Essen. In Dortmund wurde ein mutmaßlicher Kinderschänder aus der Haft entlassen und wurde wohl rückfällig. Ein Anwalt erklärt, welche Regeln gelten.
In der Öffentlichkeit wird das Amtsgericht Dortmund scharf kritisiert. Es hatte nach der Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens im Juni einen Mann wegen Zweifel am Tatverdacht aus der Untersuchungshaft entlassen. Einen Monat später fiel er erneut auf, diesmal wegen mutmaßlicher Vergewaltigung einer 13-Jährigen. Gerichtsreporter Stefan Wette sprach mit dem erfahrenen Marler Strafverteidiger Hans Reinhardt, welche Kriterien für die Untersuchungshaft nötig sind.
Ist die Untersuchungshaft bereits eine vorweggenommene Bestrafung eines Täters?
Auf keinen Fall. Sie dient lediglich der Sicherung des Strafverfahrens. Sie soll verhindern, dass sich der Verdächtige dem Verfahren durch Flucht entzieht, Zeugen beeinflusst oder Beweismittel verschwinden lässt. Bei bestimmten Delikten, etwa Sexualstraftaten, soll sie auch die Wiederholungsgefahr verhindern. Wichtig: Für den Verdächtigen gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Dann muss also ein Unschuldiger in die U-Haft?
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Im Grunde stimmt das. Deshalb sieht die Strafprozessordnung strenge Regeln vor, nach denen ein Haftbefehl für die Untersuchungshaft erlassen wird. Der Haftrichter muss einen dringenden Tatverdacht haben. Das heißt, eine spätere Verurteilung des Verdächtigen muss wahrscheinlicher sein als ein Freispruch. Zur Anklageerhebung reicht zum Beispiel schon der einfache Tatverdacht, die Anforderung ist also sehr viel geringer.
Wenn Mord oder Totschlag angeklagt ist, sitzen die Angeklagten fast immer in Untersuchungshaft. Woran liegt das?
Für die Anordnung der U-Haft ist nicht nur der dringende Tatverdacht Voraussetzung, es muss auch noch ein Haftgrund, etwa die Fluchtgefahr, hinzukommen. Das ist bei sehr schwerwiegenden Straftaten wie Tötungsdelikten in der Regel nicht notwendig. Wer in Verdacht steht, einen Menschen getötet zu haben, um ein Beispiel zu nennen, kann über Beruf, festen Wohnsitz und andere soziale Bindungen verfügen, er geht trotzdem in U-Haft.
Für Verdächtige einer Sexualstraftat gilt das nicht?
Da greift meist eine andere Vorschrift, die der Wiederholungsgefahr. Bei ihnen gehen die Haftrichter davon aus, dass sie ihre Neigung weiter ausleben wollen und andere Menschen gefährdet sind. Diese Vorschrift gilt übrigens auch bei Bandendiebstahl oder für Stalker.