal 20 bis 30 Prozent höher berechnet, das ist nicht korrekt“, behauptet Hartmann: „Das Außenklima wird schlechtgerechnet, obwohl es zugleich vorgeschrieben wird.“

Betrieb heruntergefahren von 4200 Schweinen auf 3500

Zur Entlastung der Sauen ist für die Zukunft der Schweinemast vorgesehen, säugenden Ferkeln mehr zuzufüttern.
Zur Entlastung der Sauen ist für die Zukunft der Schweinemast vorgesehen, säugenden Ferkeln mehr zuzufüttern. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Auch der wachsende Platz für jedes Schwein wird vorübergehend zum Problem. In Haltungsstufe eins sollen sie 20 Prozent mehr Platz bekommen, in Stufe zwei 47 Prozent. Das bedeutet: Ein Bauer muss schon für Stufe 1 seinen neuen Stall um 20 Prozent größer denken - oder die Zahl seiner Schweine senken, also um ein Fünftel abstocken.

„Agrar heute“ etwa schildert einen Fall aus Lippetal, wo eine Bauersfamilie sogar schon den Auslauf ihrer Schweine umgesetzt hat. „Eigentlich wusste keiner, wie man den Auslauf einrechnen soll“, erinnert sich der Mann. Die Emissionen seien pauschal um zehn Prozent hochgerechnet worden, „obwohl wir weniger Tiere auf mehr Fläche halten“ - von 4200 Schweinen ist die Familie heruntergegangen auf 3500.

Viele Schweineställe lägen „im Ort oder am Ortsrand, die können sie gar nicht ausbauen“, sagt Verbandspräsident Beringmeier. Das Baurecht „verhindert in vielen Fällen die erforderlichen baulichen Ergänzungsmaßnahmen oder einen Ersatzbau“. Es gehe aber gar nicht darum, die Bestände zu erweitern, sondern die Zustände zu verbessern.

„Aber für die Tiere ist es ja positiv“

Heinz-Georg Hartmann denkt genauso: „Die weiter wollen, müssen innovativ sein. Das Alte war nicht schöner.“ Er kennt einen Fall aus dem Nachbarort, wo ein Kollege einen ganz neuen, großen Stall plant. Der Widerstand der Bevölkerung ist groß, und hier hat sich Politik mit Politik verhakt: Der Mann soll schon heute auf dem Niveau der „Haltungsstufe drei“ bauen - die von der Bundespolitik noch gar nicht definiert ist.

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In den nächsten Jahren muss Hartmann sich entscheiden, das neue Deck-Zentrum zu bauen - oder die Schweine aufzugeben. Zunächst aber will er abwarten, wie die Vorschriften sich entwickeln: „Zuletzt wurden da fünf Quadratmeter pro Sau reingeschrieben, das ist größer als Bio.“ Mit solchen Größen habe niemand gerechnet. „Aber für die Tiere ist es ja positiv.“ Glückliche Schweine!