Essen. Tupperware-Partys in Corona-Zeiten? Das haben Tupperware- oder Thermomix-Verkäufer sich einfallen lassen, um durch die Krise zu kommen.

Als der erste Lockdown kommt, ist Reyhan Acar-Simsek kurz ratlos. Kontaktbeschränkung, Abstand halten, „das lässt sich ja mit einer Verkaufsparty alles nicht vereinbaren“, sagt sie. Wo es eng werden kann bei Sekt und Schnittchen im kleinen Wohnzimmer und wo herumgereicht wird, was die Gäste kaufen können. Dosen, Schalen, Becher, Flaschen, Kerzen, Schmuck oder Reinigungshilfen. Doch die Sorge vor der Krise ist unbegründet. „Ich musste mich nur umstellen“, sagt die Tupperware-Bezirkshändlerin und Party-Managerin aus Essen. Getuppert wird derzeit online.

Drei Tage dauert die Tupper-Party

Keine Besuche aber über das Internet wird dennoch getuppert.
Keine Besuche aber über das Internet wird dennoch getuppert. © Funke Foto Services | Lars Heidrich

Whats App statt Wohnzimmer ist die Devise. Wer tuppern möchte, meldet sich bei Acar-Simsek. Dann wird eine geschlossene Gruppe gegründet, in die die Gastgeberin einlädt. Zu einer zuvor festgelegten Uhrzeit geht es los. Acar-Simsek lädt ein kurzes Video hoch, in dem sie sich vorstellt. Anschließend stellt sie – oft auch per Video – die Produkte vor, schickt einen Katalog in die Gruppe und beantwortet Fragen. Das war es dann erst einmal. „Anschließend haben die Teilnehmerinnen Zeit, sich alles noch mal anzusehen und zu bestellen.“

Drei Tage dauert die Party, manchmal auch länger. „Kann das funktionieren?“, hat sich Acar-Simsek gefragt. Kann es, tut es auch. Manchmal sogar besser, als im echten Wohnzimmer. Denn wo sich sonst sechs, sieben Frauen zwischen Tisch und Sofa drängen hat die Essenerin jetzt auch schon mal Partys mit 25 Teilnehmerinnen. Und kein Gastgeber muss vor der Party mehr die Wohnung auf Hochglanz bringen, kein Gast sich einen Babysitter besorgen oder sich schick machen.

Millionen Menschen kochen - Reste landen in den Dosen

Mittlerweile verkauft Tupper auch über Facebook Live oder Video-Apps wie Zoom. Und nicht selten, wird dabei in allen Wohnungen ein Piccolöchen geköpft. Also alles fast wie früher? „Naja“, sagt die 42-Jährige, „online ist schon irgendwie anders.“ Und es sei nichts für jeden. „Manche können vor der Kamera nicht so frei reden.“ Sie kann es und kann deshalb auch nicht klagen. „Die Umsätze sind höher als im letzten Jahr.“

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Nicht nur bei ihr. Ausgerechnet in Zeiten des Social Distancing feiert das Tupperware, das in den vergangenen Jahren weltweit mit Umsatzrückgängen zu kämpfen hatte, ein Comeback. Der Gewinn hat sich nach Angaben des Unternehmens allein im letzten Quartal auf 34,4 Millionen US-Dollar vervierfacht. Denn geschlossene Restaurants spielen der Firma offenbar in die Karten. Millionen Menschen haben das Kochen wieder für sich entdeckt, Reste landen dann in den praktischen Tupper-Behältern. „Das höre ich bei fast jeder Party“, sagt Reyhan Acar-Simsek.

Einweisung für den Thermomix kommt auf Wunsch über Skype

"Erlebniskochen" mit dem Thermomix. Zur Zeit gibt es Einweisungen nur online © Funke Foto Services | Lars Heidrich

Auch bei Vorwerk in Wuppertal ist die neue Kochlust aufgefallen. Von dort kommt die digitale Küchenmaschine Thermomix, die hierzulande ausschließlich im Direktvertrieb verkauft wird – meist bei Kochvorführungen vor Kunden. „Das Erlebniskochen ist natürlich etwas, das man nicht ins Netz übertragen kann“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Online-Partys hat es deshalb für den Thermomix auch nicht gegeben. Dafür kann man das rund 1300 Euro teure Gerät telefonisch bestellen. Und bekommt dann auf Wunsch per Skype, Zoom oder Facetime eine Einweisung von seiner Repräsentantin.

„Die Thermomix-Verkaufszahlen sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen“, sagt die Sprecherin und liefert eine mögliche Erklärung gleich mit. Home-Office und Schulschließungen, „alle wollten zu FotoHause essen.“ Aber keiner hatte großartig Zeit, am Herd zu stehen. „Da kommt man dann schnell zum Thermomix.“

Krise als Chance für die Branche

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Nicht bei jedem Direktverkäufer läuft es so gut. Aber kaum einen hat die Pandemie in die Krise gestürzt. Die Branche rechnet damit, 2020 den Vorjahresumsatz von 18,6 Milliarden Euro zumindest halten zu können, wie aus einer Studie hervorgeht, die der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland (BDD) in Auftrag gegeben hat. Langfristig könnte die Krise sogar zur Chance werden. Online-Shops, Video-Partys - „der Direktvertrieb hat durch die Krise einen regelrechten Digitalisierungsschub erhalten, von dem die Branche in den kommenden Jahren stark profitieren wird“, prognostiziert Professor Florian Kraus von der Universität Mannheim.

In der Pandemie ist in vielen Unternehmen zudem nicht nur die Zahl der Käufer gestiegen. „Genaue Zahlen gibt es derzeit nicht“, sagt BDD-Vorstandvorsitzender Jochen Acker, „aber aus Erfahrung wissen wir, dass sich in Krisenzeiten Menschen vermehrt für den Direktvertrieb interessieren, um etwas dazu zu verdienen.“

Interesse für den Verkauf wächst ebenfalls

Reyhan Acar-Simsek bestätigt das. „Die Anfragen nehmen zu.“ Von Frauen und Männern, die in Kurzarbeit geschickt worden sind oder deren Partner ihren Job verloren haben. „Irgendwie“, hat eine Interessentin der Essenerin neulich gesagt, „müssen die Geschenke für die Kinder ja bezahlt werden.“