Ruhrgebiet. Das letzte Wochenende vor dem Lockdown hat nochmal viele Menschen in Restaurants gelockt. Draußen blieb es eher ruhig, Halloween fiel nahezu aus.

Lukas Rüger steht am Empfang und jongliert: Tablet, Handy, Gäste, Tische – passt. „Wir hätten heute noch eine zweite Etage voll gekriegt“, sagt der Mitinhaber des Restaurants „Livingroom“ in der Bochumer Innenstadt: „Sie werden keinen freien Stuhl finden.“ Nur gut, dass die vier Minterts rechtzeitig einen Tisch reserviert haben – recht zeitig, Mittwoch schon, direkt nach der Ankündigung, dass die Gastronomie wieder schließen muss. „Ich habe sofort gesagt, da gehen wir noch ein Mal richtig raus“, sagt Suzana Mintert.

Es ist das letzte Wochenende vor der Schließung, es ist Samstagabend, und Halloween ist auch noch. Vor allem in vielen Speise-Restaurants zwischen Moers und Hamm sieht es aus wie an einem dieser Dezemberabende in Normaljahren: Wo niemand sitzt, steht „Reserviert“. Die Lokale sind sehr voll, doch 2020 nicht wegen einer frohen Botschaft, sondern wegen deren Gegenteil: Einen Monat wird man nicht mehr ausgehen können.

„Ich bin nicht die Fraktion, die sagt, jetzt lassen wir es noch mal richtig krachen“

Was für ein Tag. Einer, an dem im warmen Sonnenschein Motorradfahrer noch mal Schlangenlinien malen, Menschen in Parks strömen und Zufahrten zu Stauseen zuparken. Doch was das gesellige Leben drinnen angeht, da scheiden sich die Geister. „Ich bin nicht die Fraktion, die sagt, jetzt lassen wir es noch mal richtig krachen. Das macht ja die Lage nicht besser“, sagt eine junge Frau in Dortmund.

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Das Gegenteil klingt so, eine andere Frau: „Ich habe nach Mittwoch direkt für Samstag und für Sonntag einen Tisch bestellt.“ Und die Mitte klingt vielleicht wie Petra und Stephan Overkott, die gerade bestellt haben: „So ein Abend im Restaurant ist ein Stück Lebensqualität.“ Sie finden schade, dass man sich bald nur noch in kleinsten Gruppen treffen kann, halten es aber prinzipiell für richtig.

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Bilanz der Polizei: Ein paar Eierwürfe gegen Hausfassaden

Und Halloween? Was man hört, haben sich noch nicht einmal die Untoten in den Gräbern umgedreht. Kleinere Kinderpartys, ja. Auf gruselig getrimmte Häuser? Vereinzelt. Geisterchen auf Betteltour von Tür zu Tür? Praktisch gar nicht. Und erwachsene Gespenster?

Katja und Andrea wollen bei allen Einschränkungen „das Beste aus Halloween machen“.
Katja und Andrea wollen bei allen Einschränkungen „das Beste aus Halloween machen“. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Da kommen Andrea und Katja durch die Kneipenmeile, ihre Augen sind sehr gruselig, wie tot, die Stirne und Schläfen blutig vernarbt; das vermutlich ebenso liebevoll zerstörte Gesicht von Katja kann man natürlich nicht sehen. Maske. „Ist das noch Halloween?“ „Wir machen das Beste daraus“, sagen sie. Und sitzen später zu viert am Tisch. Eine ausgelassene Party sieht anders aus.

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Polizeibehörden überall in NRW werden jedenfalls am Sonntag, was Halloween und die fast letzte Nutzung der Gastronomie angeht, von einem ruhigen Vortag sprechen. Hagen: „Alles im Rahmen.“ Mönchengladbach: „Positive Bilanz.“ Dortmund: „Nicht vergleichbar mit den Vorjahren.“ Bielefeld: „Ein paar Eierwürfe gegen Hausfassaden.“ Einzig in der Düsseldorfer Altstadt war es sehr voll, die Stimmung angespannt, einige Knaller explodierten und erschreckten die Leute.

Auch Kinos und Theater empfangen für einen Monat die letzten Besucher

Dashne Sardar ist auf dem Weg zu einer der letzten Vorstellungen im Theater.
Dashne Sardar ist auf dem Weg zu einer der letzten Vorstellungen im Theater. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Dann doch lieber noch mal nach Bochum. Es sind ja nicht nur die Gaststätten zu vom heutigen Montag an. Auch das Kino, in dessen Foyer beziehungsvoll der neue Bond angekündigt wird: „Keine Zeit zu sterben.“ Auch das Schauspielhaus, dessen Leuchtreklame ankündigt: „Travel along unknown“ – „Reise ins Ungewisse.“ Gerade kommt Dashne Sardar die Treppe hinauf, sie will heute abend noch „Judas“ sehen. „Mir sind Kunst und Kultur sehr wichtig“, sagt sie: „Das wird für viele Menschen jetzt eine schwere Zeit.“

Im Bermuda-Dreieck ist es am späteren Abend nur so halbvoll. Kurze Warteschlagen hier, längst geschlossene Kneipen dort. Wer jetzt kein Bier bestellt hat, wird lang keins mehr bestellen. „Wir haben eine Naturkatastrophe erwischt“, sagt Rüdiger Mintert, dessen Frau so früh den Restaurantbesuch mit den Töchtern Mila und Linda gebucht hatte. Mintert ist selbst Arzt, sagt: „Wenn alles wieder öffnet, werden wir dasselbe wieder erleben.“ Bleibt während der Schließungen in Corona-Zeiten nur ein Trost: Morgen ist auch noch ein Tag. Nur wann?