Ruhrgebiet. Sie pöbeln oder zeigen gar Porno-Fotos: Immer wieder stören Unbekannte den Online-Unterricht. Wie die Polizei handelt und was Schulen in NRW tun.

So schnell kann das gehen. Zum Start des Distanz-Unterrichts vor einigen Wochen hatten viele Schüler und Schülerinnen noch Probleme, via Internet in ihre virtuelle Klasse zu kommen. Mittlerweile aber kommen sogar Menschen hinein, die gar nicht hinein kommen sollen und stören den Unterricht. In Augsburg bekam ein Youtuber deshalb Besuch von der Polizei.

Mitschnitt auf Youtube veröffentlicht

Mit Unterstützung eines Schülers soll sich der 21-Jährige unberechtigt Zugang zum Onlineunterricht einer neunten Klasse im Unterallgäu verschafft haben, wie die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und die Memminger Polizei am Donnerstag erklärten. Dann habe er den laufenden Unterricht quasi torpediert. Auf die Spur sind die Ermittler dem Mann offenbar gekommen, weil er so unklug war, einen Zusammenschnitt seiner Störaktion auf seinem Youtube-Kanal postete.

Ähnliche Fälle haben sich in mehreren Städten ereignet. Mit echtem Hacken haben sie allerdings meist wenig zu tun. Spezielle Computerkenntnisse sind auch gar nicht nötig. „Bei vielen Tools, die die Schulen nutzen, reicht es, wenn man den Link kennt“, weiß Christian Schorr von der Zentralstelle Cybercrime. Und diesen Link geben Schüler hier und da gerne an Freunde oder Bekannte weiter. Auch der Augsburger hat seinen Zugangslink angeblich von einem 14-Jährigen Schüler der betroffenen Klasse bekommen.

Lehrerinnen aus virtueler Konferenz geworfen

Während sich der Youtuber aus Süddeutschland laut Polizei darauf beschränkte, „massiv mit lauter Musik, Gesängen, Zwischenrufen und Provokationen“ zu stören und durch die Veröffentlichung im Netz gegen die „Vertraulichkeit des Wortes“ verstieß, ist es an anderen Schulen schon zu schwerwiegenderen Vorfällen gekommen.

In Florstadt hatte sich ein Unbekannter in eine Videokonferenz eingewählt, die Lehrerinnen rausgeworfen und Pornografie gezeigt. Im bayerischen Mainburg verschaffte sich ein Unbekannter Zugang zur Lernplattform einer Grundschule und zeigte einer Achtjährigen während des Online-Unterrichts Bilder eines nackten Mannes, wie die Polizei bestätigt. Die Ermittlungen laufen.

Noch keine bekannten Fälle im Ruhrgebiet

Den Polizeibehörden in den großen Städten des Ruhrgebietes sind solche Störungen im Online-Unterricht bisher allerdings ebenso wenig bekannt, wie dem Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf. „Aber“, sagt ein Sprecher, „das bekommen wir auch nur mit, wenn Anzeige erstattet wird.“ Genau das ist in NRW bisher anscheinend nicht der Fall – wohl auch, weil „hier meistens nichts strafrechtlich Relevantes passiert ist“, wie ein Lehrer sagt.

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In Lehrer- und Schülerkreisen dagegen ist das Thema nicht neu. Auch in Düsseldorf hat es in den vergangenen Tagen mehrere Fälle gegeben, bei denen Schüler unter falschen Identitäten Konferenzen unter anderem mit unpassenden Geräuschen, lauter Musik oder unqualifizierten Zwischenrufen störten. Mal wurde die Konferenz abgebrochen, andere Schulen setzten sie zeitweise aus.

Gewerkschaft fordert Sanktionen für Störer

„Die Meldungen häufen sich, und sie müssen ernst genommen werden”, sagt Berthold Paschert, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dann auch. Es handele sich um „eine Torpedierung des Unterrichtsgeschehens, die sanktioniert werden muss”. Immerhin würden Persönlichkeitsrechte von Lehrern und Schülern verletzt”. Schulintern, fordert er weiter, müssten solche Vorfälle zum Thema gemacht werden, um Eltern mit einzubeziehen und sie zu sensibilisieren.

Es gibt allerdings auch technische Möglichkeiten, die Störungen weitgehend zu unterbinden. Das Albert-Einstein-Gymnasium im Düsseldorfer Stadtteil Rath etwa nutzt die bei Videosoftware Microsoft Teams. Die ist bei vielen Datenschützern zwar unbeliebt, hat sich aber in den Schulen, die sie einsetzen, nicht nur als stabil, sondern auch als Schutz vor unliebsamen Besuchern bewährt.

Richtige Technik kann Problem oft lösen

Am „Albert-Einstein“ verfügt jeder Schüler über einen eigenen Account und ein nur auf ihn zugelassenes iPad. „Da können Sie nicht einfach einen Link weitergeben“, sagt Schulleiter Michael Anger. Da müsse man einem Dritten schon den kompletten-Account zur Verfügung stellen – inklusive Noten. Was Anger für „unwahrscheinlich“ hält. „Wir hatten bisher auch keine Probleme.“

Ein anderes Phänomen kann allerdings auch eine Software wie „Teams“ nicht lösen. Immer wieder sei es im Distanzunterricht vorgekommen, dass die Kinder mit einem Smartphone die Teilnehmer der Videokonferenz abfotografiert oder gefilmt und sie leicht oder stark verfremdet wieder ins Netz gestellt hätten, berichten mehrere Lehrer. Anger kennt das Problem. Immer mehr Schüler und Schülerinnen würden deshalb die Videofunktion des Programms abschalten und nur noch akustisch dabei sein. „Als Lehrer sitzen sie dann vor einem Bildschirm mit vielen schwarzen Quadraten. Schön ist das für uns nicht.“