Duisburg. Seit Juli sind in der Walsumer Rheinaue RVR-Ranger in Sachen Naturschutz unterwegs. Um zu informieren, zu sensibilisieren, notfalls: zu strafen.

Keine Minute sind wir an diesem Morgen unterwegs und keine 100 Meter weit gekommen, da treffen wir auf eine Dame mit Hund. Mit einem nicht angeleinten Hund, mitten in der Walsumer Rheinaue, einem Naturschutzgebiet! Glasklar: ein Fall für die Ranger.

Ulrich Gräfer (58) und Michael Zielkowski (53) stellen sich freundlich vor und die Hundehalterin zur Rede: In Naturschutzgebieten dürfe ihr Barney nicht frei herum laufen, erklären sie; „in den Sträuchern dahinten“ steckten zu viele schützenswerte Tiere, die der Hund erschrecken könnte. Rehe mit ihren Kitzen etwa. „Aber da vorn, Richtung Rheinfähre“, weist Gräfer der Dame den rechten Weg, „da können Sie Ihren Barney gern loslassen,.“ „Gut zu wissen“, dankt diese und schiebt schuldbewusst ein zaghaftes „Krieg’ ich nun ein Ticket?“ hinterher. „Heute nicht“, versichern die beiden Männer, „Aber beim nächsten Mal!“ 50 Euro wären dann für die Ordnungswidrigkeit fällig.

nmnmnmn

Hunde gehören hier an die Leine: Die Ranger klären Hundehalterin Marion Schwandt auf, verzichten aber aufs Bußgeld. „Sie sind ja einsichtig und kein Wiederholungstäter...“.
Hunde gehören hier an die Leine: Die Ranger klären Hundehalterin Marion Schwandt auf, verzichten aber aufs Bußgeld. „Sie sind ja einsichtig und kein Wiederholungstäter...“. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Seit Juli sind erstmals Ranger des Regionalverbandes Ruhr (RVR) unterwegs in Duisburger Natur- und Landschaftsschutzgebieten, zu Fuß oder mit dem Rad – um aufzuklären, zu sensibilisieren, zu vermitteln, gelegentlich: um zu strafen, wenn sich jemand partout nicht an die Regeln halten mag. Vorausgegangen war ein „messbar“ erfolgreiches Pilotprojekt im Kreis Wesel im vergangenen Jahr.

Die Männer sind unschwer zu erkennen an ihren vierbeuligen Hüten, die Ranger in aller Welt tragen, und die auch nur an solche („gegen Ausweis!“) verkauft werden. Und natürlich tragen sie das Ranger-Abzeichen an ihren Hemden. 400 von ihnen gibt es bundesweit, Zielkowski und Gräfer sind zwei von sechs im Dienste des RVR. Beide gehören zu den ersten, die der RVR 2001 ausbilden ließ. „Das war“, berichtet Gräfer stolz, „noch bevor es in der Eifel, im einzigen Naturschutzpark NRWs, welche gab.“ Forstwirt oder Forstwirtschaftsmeister muss sein, wer Ranger werden will, mindestens drei Gesellenjahre sollten hinter ihm liegen. Die Weiterbildung zum „Natur- und Landschaftspfleger“ in Bad Sassendorf dauert ein Dreivierteljahr, die anschließende zweitägige Prüfung erfolgt vor der Landwirtschaftskammer.

"Die schönsten Dinge passieren, wenn der Mensch sich raushält"

Wie kleine, weiche Tannenbäumchen sieht die Zypressen-Wolfsmilch aus. Kürzlich entdeckten die Ranger darin Raupen des seltener Wolfsmilchschwärmers. Er steht auf der Roten Liste, ist vom Aussterben bedroht.
Wie kleine, weiche Tannenbäumchen sieht die Zypressen-Wolfsmilch aus. Kürzlich entdeckten die Ranger darin Raupen des seltener Wolfsmilchschwärmers. Er steht auf der Roten Liste, ist vom Aussterben bedroht. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

