Ruhrgebiet. Kurz vor den Herbstferien ändern sich die Corona-Regeln für innerdeutsche Reisen. Die Unsicherheit ist groß. Hier sind die wichtigsten Antworten.
Kurz vor den Herbstferien bricht das Corona-Chaos aus. Die Konferenz der Länder am Mittwoch sollte einheitliche Regeln schaffen, tatsächlich ist die Lage für Reisende und Hoteliers kurzfristig noch unübersichtlicher geworden. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Komme ich aus einem Risikogebiet?
Hier wird’s schon kompliziert. Einzelne Bundesländer wollen dies selbst definieren. Grundsätzlich legt dies aber das Robert-Koch-Institut (RKI) fest. Der entscheidende Wert ist die Sieben-Tage-Inzidenz, liegt sie höher als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gilt die Kommune als Risikogebiet. Die Wert ändern sich ständig, einen aktuellen Überblick bietet der Corona-Monitor dieser Zeitung (mit RKI-Daten).
Hamm (77,8) und Remscheid (59,3) reißen bereits seit längerem diese Latte. Neu hinzugekommen ist am Donnerstag in NRW Hagen (56,2). In Gladbeck liegt der Wert gar noch höher, bei 87,2, doch die Stadt gehört zum Kreis Recklinghausen, der insgesamt noch unter der magischen Schwelle liegt. Bedrohlich schnell an die Schwelle schieben sich Solingen (47,7), Wuppertal (46,5), Gelsenkirchen (45,8), Köln (45,4), Essen (43,4), Duisburg (42,1).
XHTML liegt unter: 230611384
Welche Regeln gelten für Reisen innerhalb Deutschlands?
Die meisten Bundesländer haben sich auf diese Regeln geeinigt: Für Reisende aus Risikogebieten gilt ein Beherbergungsverbot – außer sie weisen einen negativen Corona-Test vor, der nicht älter als 48 Stunden ist. Doch es gelten zahlreiche Ausnahmen und unterschiedliche Startzeitpunkte. Reisende sollten sich auf den Internetseiten der jeweiligen Landesregierung oder bei ihrem Gastwirt erkundigen.
- Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein tragen grundsätzlich das Beherbergungsverbot mit und richten sich nach den Risikogebiet-Ausweisungen des RKI. Bayern hat das Verbot bereits in Kraft gesetzt. Ansonsten ist noch unklar, wann die Regeln in Kraft treten. Unterschiede bestehen auch bei der Frage, ob Berlin als Gesamtstadt oder bezirksweise betrachtet wird.
- Niedersachsen will auch ein Beherbergungsverbot einführen, wann ist noch unklar. Es solle vermieden werden, dass kurzfristig Aufenthalte abgebrochen werden müssen, erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag. Maßgeblich soll das Datum der Einreise sein. Bei den Risikogebieten behält man sich Spielraum vor. Bei nur eintägigen Überschreitungen will man noch nicht automatisch dem RKI folgen.
- Mecklenburg Vorpommern hält an einer zweiwöchigen Quarantänepflicht für Gäste aus Risikogebieten fest. Ein zweiter Test nach frühestens fünf Tagen kann diese Zeit verkürzen. Schleswig-Holstein nimmt eine solche Regel zurück, Reisen an die Nordsee werden also einfacher.
- Berlin und Bremen weisen aktuell keine inländischen Risikogebiete aus und beraten noch.
- Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält die Regelung für „Unsinn“. Hier gibt es de facto kein Einreiseverbot.
Was gilt innerhalb von NRW?
Auch interessant
Nordrhein-Westfalen wendet das Beherbergungsverbot zunächst nicht an. „Es gibt keinen Automatismus“, sagte der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU) am Mittwoch. Dieses Instrument könne genutzt werden, wenn das NRW-Gesundheitsministerium bestimmte Regionen entsprechend ausweise. Dafür müsse es ein „anhaltend diffuses Infektionsgeschehen geben“. Die Corona-Schutzverordnung sehe diese Möglichkeit seit Juli vor. Sprich: Ein lokal begrenzter Ausbruch, etwa in einem Großbetrieb, würde wohl nicht zu einer Risiko-Einstufung führen.
