Essen. Via Live-Chat beantworten Experten Fragen rund ums Thema Organspende. Lars Winter ist frisch transplantiert. Er sagt: Die Leute wissen zu wenig.
Lars Winter lebt seit September mit vier Nieren in seinem Körper, zwei eigenen und zwei fremden. Und er lebt sehr gut damit, sagt er: „Jetzt wieder!“ Der heute 38-Jährige aus Sundern im Sauerland war noch ein Kind, als bei ihm ein „Alport-Syndrom“ diagnostiziert wurde, eine genetisch bedingte Erkrankung, die das Bindegewebe vor allem der Nieren schädigte. Er war keine 19, mitten in der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, da waren seine zerstört, versagten ihren Dienst.
Bundesweit warten aktuell 9500 Menschen auf ein Spenderorgan, die meisten von ihnen auf eine neue Niere. Im vergangenen Jahr waren es 7.148. Doch nur 2.132 erhielten eine, 520 von ihnen als „Lebendspende“. 756 Menschen auf der Warteliste starben 2019, weil sich für sie kein passendes Organ fand. „Die Zahl der Organspender ist trotz der Pandemie stabil geblieben“, sagt Dr. Ebru Yildiz, Leiterin des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation der Universitätsmedizin Essen (WZO). „Aber sie ist auf viel zu niedrigem Niveau stabil.“ Das Klinikum Essen entschloss sich darum, den lange geplanten ersten „Tag der Organspende und Transplantation“ am 21. November, der nun mitten in den Lockdown fällt, nicht ausfallen zu lassen, sondern ihn als Livestream zu veranstalten. „Man darf in dieser Zeit auch die Menschen nicht vergessen, deren Leben bedroht ist, weil sich kein Spenderorgan für sie findet“, glaubt Yildiz.
Vater spendete Sohn eine Niere – heute merkt er nichts mehr davon
Lars Winter hatte 2001 Glück: Beide Eltern waren bereit, ihrem Sohn eine ihrer Nieren zu schenken, der Vater erwies sich auch aus medizinischer Sicht als geeigneter Spender. „Er hat alles gut überstanden, muss nur noch einmal im Jahr zur Kontrolle und seine Nierenwerte sind heute super“, erzählt Winter. „Aber damals, als wir nach der OP am Nikolaustag zusammen auf einem Zimmer lagen, das war schon ein komisches Gefühl.“
Acht Jahre lang ging danach alles gut. „Ich führte ein fast normales Leben“, sagt Lars Winter. Er beendete seine Ausbildung, fand einen Job, den er mochte. Dann entdeckten die Ärzte bei ihm ein „Posttransplantationslymphom“, hervorgerufen durch die Unterdrückung des Immunabwehr seines Körpers – unabdingbar nach der Transplantation. Eine Chemotherapie war fällig. „Wenn man zwischen Niere und Leben abwägen muss, gewinnt immer das Leben“, erklärt Ebru Yildiz, die selbst Nephrologin ist. Sieben Monate war Lars Winter „außer Gefecht“. Am Ende heilte die Erkrankung aus, die vom Vater gespendete Niere in seinem Körper aber hatte unter der aggressiven Therapie gelitten. 2015 ging es nicht mehr ohne „Blutwäsche“, Dialyse, am Ende musste er dreimal pro Woche für fünf Stunden daran angeschlossen werden. „Ich arbeite damals noch, legte mir die Schichten so, dass sie zu den Dialyse-Terminen passten. Fing sogar wieder an zu joggen, damit ich schwitzte und so mehr als einen halben Liter am Tag trinken konnte.“ Dennoch war er oft müde, war ihm ständig übel. Und er konnte zunehmend schlechter schlechter hören. Das Alport-Syndrom hatte sich auf seine Ohren ausgeweitet. Dann versuchte sein Körper, das Organ des Vater abzustoßen. Der Arbeitgeber kündigte ihm, seither lebt Lars Winter im Haus seiner Eltern – von einer kleiner Erwerbsminderungsrente.
„Ich würde lieber heute als morgen wieder anfangen zu arbeiten“
Auch interessant
Rasch war klar, ohne eine neue Niere würde es nicht mehr gehen. 2018 wurde Lars Winter „gelistet“. „Ich rechnete mit einer Wartezeit von acht bis zehn Jahren“. Solange dauert es in der Regel, bis ein Spender gefunden ist. Lars Winter erhielt die erlösende Nachricht schon nach zwei Jahren: „Am 19. September, um sieben Uhr morgens, bei der Dialyse in Sundern. Ich wollte gerade frühstücken.“ Das Frühstück fiel aus, noch am selben Abend wurde der Patient im Essener Klinikum operiert. Acht Tage später spazierte er schon wieder über den Campus.
Und nun? Nun ist „alles gut“, sagt Winter. „Ich hab ein ganz anderes Leben.“ Täglich walkt er 10, 15 Kilometer („joggen darf ich ja noch nicht“), lieber heute als morgen würde er gern auch wieder anfangen zu arbeiten. Corona macht ihm keine Angst, „dass alle Masken tragen, schützt mich doch“.
Erster „Tag der Organspende und Transplantation“ – als Livestream
Um Werbung für den „Tag der Organspende und Transplantation“ zu machen, scheute der Mann aus Sundern darum auch die Anreise nach Essen nicht. „Ich halte solche Veranstaltungen für sehr wichtig, es müsste viel mehr davon geben“, erklärt er. „Die Menschen wissen zu wenig über das Thema.“
https://www.waz.de/region/wie-organe-die-im-muell-landen-sollten-leben-retten-koennen-id226880109.htmlIn organbezogenen Livestreamings werden Experten am 21. November alle Fragen beantworten, schon jetzt stehen kurze Videos zum Thema zur Verfügung. Auch die „Maschinenperfusion“, die Aufbereitung vermeintlich „minderwertiger“ Spenderorgane wird Thema sein. Fragen dürfen im Live-Chat gestellt oder vorab per Mail geschickt werden. Die ersten trudelten bereits ein. Etwa die: Dürfen eigentlich auch Transplantierte Organe spenden? Dürfen sie, sagt Dr. Yildiz. Lars Winter wusste das nicht, wird aber sofort den Ausweis unterschreiben. „Ich bin dabei“, sagt er. Er weiß, warum.
>>> Info: Die Veranstaltung
Der erste „Tag zu Organspende und Transplantation 2020“ beginnt am 21. November, um 11 Uhr. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wird ein Grußwort sprechen.
Es folgen Vorträge und Workshops zu den Themen Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationen sowie Transplantationen bei Kindern.
Videos etwa zu den Themen Transplantation und Medikamente, Infektionen und Impfungen oder Sozialrecht sowie Patientengeschichten runden das Programm ab, das in Zusammenarbeit mit dem „Institut für PatientenErleben“ entstand. Auch Selbsthilfegruppen werden ihre Arbeit vorstellen.
Weitere Infos: transplantationstag.ume.de
Fragen können vorab gestellt werden unter: transplantationstag@ume.de