Bochum/Dortmund. Der Gaststättenverband fordert eine landesweite Zulassung von Heizpilzen im Herbst und Winter. Warum viele Wirte davon nicht viel halten.

Die Tage werden kürzer, die ersten Blätter welken – der Herbst steht vor der Tür, und auch der Winter naht. Nass, kalt, ungemütlich. Drei Wörter, die die Wirte in der Region hassen, besonders in Zeiten von Corona, denn: „Die Gäste meiden noch immer die Innenräume der Lokale“, sagt Christian Bickelbacher, der in Bochum fünf Restaurants betreibt.

Heizpilze könnten die Saison verlängern. Aber viele Wirte glauben nicht, dass sie reichen, um Besucher auf Terrassen oder in Biergärten zu locken. Viele halten die Pilze ohnehin für Klimakiller. „Gasbetriebene Heizkörper, die eine Saison lang eingesetzt werden, sind so klimaschädlich wie zwei kleine Pkw“, sagt etwa Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.

Die Gastronomie braucht auch in den Wintermonaten Unterstützung

Gastronom Christian Bickelbacher glaubt nicht, dass die Heizpilze alleine der Branche durch den Winter helfen
Gastronom Christian Bickelbacher glaubt nicht, dass die Heizpilze alleine der Branche durch den Winter helfen © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Gerne gesehen werden sie dann auch in keiner Revierstadt. Aber verboten sind Heizstrahler derzeit nur in Essen. Und selbst dort wird über das Verbot nachgedacht, „weil die Verwaltung durchaus anerkennt, dass die Gastronomie auch in den Wintermonaten Unterstützung benötigt“, wie eine Sprecherin auf Anfrage bestätigt.

Das sieht Bernd Niemeier, Präsident des Dehoga Nordrhein-Westfalen erwartungsgemäß ganz ähnlich. Außengastronomie habe während der Corona-Krise „eine herausragende Rolle gespielt“ und vielen Betrieben das Überleben gesichert. Jetzt benötige man die Unterstützung der Kommunen, um den Aufenthalt draußen „möglichst attraktiv und komfortabel gestalten zu können“ sagt Niemeier und wünscht sich „Terrassen-Stärkungspakte“ – auch so ein Wort, das vor einem Jahr niemand verstanden hätte.

Zelte, Schirme und Windschutze sollen bei schlechtem Wetter schützen

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Erweiterte außengastronomischen Flächen sollen bestehen bleiben und Sperrzeit-Regelungen ausgeschöpft werden. Zelte, große Schirme und Windschutze sollen gegen die Widrigkeiten des Wetters helfen. Und eben Gas-Heizstrahler in Pilzform. Letztere hält Bickelbacher für eine „kranke Sache“ und hatte sie deshalb eigentlich schon vor längerer Zeit aus Umweltschutzgründen aussortiert und durch elektronische Modelle ersetzt – „betrieben mit Öko-Strom“. „Aber leider haben wir draußen nicht überall Steckdosen.“

Warm aber nicht gut für die Umwelt. Eine Allee aus Heizpilzen,
Warm aber nicht gut für die Umwelt. Eine Allee aus Heizpilzen, © WAZ | STEFAN AREND

Nun will er einen Teil der alten Strahler wieder aktivieren. „Nur kurzfristig“, sagt der Gastronom und ist skeptisch, ob die Wärmesäulen in den nächsten Wochen tatsächlich für mehr Gäste im Außenbereich sorgen. „Da stellt man sich vielleicht drunter, um kurz ein Bier oder einen Glühwein zu trinken“, sagt der Bochumer. „Aber für die gehobene Gastronomie kann man das vergessen.“

Hohe Kosten, schlecht für die Umwelt

Jan Möller, einer der Geschäftsführer der muto Gmbh, die in Dortmund mehrere Lokale betreibt, sieht das ganz ähnlich und ist deshalb überzeugt: „Wir werden jetzt nicht losrennen und 50 Heizpilze kaufen.“ Hat mit Umweltschutz zu tun aber auch mit „dem hohem Kostenaufwand für Anschaffung und Betrieb“. Außerdem glaubt Möller nicht an die nötige Wirkung. „Rübe verbrannt, Füße frieren, das hat nichts mit Gemütlichkeit zu tun.“

Eine Frankfurter Firma hat vor einiger Zeit mit einer Outdoor-Fußbodenheizung zwar eine Alternative zu den Heizpilzen entwickelt, „aber so etwas“, sagen Bickelbacher und Möller übereinstimmend, „kann sich im Augenblick doch kaum ein Gastronom leisten.“

Über 70 Prozent der Betriebe kämpfen ums Überleben

Schließlich belaufen sich die Umsatzeinbußen der Branche in NRW laut einer Dehoga-Umfrage seit März auf durchschnittlich 60 Prozent., Und mehr als 72 Prozent der Betriebe kämpfen nach eigenen Angaben ums Überleben.

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Umweltschützer empfehlen, einfach Decken an Besucher zu verteilen. Virologen halten das allerdings für keine gute Idee derzeit, und Wirte finden das „viel zu aufwändig“, weil nach jedem Besucher jede Decke gereinigt und desinfiziert werden müsste. Jan Möller rät deshalb in den nächsten Monaten zur eigenen dicken Jacke, „die man sonst auf dem Weihnachtsmarkt angezogen hat“ – wohlwissend, dass selbst warm gekleidet kaum jemand ein Drei-Gänge-Menü unter freiem Himmel verspeisen wird.

In vielen Lokalen wird die Lüftung umgerüstet

Bleibt also nur die Möglichkeit, die Leute doch wieder ins Lokal zu locken. In vielen Gaststätten wird deshalb derzeit die Lüftung um- oder aufgerüstet, werden Filter eingebaut, um für noch mehr Sicherheit zu sorgen. Das kann schnell einen mittleren vierstelligen Betrag kosten, scheint sich aber zu lohnen. „An manchen Tagen ist es drinnen schon wieder voll“, sagt Möller. „Aber wir haben auch große, hohe Räume. Da halten viele Gäste das Risiko wohl für überschaubar.“

Es gibt Hoffnung. Auf die Impfung, ein Gegenmittel, darauf, dass alles besser wird. Trotzdem wollen weder Möller noch Bickelbacher zu optimistisch werden. „Keiner weiß, was noch kommt“, sagt der Bochumer. Und Möller ahnt: „Viele in der Branche werden es nicht durch den Winter schaffen