Münster. Die Geiselnahme in der JVA Münster sei „schulmäßig“ bewältigt worden – sagt der NRW-Justizminister im Landtag. Polizei erschoss den Geiselnehmer.

Update Freitag, 13.20 Uhr: Bei der Geiselnahme in der JVA Münster am 16. Oktober seien keine Pannen passiert, hat der NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Freitag im Landtag betont. „Die Lage wurde ausgesprochen gut bewältigt“, erklärte der Minister am Vormittag in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses, „schulmäßig, sagt meine Abteilung.“ Die SPD im Landtag warf dem Justizminister vor, die Abgeordneten nicht unmittelbar über diese besondere Tat informiert zu haben. Die AfD hob den Polizeieinsatz als ein deutliches Zeichen gegenüber Nachahmern hervor.

Der offenbar geistig verwirrte Geiselnehmer, der am Freitag vor einer Woche eine 29 Jahre alte Auszubildende in seine Gewalt gebracht hatte, war nach gut drei Stunden von SEK-Beamten erschossen worden. Die Leiche des 40-Jährigen wies vier Schussverletzungen auf.

Geiselnahme in der JVA Münster: „Kollegin stundenlang in Todesangst“

Biesenbach äußerte sein Unverständnis über die von der SPD in der Herbstpause des Parlaments beantragte Sondersitzung. „Ich halte diese Sitzung für überflüssig. Da war eine junge Kollegin stundenlang in Todesangst“, sagte der Minister, aber die SPD habe keine anderen Sorgen, als möglichst live informiert werden zu wollen. Die SPD hatte kritisiert, dass Biesenbach die Abgeordneten nicht wie sonst üblich unmittelbar über diese besondere Tat informiert habe.

In einem Bericht an den Rechtsausschuss heißt es, der Gefangene habe den Wäschetausch genutzt, um blitzschnell zwei Bedienstete zur Seite zu stoßen und die Auszubildende durch einen Griff in die Haare in seine Gewalt zu bringen. Dann habe er sie in den Schwitzkasten genommen und mit dem Griff einer angespitzten Zahnbürste bedroht.

Geiselnahme in der JVA Münster: „Muss eine neue Anstalt gebaut werden“

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass der Mann Auffälligkeiten aufwies, die für eine psychische Erkrankung sprechen. Weil er sich gegenüber JVA-Mitarbeitern und Mitgefangenen aggressiv verhalten hatte, waren eine Reihe verschiedener Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. So durfte er nur allein duschen und allein zum Freigang auf den Hof.

Der bauliche Zustand des Gefängnisses habe die Geiselnahme nicht begünstigt. Der B-Flügel, in dem die Geiselnahme stattfand, sei saniert, sagte Biesenbach. „Der Rest ist Schrottimmobilie.“ Diesen Zustand habe aber vor allem sein Vorgänger Thomas Kutschaty (SPD) zu verantworten. „Deshalb muss jetzt eine neue Anstalt gebaut werden.“

Update Donnerstag, 15.05 Uhr: Der bei der Geiselnahme von der Polizei erschossene Täter ist einem Bericht des NRW-Justizministeriums zufolge offenbar verwirrt gewesen. Nach Angaben der 29 Jahre alten JVA-Bediensteten, die als Geisel genommen worden war, habe der 40-Jährige zu ihr gesagt, „er sei der Sohn der Jungfrau Maria und müsse – wie eine Figur in dem Film „Thor“ - zu einem Feld an einem roten Haus in Spanien, um einen Hammer zu holen und mit diesem Hammer das Coronavirus zu besiegen“.

Geiselnahme in der JVA Münster: Täter wohl verwirrt

In dem Bericht von Justizminister Peter Biesenbach (CDU) an die Mitglieder des Rechtsausschusses heißt es weiter, dass es sich bei der Waffe des Häftlings nicht wie zunächst angenommen um eine Rasierklinge gehandelt habe, „sondern um eine angespitzte und in diesem Bereich gehärtete Zahnbürste“. Wie der Mann die Zahnbürste angespitzt habe, sei Gegenstand der Ermittlungen.

Der Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, nennt auch Details zu den Schüssen, die Polizisten am vergangenen Freitag auf den Mann abfeuerten. Demnach sagte der Häftling gegen 9.20 Uhr zu der JVA-Bediensteten in seiner Gewalt, sie beide müssten nun „etwas machen“ und „bei drei losgehen“. Der Mann habe die 29-Jährige mit der Waffe am Hals gezwungen, mit ihm auf Kräfte des Spezialeinsatzkommandos der Polizei zuzugehen. Beamte hätten daraufhin ihre Schusswaffen „gezielt“ eingesetzt.

Die ursprüngliche Meldung der Geiselnahme in der JVA Münster

Er wirkte unberechenbar und drohte den Tod seiner Geisel an: Bei einem Polizeieinsatz im Gefängnis in Münster haben Spezialkräfte der Polizei am Freitag einen Häftling erschossen. Dem gewaltsamen Zugriff gingen Verhandlungen über mehrere Stunden voraus. Ausgelöst wurde der Alarm um 6.20 Uhr.

