Essen. Eine ihm unbekannte Frau soll der Essener Obdachlose zu töten versucht haben. Jetzt steht er vor dem Landgericht. Anklage: Mordversuch.
Seit einem halben Jahr hat der Essener Obdachlose Jürgen G. wieder ein festes Dach über dem Kopf. Aber es ist nicht das, welches der 50-Jährige sich selbst ausgesucht hat. Die Justiz hat ihn untergebracht - in der forensischen Psychiatrie, weil er am 6. Februar am Rüttenscheider Stern in Essen eine ihm völlig unbekannte Frau zu töten versucht haben soll. Auf versuchten Mord aus Heimtücke lautet die Anklage vor dem Schwurgericht.
Es muss der Horrorabend für das Opfer gewesen sein. Die 50-Jährige aus der Nachbarschaft war auf dem Weg zum Altglascontainer am Stern, hielt in der Hand eine Tasche mit den leeren Flaschen. Für sie völlig unvermittelt soll sich in diesem Moment der Angeklagte auf sie gestürzt und sie zu würgen versucht haben. Die Anklage spricht von seinem "zornigen Blick" und gibt dabei die Wahrnehmung der Frau wieder.
Anklage sieht Tötungsabsicht
Mit gezielten Tritten soll Jürgen G. sie zu Fall gebracht. Auf dem Bürgersteig entdeckte er einen losen Stein. Er habe ihn ergriffen und damit auf den Kopf der Frau eingeschlagen. An seinem Motiv lässt die Anklage keinen Zweifel: "Um sie zu töten."
Nach dem Stein nimmt er eine der leeren Flaschen, die eigentlich im Container landen sollten. Mit dem Flaschenhals schlägt er laut Anklage wiederum auf den Kopf der Frau ein. Mindestens fünf Mal, sagt die Staatsanwaltschaft, und unterstellt ihm auch bei diesen Schlägen Tötungsabsicht.
Todesangst empfunden
Die Frau habe Todesangst empfunden, heißt es weiter, und ihren Kopf mit Händen und Armen zu schützen versucht. Verzweifelt habe sie sich gegen den Mann zu wehren versucht. Es gelang ihr aber nicht, sich zu befreien. Laut schrie sie "Hilfe!".
Die Rettung kam durch zwei Männer. Einer von ihnen hatte es in einem benachbarten Haus gehört. Er sprang durch das Fenster im ersten Stock auf die Straße. Gemeinsam mit einem Passanten zerrte er den Angreifer weg von der Frau. Diesem gelang zunächst die Flucht, kurz danach ergriffen ihn aber Polizisten. Das Opfer erlitt eine stark blutende Platzwunde am Kopf.
Angeklagter schweigt zu den Vorwürfen
Richter Moritz Sendlak belehrt den Angeklagten, dass er sich zu den Vorwürfen äußern darf, aber auch schweigen kann. Verteidiger Bernd Kachur erklärt sofort, dass der Mandant wie bisher nichts sagen werde. Nein, auch mit dem psychiatrischen Gutachter Frank Sandlos will er nicht reden.
Aber schweigen bedeutet keineswegs, dass der Angeklagte still ist. Er will selbst einen Antrag stellen. In der Anklage heiße es nämlich, er habe in den Räumen der Bredeneyer Sparkasse seine Notdurft verrichtet, und da wolle er doch bitte die Aufnahme der Kamera aus dem Vorraum der Filiale sehen.
Aktenordner überreicht
Sendlak wiegelt ab, das sei ja nicht unbedingt der Kern der Anklage. Aber Jürgen G. beharrt darauf. Dann dient er dem Gericht auch noch einen dicken Aktenordner an: "Das ist Korrespondenz mit Ärzten und Polizei." Der Richter will auch diesen Ordner nicht, bekommt ihn letztlich doch.
An sechs Sitzungstagen will die Kammer den Fall aufklären. Vorsorglich hat sie den Angeklagten darauf hingewiesen, dass es vielleicht doch nur ein versuchter Totschlag ist und keine heimtückische Tat. Und dass er in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden könne.