Ruhrgebiet. Die Notärztin Doc Caro sieht am Uniklinikum Essen täglich schwerkranke Corona-Patienten. Nach einem dramatischen Appell wird sie beschimpft.

  • Die Mülheimerin Carola Holzner hat als „Doc Caro“ viele Fans in den sozialen Netzwerken.
  • Die Notärztin und Leitende Oberärztin an der Uniklinik Essen hatte sich mit einem wütenden Post an Corona-Leugner gewandt.
  • Sie bekam dafür Zuspruch - vor allem aber wurde sie im Internet wüst beschimpft.

Es war nicht der Dienst in der Notaufnahme, fast 24 Stunden, aber keine Minute Schlaf. Es waren nicht die 17 Patienten, die an jenem Samstag mit Covid-19 kamen, nicht die Müdigkeit und nicht der Schweiß unter zigfach gewechselter Schutzkleidung. Es war bloß einer, der sagte: Corona gibt’s doch gar nicht! Wieder einer. Und da, sagt Doc Caro, sei ihr „die Hutschnur geplatzt“. Das heißt, geplatzt ist Dr. Carola Holzner, Leitende Oberärztin am Uniklinikum Essen, persönlich.

Doc Caro zu Corona-Leugnern: „Ich bin sauer“

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„Ich bin sauer!“, schrieb die 38-Jährige ins Internet, und in den sozialen Netzwerken hat sie als „Doc Caro“ viele, die das sehen. Mehr als vier Millionen lasen ihren offenen Brief an die „lieben Verschwörungstheoretiker, Maskenverweigerer, Systemkritiker, Nicht-an-die-Auflagen-Halter“: Wie es sein könne, dass es immer noch Corona-Leugner gibt? „Die zweite Welle kommt nicht. Sie ist da.“

Wüste Beschimpfungen im Internet

Dr. Carola Holzner hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg.
Dr. Carola Holzner hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Notärztin, seit Beginn der Krise an vorderster Front, garnierte ihren Post mit der CT-Aufnahme einer betroffenen Lunge. Viel Weiß auf dem Bild, „gesundes Gewebe“, erklärte Holzner dazu, sei schwarz. Wer also wolle da noch behaupten, dass Corona gar nicht existiert? „Was sehe ich dann eigentlich den ganzen Tag in der Notaufnahme? … Bilder lügen nicht.“

Es hat nicht geholfen. „Beleidigungen werden gelöscht“, hatte die zweifache Mutter noch dazugeschrieben, aber die auch nur zu lesen, hat sie schnell aufgeben. Unter mehr als 40.000 Kommentaren allein auf Facebook sind zwar einzelne voller Dank und Anerkennung. Den großen Rest bilden die, die sie anspricht: „Und du willst Ärztin sein“, ist da noch freundlich. Panikmache, Übertreibung, ein Aufmerksamkeitsdefizit werden ihr vorgeworfen, Lügen und Gier.

„Abschaum unserer Gesellschaft sind Menschen wie Sie“, steht da zu lesen, „ekelhaft“ und „erbärmlich“. „Diese Frau ist interessiert an viel Kohle durch Werbung, sonst nix“, andere nennen Holzner eine „linksradikale Narzisstin“, „Corona-Jüngerin“, Propagandistin für Regierung und Medien. Wichtigste Botschaft: „Glaubt nicht jeden Müll!“

Uniklinik Essen zählt 68 Covid-Patienten

Man sieht daran: Die Notärztin hat die erreicht, die sie meinte. Man sieht daran auch, dass die Stimmung umgeschlagen ist. „Erst wurden wir beklatscht, jetzt beschimpft.“ Der häufigste Vorwurf: Doc Caros Zahlen stimmten nicht, sie habe keine Beweise. Dabei bestätigt das Uniklinikum, dass die Zahl der Covid-Patienten in den angeschlossenen Häusern steigt: 68 waren es am Montag, zwei Wochen zuvor erst 26. 17 Erkrankte mussten zu Wochenbeginn auf der Intensivstation behandelt werden.

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Dr. Carola Holzner sind die Statistiken gar nicht so wichtig: Sie sei weder Virologe, der Corona wissenschaftlich betrachtet, noch Politiker, der analysiert. „Aber ich sehe die Kranken und behandle sie.“ Sie sieht die Atemnot, sie sieht die Angst – übrigens auch bei denen, die an das neue Virus zuvor nicht glaubten –, sie sieht „unsere Patienten, die bäuchlings auf Intensiv liegen: Also hört auf zu behaupten, dass es Covid nicht gibt“.

Gegen Dummheit keine Medikamente

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Auch das Argument, Covid-19 sei nicht schlimmer als eine Grippe, ist für sie dasselbe, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. „Die Grippe kennen die Menschen, „die ist hier heimisch“. Und habe zudem ganz andere Verläufe als Covid, wie man inzwischen wisse. Auch Holzner selbst habe die Krankheit zunächst unterschätzt.

Im Rückblick betrachtet, davon ist die Medizinerin überzeugt, hätte man wahrscheinlich viele Kranke und Tote der Grippewelle 2017/18 verhindern können, „wenn wir uns auch da mit den heutigen Maßnahmen geschützt hätten“. Nur sei die Akzeptanz von heute damals nicht da und die Bevölkerung also nicht bereit gewesen für Abstand, Maske und Hygieneregeln. Dass es Leute gibt, die da noch sagen, Corona sei gar nicht schlimm, macht sie hilflos. „Ich habe jede Menge Medikamente für die unterschiedlichsten Erkrankungen parat – aber eins gegen Dummheit leider nicht.“

Trotzdem schmeißt Doc Caro nicht hin. „Ich werde trotzdem da sein“, schreibt sie in ihrem Post. „Damit auch ihr behandelt werden könnt, obwohl ihr mit dafür verantwortlich seid, dass die Belastung wächst, meine Kinder bald wieder nicht mehr in die Schule kommen, der nächste Lockdown naht.“

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„Die Oma, die angesteckt wird, hat keine Wahl“

Und dann appelliert sie doch wieder dazu, die Regeln einzuhalten, obwohl sie das gar nicht wollte. „Wir tun das füreinander.“ Schließlich, wenn Abstand und Maske vor einem Herzinfarkt schützten, würde man das auch ernst nehmen. „Wenn einer zig Jahre raucht, steht nur er selbst für die Folgen gerade. Aber Oma Müller, die angesteckt wird, weil ihr Enkel auf einer Party war, die hat keine Wahl.“

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