Genau drei Stunden später war der Mann tot, wie Polizei und Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Presseerklärung am Mittag erklärten. Der Häftling habe einen Hubschrauber haben wollen, um zu fliehen. In drei Wochen wäre er ohnehin freigelassen worden.

Häftling hatte am Morgen eine Auszubildende überwältigt und bedroht

Der Häftling hatte in den frühen Morgenstunden eine 29 Jahre alte Auszubildende überwältigt. Wie es von der Polizei hieß, bedrohte er sie außerhalb der Zelle mit einem aus einer „Rasierklinge gefertigten gefährlichen Gegenstand“.

Spezialisten der Polizei versuchten, mit dem Mann zu verhandeln. Dies gelang aber trotz „intensiver Kommunikationsversuche“ nicht, wie es am Freitag hieß. Immer wieder habe der Häftling seiner Geisel die Klinge an den Hals gehalten und gedroht, sie zu töten. Seine Forderung: Ein Hubschrauber, um aus der JVA zu fliehen.

Häftling machte laut Polizei psychisch unberechenbaren Eindruck

Weil der 40-Jährige einen psychisch unberechenbaren Eindruck machte, setzten die SEK-Beamten nach rund drei Stunden bei der Befreiung der Geisel eine Schusswaffe ein. Der Täter starb noch vor Ort. Aus Neutralitätsgründen hat die Dortmunder Polizei jetzt die Ermittlungen zu diesem Schusswaffeneinsatz übernommen.

Mitarbeiter der Spurensicherung am Eingang der denkmalgeschützten Justizvollzugsanstalt Münster.
Mitarbeiter der Spurensicherung am Eingang der denkmalgeschützten Justizvollzugsanstalt Münster. © dpa | Bernd Thissen

Der Deutsche saß eine viermonatige Haftstrafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ab. Konkret ging es um einen Tritt gegen einen Polizisten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Münster hatte der wohnungslose und alkoholkranke Mann 2019 auf dem Gelände einer Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) randaliert. Die Pfleger riefen die Polizei. Der Mann wehrte sich und trat in Richtung eines Beamten. Das Amtsgericht verurteilte den Randalierer daraufhin zu einer Bewährungsstrafe.

Der Mann wäre am 10. November aus der Haft entlassen worden

Weil er in dieser Zeit den Bewährungsauflagen nicht nachkam, musste er ins Gefängnis. Warum er jetzt, kurz vor seiner Entlassung am 10. November, eine Geisel nahm, ist Teil der Ermittlungen, wie die Staatsanwaltschaft Münster erklärte. Bei der Befreiung der Geisel hatten die Spezialkräfte ein psychisch auffälliges Verhalten beobachtet.

Nach Angaben des NRW-Justizministeriums wäre er am 10. November bereits wieder entlassen worden. Umso unverständlicher sei die Geiselnahme, sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Die 29 Jahre alte Bedienstete sei körperlich nahezu unversehrt, sagte der Sprecher des Ministeriums. Laut Polizei wurde sie durch die Klinge leicht am Hals verletzt. Was bleibt, sind die seelischen Folgen. Man kümmere sich nun intensiv um die Frau, sagte der Ministeriumssprecher. Gleichzeitig drückte er sein Beileid für den 40 Jahre alten Häftling aus: „Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen.“

Nach Geiselnahme: Justizminister dankt Polizei und JVA-Bediensteten

NRW-Justizminister Peter Biesenbach dankte später „sowohl allen Mitarbeitern im Vollzug als auch den Polizeibeamten für ihren Einsatz.“ Biesenbach sagte weiter auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Ich bedauere den Tod des Strafgefangenen. Ich bin aber auch erleichtert über die geringen Verletzungen der 29-jährigen Bediensteten. Wir bieten ihr jegliche Hilfe an, um mit dem tragischen Vorfall fertig zu werden.“

Die JVA Münster liegt mitten im nordöstlichen Stadtgebiet in einem Wohnbereich. Rund um das Gelände liegen enge Straßen. Der denkmalgeschützte Altbau und die Neubauten sind gut einsehbar. Für Anwohner und Passanten waren unter anderem schwer bewaffnete SEK-Beamte nach dem Einsatz zu sehen.

Hat der bauliche Zustand der JVA die Geiselnahme begünstigt?

Bereits vor vier Jahren hatte das Gefängnis in Münster bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der über 160 Jahre alte denkmalgeschützte Altbau musste innerhalb von 48 Stunden geräumt werden. Die nahezu 500 betroffenen Häftlinge sollten vor einem drohenden Einsturz geschützt werden. Sie wurden kurzfristig auf Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen verteilt. Um einen Neubau gibt es schon viele Jahre lang Streit.

Die SPD-Fraktion im Landtag warf am Freitag die Frage an den Justizminister auf, „ob der bauliche Zustand der Justizvollzugsanstalt Münster die Geiselnahme begünstigt hat“. Notfalls werde man eine Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragen, um den Fall aufzurollen.

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