„Für Gäste, die nach NRW kommen, hat sich die Situation nicht geändert“, interpretiert Thorsten Hellwig vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) diese Aussage. Ebenso wenig für Gäste, die innerhalb NRWs reisen.
Was bedeutet das für die Reisebranche?
Auch für die Gastwirte in NRW haben sich die Regeln nicht geändert, soweit abzusehen. Allerdings hat Dehoga-Sprecher Hellwig die Befürchtung, dass die Verunsicherung der Gäste noch einmal zugenommen hat. „Die ohnehin hochgradig schwierige Buchungslage könnte noch schwieriger werden.“
„Durch die abwartende Haltung des Landes NRW, bleibt auch den touristischen Leistungsträgern nichts anderes übrig, als zu hoffen das ein generelles Beherbergungsverbot ausbleibt“, erklärt Axel Biermann, Chef der Ruhr Tourismus GmbH. „Die stark ansteigenden Fallzahlen in NRW sind natürlich keine gute Werbung für die Region. Das aktuelle Geschehen und die unübersichtliche Lage stellt ein weiteres Hemmnis dar, den Tourismus anzukurbeln. Bislang liegen uns keine konkreten Zahlen vor, jedoch werden die in den Sommermonaten verzeichneten Zuwächse aller Wahrscheinlichkeit nach stagnieren.“
„Wir spüren solche Diskussionen sofort, egal ob es um Feiern, Hochzeiten oder nun um touristische Übernachtungen geht“, bestätigt Moritz Mintrop, Geschäftsführer der Mintrop-Hotels in Essen. „Wir hatten gehofft, dass sich im Herbst noch ein paar mehr Radtouristen nach Essen trauen.“ Tatsächlich hat dieses Feld etwas zugelegt in Coronazeiten, kann aber den Wegbruch bei Messegästen und Dienstreisenden nicht wettmachen. „Auch die Kommunikation mit den Betrieben lässt zu wünschen übrig“, kritisiert Mintrop das Regel-Chaos. „Wir sind in der Regel die ersten, die Anfragen der Gäste beantworten müssen. Dabei haben wir selbst noch keine Infos.“
Auch Anna Galon, Sprecherin von Sauerland Tourismus, sagt: „Wir haben alle viele Fragezeichen in den Augen.“ Es gebe zwar kein Beherbergungsverbot, aber leider auch keine klare Handreichung, was erlaubt ist und was nicht. „Das führt zu vielen Unsicherheiten.“ Da kann Katja Lutter, Geschäftsführerin des Schmallenberger Kinderlandes, nur zustimmen. „Es fehlt eine klare Linie.“ Bis es die gibt, empfehlen die Touristiker dringend, vor der Anreise sicherheitshalber Kontakt zum Hotel oder Vermieter aufzunehmen.
Die Zahl der Buchungen sei gut gewesen, sagt Galon. Stornierungen habe es am Donnerstag kaum gegeben. „Aber aus dem Sommer wissen wir, dass sich viele Leute ganz spontan zu einem Urlaub im Sauerland entschließen.“ Ob das angesichts der steigenden Infektionszahlen in vielen großen Städten auch in den Herbstferien so bleibe, sei derzeit völlig unklar.
Welche Ausnahmen gibt es?
Das Beherbergungsverbot gilt nur für Übernachtungen in gewerblichen Betrieben. Die Bewegungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Bei Familie oder Freunden kann man weiter unterkommen.
Es gibt weiterhin „triftige Reisegründe“, die auch eine Übernachtung im Hotel rechtfertigen, selbst wenn man aus Risikogebieten kommt: unaufschiebbare Dienstreisen, Reisen mit medizinischem Anlass, den Besuch eines Lebenspartners, die Pflege schutzbedürftiger Personen oder den Besuch eines Familienangehörigen.
Wie sollen Hoteliers das überprüfen?
