Bochum. Das Frühjahr hat deutlich gezeigt: Die Schulen sind nicht vorbereitet auf Unterricht unter Corona-Zwängen. Aber manche sind weiter.
Beginnen wir mit ganz alter Technik, beginnen wir mit E-Mails. In einer fünften Klasse der Schiller-Schule in Bochum sollten die Kinder lernen, wie man sie schreibt. Sie durften tippen, toll! „Fandet ihr das schwer?“, fragt Lehrer Eike Völker. Sagt ein Junge: „Nicht so schwer, ich habe das eingesprochen.“ Im Kern war das nicht die Aufgabe, im weiteren Sinne aber komplett richtig. Völker: „Ich will ja genau erreichen, dass die Kinder kreativ sind und das für sich erarbeiten, was sie brauchen.“
Völker ist stellvertretender Schulleiter der Schiller-Schule, eines 1100-Köpfe-Gymnasiums für den Bochumer Süden. Die Schule hat 2019 einen zweiten Preis beim Deutschen Schulpreis geholt, auch wegen ihres digitalen Fortschritts. Tafeln gibt es hier nicht mehr, nur Whiteboards mit Apple TV, alle Schüler der Klassen 5 bis 10 haben iPads, und die zum Lernen benötigten Apps spielt Ihnen die Schule auf. Ach ja, und das WLAN funktioniert in jedem Winkel der 101-jährigen Schiller-Schule: Es ist hier noch nie zusammengebrochen.
„Nach dem Lockdown mussten wir uns auch erst einmal aufrappeln“
Auf dem Weg dahin waren sie schon vor Corona, aber „nach dem Lockdown mussten wir uns auch erst einmal aufrappeln“, sagt der 43-Jährige. Zunächst habe man versucht, den analogen Unterricht digital weiterzuführen, aber dabei „haben sich die Kollegen einen Wolf gearbeitet“. Denn was man sonst im gemeinsamen Unterricht erarbeitete, alle 25 zugleich, sollte nun individuell jedem Einzelnen vermittelt werden: 25 nacheinander. „Als Nebenfach-Lehrer haben Sie bis zu 300 Kinder.“ Nein, so ging’s nicht weiter.
Und so ging die Schule in der Übergangsphase den Weg zum hybriden Unterricht. Teilte Klassen auf in Achter- bis Zehnergruppen, die zugleich in einem Klassenraum anwesend sein konnten, und die anderen – iPads hatten sie ja – kamen von Zuhause dazu. „Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt die Schulleiterin Birte Güting.
Einen ganzen Schultag in Videokonferenz hält niemand aus
Insbesondere seien Schüler mehr aus sich herausgekommen, die sonst in der großen Klasse eher still sind: Digital Erlerntes, Lösungsvorschläge oder Ideen können sie mit der Technik auch 1:1 mitteilen, statt sie vor allen Mitschülern ausbreiten zu müssen. Oder hybrid weitermachen: Ein paar kommen für eine Gruppenarbeit von Zuhause, die anderen nicht – und arbeiten doch zusammen in derselben Gruppe. Hinzu kommen verpflichtende Videokonferenzen der Klassen, aber in engen Grenzen: Einen ganzen Schultag per Video hält ja niemand aus.
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So sind die Schüler seit den Sommerferien alle wieder da, haben aber zugleich ein Lernmanagement-System und ein virtuelles Klassenzimmer. Der klassische Unterricht findet statt, „das wünschen sich auch viele, aber er wird immer wieder aufgebrochen.“ Sie schreiben – Handschrift! – aber eben auf dem iPad und lösen Aufgaben vom Whiteboard: „Erstellt das Filmplakat auf dem iPad“, „Bearbeitet im mBook Aufgabe 3.“ Typischerweise gebe es mehr Visualisierungen und „viel mehr Zugriffe“, weil Schüler einen Teil der Aufgaben an einem Tag und zu einer Stunde lösen können, die sie selbst wählen.
Elternabend: „So arbeitet Ihr Kind an der Schule“
So anders klingt das alles ja gar nicht. Soll es auch nicht: „Technik nur um der Technik willen ist Quatsch“, sagt Völker: „Ich muss wissen, was ich damit machen will und kann.“ Aber natürlich gehe es auch darum, die Kinder auf die digitale Welt vorzubereiten, die sie „verstehen und gestalten sollen“.
1000 Schüler und 100 Lehrer in die Richtung zu bewegen, sei nicht so schwer gewesen. „Heute ist die Stimmung im Kollegium: Das ist super, weil es so einfach ist.“ Die Fünftklässler lernen den Umgang mit der Technik schnell, dann gibt es ein „App-Café für Lehrer“ mit allen technischen Erklärungen, und die Eltern seien in der Regel eh aufgeschlossen. Außerdem gibt’s ja den Elternabend mit dem Thema: „So arbeitet Ihr Kind an der Schule.“
Bücher und Blätter, Kissen und Klamotten, Lernen und Langeweile
Herr Völker, ist das denn bezahlbar? Ja. Mit Anbietern von iPads habe man ein Finanzierungsmodell entwickelt, wonach die Eltern das Gerät für circa 17 Euro im Monat kaufen können, 20 Monate lang. Ein Whiteboard, also die digitale Tafel, kostet 4000 Euro, „und mit 400 Euro pro Raum sind Sie so ausgestattet, dass Sie alles übertragen können“.
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Auf der Internet-Seite der Schillerschule geht es auch um einen Foto-Wettbewerb aus diesem Sommer. „Digitales Lernen im Homeschooling“ war das Thema, und ein Foto von Helena aus der 9d zeigt, wie das Frühjahr in Familien in ganz Deutschland war: Alles steht auf dem Kopf. Ein Mädchen liegt auf dem Sofa, streckt die Beine nach oben, um sie herum auf dem Boden und dem Möbel das typische Corona-Chaos, ein einziges Durcheinander aus Heften und Büchern, Stiften und zerknüllten Blättern, Klamotten und Kissen, Lernen und Langeweile. Furchtbar. Allerdings schaut das Kind in ein iPad. Und das ist anders als bei den allermeisten.