Köln/Bonn. Am 18. September vor 50 Jahren starb die Rocklegende. Ein ganz persönlicher Konzertbericht von Autor Ulrich Lehnhof.

Im gestohlenen Auto erwischt

Das ofizielle Plakat zum Auftritt in Köln.
Das ofizielle Plakat zum Auftritt in Köln. © Ulrich Lehnhof | Ulrich Lehnhof

Jimi Hendrix, der Gitarrist, den ich heute Abend sehen und hören werde, ist bei der US-Army gewesen. In Fort Campbell, Kentucky, hat er eine schikanöse Grundausbildung bei der 101. Luftlandedivision durchgemacht, die er in Briefen an seinen Vater in Seattle als entwürdigend und langweilig beschreibt und in die er nur geraten ist, weil er mit einem gestohlenen Auto von der Polizei erwischt wird. Im Alter von 18 Jahren bekommt der Sohn eines schwarzen Vaters und einer Mutter mit indianischer Abstammung vom Richter zwei Jahre auf Bewährung aufgebrummt, nachdem sein Pflichtverteidiger versichert, sein Mandant werde sich freiwillig zum Wehrdienst melden. Hendrix bittet den Vater, ihm seine Gitarre zu schicken, damit er gegen die Eintönigkeit anspielen kann. Bei einem Fallschirmabsprung bleibt sein Fuß in einem Fanghaken hängen. Der Knöchel ist glatt gebrochen. Hendrix simuliert noch eine Rückenverletzung hinzu und wird nach 15 Monaten im Sommer 1962 aus der Armee entlassen.

Anschließend versucht er sich in Cafés, Clubs und auf den Straßen von Nashville, Tennessee, als Musiker durchzuschlagen, gründet mit dem Bassisten Billy Cox seine erste Band, die sich nicht gerade einfallsreich „The King Kasuals“ nennt. Im Süden der USA entdeckt er im schwarzen Folkblues seine musikalischen Vorbilder: Elmore James, Muddy Waters und Robert Johnson. Live hört er die Gitarristen Albert King und Albert Collins in Georgia. Dort sieht er auch die ersten Gimmicks, welche die Musiker sich einfallen lassen, um dem Publikum zu imponieren oder im Gedächtnis zu bleiben: Gitarre auf dem Rücken spielen beispielsweise oder gleich mit den Zähnen.

25 Doller Preisgeld

Immerhin ist Hendrix inzwischen in der Südstaaten-Musikszene so bekannt, dass er als Begleitmusiker von Soulshows mit Sam Cooke, Solomon Burke und den Isley-Brothers auftritt und sogar vom selbsternannten ,King of Rock’n Rhythm’ Little Richard für eine Tour angeheuert wird. Aber es ist überall das gleiche: immer die gleichen Akkorde, immer die gleichen schwarzen Lackschuhe und weißen Sakkos und vor allem immer die gleiche schlechte Bezahlung.

Er verlässt den Süden und geht nach New York, wo er einen Amateurwettbewerb im Apollo Theater gewinnt, der ihm sage und schreibe 25 Dollar einbringt. Doch das ändert nichts an seiner Situation. Er sagt später über diese Zeit: „Wochenlang nagte ich am Hungertuch, bekam nur alle Jubeljahre einen Gig und schlief im Schatten der Wohnblöcke zwischen Müllcontainern, wo einem die Ratten über den Körper liefen. Ich habe sogar Orangenschalen mit Tomatenmark gegessen. Es war die Hölle.“

Anfang 1966 gründet er mit dem erst 15-jährigen Randy California die Band „Jimmy James and The Blue Flames“. Zuweilen tritt er auch allein in den Lokalen von Greenwich Village auf, wo er Bob Dylan kennenlernt, dessen Texte ihn stark beeindrucken und von dem er später Songs covert. Im August ‘66 hört ihn dort Chas Chandler, der Bassist der englischen Rhythm-and-Blues-Band „The Animals“, und schlägt ihm vor, nach London zu kommen und dort eine Band auf die Beine zu stellen. Hendrix fliegt im September nach Europa und wählt aus etlichen Musikern Noel Redding als Bassmann und Mitch Mitchell als Schlagzeuger aus: The Jimi Hendrix Experience sind geboren und treten noch bevor die erste Platte erscheint in England, Frankreich und Deutschland auf. Seinem Vater schreibt er auf einer Postkarte: „Langsam geht’s aufwärts, glaube ich.“

Das waren Zeiten… der Autor zur Zeit des Hendrix-Konzertes.
Das waren Zeiten… der Autor zur Zeit des Hendrix-Konzertes. © privat

„Meine Musik bin ICH“

Die erste veröffentlichte Single des Trios ist „Hey Joe“, die Coverversion einer Komposition des US-Folkmusikers Billy Roberts, die es in der ersten Januarwoche ‘67 in die englischen Charts schafft und dort bis auf Platz 6 klettert. Der Nachfolger „Purple haze“ bringt es sogar auf Platz 3. In seiner Heimat dauert es noch bis zum Herbst des Jahres, denn erst nach dem Auftritt beim Monterey Pop Festival im Juni ‘67 geht Hendrix’ Stern in den USA auf, wo ihm nach dem Verbrennen seiner Gitarre auf der Bühne im Summer of love das Etikett des durchgeknallten Pop-Psychedelic-Freaks angehängt wird, worauf er nur antwortet: „Wir wollen in keine Schublade gesteckt werden. Meine Musik ist kein Pop. Meine Musik bin ICH.“

Im gleichen Jahr erscheinen die beiden Langspielplatten „Are you experienced“ und „Axis bold as love“, die auf Grund von bis dahin nie gehörten Intros, Riffs und Soli seinen Ruf als weltbester Rockgitarrist festigen, der live kein Stück zweimal gleich spielt. Er hasst seit seinem Zwangsaufenthalt bei der Armee die Konformität und kann auch die rein kommerziell ausgerichteten Kompositionen und Auftritte nicht leiden, die er selbst als Begleitmusiker mitmachen musste.

Noch gut erhalten: Die Eintrittskarte zum Hendrix-Konzert in Köln am 13. Januar 1969.
Noch gut erhalten: Die Eintrittskarte zum Hendrix-Konzert in Köln am 13. Januar 1969. © Ulrich Lehnhof | Ulrich Lehnhof

Bereits zu diesem Zeitpunkt konsumiert Hendrix Drogen. Im Mai ‘69 wird er in Kanada wegen Verstoßes gegen das Rauschmittelgesetz festgenommen. Die ständigen Tourneen tragen ebenfalls zum Zerfall des Trios bei. Im Juni haben The Jimi Hendrix Experience ihren letzten Auftritt in Denver.

Im Herbst des Jahres probt er mit Buddy Miles und Billy Cox zusammen in einer Gruppe, die er ,Band of Gypsys’ nennt und von der es einen legendären Live-Mitschnitt des Silvesterkonzerts im New Yorker Fillmore gibt. Weitere von ihm produzierte und autorisierte Aufnahmen erscheinen nicht. Bei Open-Air-Konzerten im Sommer tritt er in Hawaii, England (Isle of Wight) und am 6.9.1970 zum letzten Mal überhaupt beim ,Love-and-Peace-Festival’ in Fehmarn auf.

Und so sieht Autor Ulrich Lehnhof heute aus.
Und so sieht Autor Ulrich Lehnhof heute aus. © Ulrich Lehnhof | Ulrich Lehnhof

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