Die Regelung ist noch unklar. Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig geht jedoch davon aus, dass sie sich nicht wesentlich ändern wird. Schon heute müssen Gäste eine Selbstauskunft ausfüllen, bei der sie nach Aufenthalten in Risikogebieten gefragt werden. Bislang waren eben nur die ausländischen Risikogebiete gemeint.
Wohin kann ich ins Ausland reisen?
Auch interessant
Auch hier ist die Lage hochdynamisch. Erst am Donnerstag haben das Auswärtige Amt und das RKI unter anderem ganz Tunesien, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Litauen, und die Karibikinsel Curaçao als Risikogebiete deklariert. Dazu weitere Regionen in vielen europäischen Ländern. Korsika wurde dagegen von der Risiko-Liste gestrichen.
Reisende müssen zudem beachten, dass auch die Zielländer Regelungen zu Quarantänen etc. haben. Einen Überblick bietet das RKI oder noch detaillierter das Auswärtige Amt unter diplo.de/sicherreisen.
Rückkehrer aus einem internationalen Risikogebiet müssen weiterhin 14 Tage in Quarantäne oder einen negativen Corona-Test vorweisen, höchstens 48 Stunden alt. In jedem Fall ist das zuständige Gesundheitsamt über den Aufenthalt im Risikogebiet zu informieren.
Wo können sich Bürger privat testen lassen?
Kostenlos getestet wird nur, wer Symptome oder Kontakt zu einer infizierten Person hat oder in einem Risikogebiet war (bis zehn Tage nach der Rückkehr). Nicht der, der erst hin will: Der muss seinen Test selbst bezahlen. Das geht bei manchen Hausärzten nach Absprache und in Testzentren, etwa an den Flughäfen Düsseldorf und Weeze, am Marientor in Duisburg, auf dem Gelände der Trabrennbahn Dinslaken, oder ab Montag im Klinikum Dortmund-Mitte (nur mit Termin, www.klinikumdo.de/coronatest).
Auch interessant
Die Preise bewegen sich zwischen 60 und 150 Euro, das Ergebnis samt Bescheinigung kommt in der Regel binnen maximal drei Tagen, häufig schneller. Für anlassbezogene Tests im örtlichen Zentrum, die die Krankenkasse bezahlt, wird meist ein Termin und eine Überweisung durch den Hausarzt benötigt. Unter der notärztlichen Telefonnummer 116 117 sollten Hausärzte genannt werden können, die ebenfalls testen. Übrigens: Die kostenlosen Tests ohne Anlass, die Lehrer und Erzieher in NRW zuletzt alle zwei Wochen machen lassen konnten, laufen am Freitag, 9. Oktober, aus.
Was gilt, wenn ich als Bewohner eines Risikogebietes bereits eine Unterkunft gebucht habe? Bekomme ich dann mein Geld zurück?
Auch interessant
Falls Gäste aus Risikogebieten nicht beherbergt werden dürften, sei die Reise schlicht nicht möglich, erklärt Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. „Die Folge ist, dass der Mietvertrag damit beendet ist.“ Das angezahlte Geld wird dem Gast zurückgezahlt. Anders sieht es aus, wenn Anreise und Unterbringung weiterhin möglich sind, weil es nur eine Quarantänevorschrift gibt. Dann müsse der Gast auch zahlen, sofern keine kostenlose Stornierung mehr möglich ist, erklärt Degott. Möglich sei dann allenfalls eine kulante Regelung.
So argumentiert auch der Hotelverband Deutschland (IHA). Im Fall Schleswig-Holsteins kann ein Hotel weiterhin seine Leistung anbieten. Es stehe Urlaubern frei, trotz Corona-Verordnung anzureisen und die Quarantänezeit im Hotel zu verbringen. „Dass das nicht Sinn des Urlaubs ist, ist unbestritten“, so der Verband. Rein juristisch sei es Sache des Reisenden zu wissen, dass er in ein Risikogebiet fährt, der Reisende habe bei Nichtantritt die entsprechenden Kosten zu tragen. Natürlich stehe es jedem Hotelier offen, aus Kulanz eine kostenlose Stornierung oder eine Gutschrift zu gewähren. (mit dpa)