Essen/Düsseldorf. Der Einzelhandel bleibt in großen Teilen erst einmal zu. Warum die neuen Regeln der Branche kaum helfen.
Der Tag ist noch jung aber für Carina Peretzke, Sprecherin des Handelsverbandes NRW alt genug, um zu wissen wie Einzelhändler an Rhein und Ruhr auf die Ergebnisse der jüngsten Bund-Länder-Gespräche reagieren: „Enttäuscht ist ein Wort, das immer wieder fällt. Die Händler verstehen das alles nicht mehr.“
Das wiederum kann Handelsverband Deutschland (HDE)-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth nachvollziehen. „Eine Katastrophe für den Einzelhandel“ nennt er die Entscheidungen. Faktisch werde der Lockdown damit für die große Mehrheit der Nicht-Lebensmittelhändler bis Ende März verlängert. Wenn es nicht sogar noch länger dauert. Eine stabile Inzidenz von unter 50 sei auf absehbare Zeit wohl nicht flächendeckend zu erreichen, ahnt Genth. Experten befürchten im Gegenteil, dass die Infektionszahlen durch Lockerungen an anderer Stelle in den kommenden Wochen steigen werden.
Einkaufen nur nach Voranmeldung
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Aber nur wenn sie niedrig bleiben könnten Kunden – in beschränkter Zahl und mit den üblichen Hygiene- und Abstandsregeln - wieder spontan einkaufen gehen. Bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 soll in Zukunft nicht mehr „click and collect sondern „click and meet“ gelten. Statt vorbestellte Ware an der Tür abzuholen, dürfen die Kunden dabei nach Voranmeldung für einen bestimmten Zeitraum in den Laden, um einzukaufen. „Das Ziel ist ein Kunde pro 40 Quadratmeter“, sagt NRW Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).
„Besser als nichts“, sagen kleinere Einzelhändler wie Jürgen Versen, der in Bochum die Boutique Freistil betreibt. „Aber nicht genug, um uns aus der Krise zu holen.“ Das sieht der HDE ähnlich. Die Möglichkeiten für den Einkauf nach Terminvergabe könnten für die allermeisten Geschäfte kein wirtschaftlicher Rettungsanker sein. Denn dabei seien in der Regel die Personal- und Betriebskosten höher als die Umsätze.
Kernbranche wird geopfert
„Zunehmend fragwürdig“ nennt der Verband das Vorgehen der Politik, sich ausschließlich „stur“ an Inzidenzwerten zu orientieren. Dabei gebe es keine vernünftigen Argumente, den Einzelhandel weiterhin geschlossen zu halten. „Hier wird ohne nachvollziehbare Gründe die Kernbranche der Innenstädte geopfert“, sagte Genth.
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Die Verlängerung des Lockdowns bis zum 28. März kostet die geschlossenen Handelsunternehmen nach HDE-Schätzung im Vergleich zum Jahr 2019 rund zehn Milliarden Euro Umsatz. Gleichzeitig kämen staatliche Hilfszahlungen nur spärlich an, sagte Genth. Das kann Jürgen Versen bestätigen. „Nach drei Monaten steht mir das Wasser bis zum Hals. Click and Collect hat den normalen Umsatz nicht annähernd ersetzen können.“ Kein Einzelfall: „Über 100 Tage geschlossen, für viele ist das nicht mehr zu verkraften“, sagt Carina Peretzke.