An diesem Montagmorgen in der Walsumer Rheinaue, mit 500 Hektar größtes Naturschutzgebiet Duisburgs, ist wenig zu tun für die beiden RVR-Ranger. Über 190 verschiedene Vogel-, Enten- und Gänsearten leben hier, Nachtigallen und Braunkehlchen darunter, Störche und Wildreiher. In den hohlen Kronen der Kopfweiden nisten Steinkäuze und in den alten Scheunen Schleiereulen. Ringelnattern haben sie 2018 hier angesiedelt und sogar der vom Aussterben bedrohte Wolfsmilchschwärmer wird hier wohl in diesem Sommer wieder durch die Luft flattern. Gräfer und Zielkowksi entdeckten jüngst in der Zypressen-Wolfsmilch Raupen der seltenen Schmetterlingsart. „Mitten in der Großstadt“, staunten die beiden. „Aber die schönsten Dinge passieren, wenn der Mensch sich raushält.“, sagt Gräfer. Vor dem Deich grasen Schafe, bewacht von sechs Akbaş Herdenschutzhunden. Hinter dem Deich wachsen Erlen, Weiden, Eschen, Eichen, Ahorn und vereinzelt Kirschen in einer herrlichen Auenlandschaft, die aus einem Bergsenkungsgebiet erwuchs. Bis 2006 wurde in Walsum noch Steinkohle abgebaut. Am Wegesrand stehen Rinder, in den Tümpeln quaken Frösche.

Und an diesem Morgen stört tatsächlich bis auf ein paar freilaufende Hunde kaum jemand die Idylle: Niemand grillt, niemand zeltet, niemand raucht; kein Radler abseits des Wegs, kein Angler ohne Schein; kein Hund jagt die Schafe. Es bleibt Zeit, für ein kleines Mädchen Wasserminze („da kannst du zuhause Tee draus kochen!“) zu pflücken, ihren Cousin durch den Feldstecher gucken zu lassen („jetzt bist du Junior-Ranger!“). Am Wochenende war das noch ganz anders, da mussten Zielkowski und Gräfer gar fünf Motorradfahrern erklären, dass sie im Naturschutzgebiet nichts zu suchen hätten… „Gerade jetzt, in Corona-Zeiten, treffen wir viel auf Menschen, die wohl vor 15 Jahren zum letzten Mal in der Natur waren“, erklärt Ulrich Gräfer. Er nennt das eine „große Chance“. Denn jetzt käme man an diese Menschen heran, könne ihnen sagen: „Guckt, was Ihr hier Tolles vor der eigenen Haustür habt. Helft uns, es zu schützen.“

120 Ranger trafen sich im Ruhrgebiet

Die Walsumer Rheinaue gilt als typisches Überflutungsgebiet. Bis vor wenigen Jahren wurde in der Region zudem noch Steinkohle abgebaut, was zu zahlreichen Bergsenkungen führte. Heute findet man hier eine herrliche Auenlandschaft.
Die Walsumer Rheinaue gilt als typisches Überflutungsgebiet. Bis vor wenigen Jahren wurde in der Region zudem noch Steinkohle abgebaut, was zu zahlreichen Bergsenkungen führte. Heute findet man hier eine herrliche Auenlandschaft. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Die meisten, sagt Michael Zielkowski, reagierten „einsichtig auf Ansprache“. Aber „natürlich“ seien sie auch schon angefeindet, beleidigt, bedroht worden. Erst am Vortag habe sie ein Mountainbiker bespuckt. Die Reifen am Dienstfahrzeug haben sie den Rangern schon zerstochen, und im Kreis Wesel anfangs sogar „Sonntags-Proteste“ organisiert. „Leute“, sagt Gräfer, „die seit 20 Jahren mit ihren Hunden ins Naturschutzgebiet kamen und nicht verstehen wollten, was daran falsch ist“. Heute grüßten dieselben Leute freundlich, wenn sie auf die Ranger treffen.

Gräfer ist wichtig, an dieser Stelle zu erzählen, um wie viel gefährlicher die Arbeit der Ranger in anderen Ländern sei. 100 kämen jährlich ums Leben, gerade erst lockten Wilderer in Ruanda 15 Ranger („und die sind schwer bewaffnet dort!“) in eine Falle und töteten sie. Über den National Ranger Verband sind die Kollegen weltweit vernetzt, dramatische Nachrichten wie diese verbreiteten sich blitzschnell.

Die deutschen Ranger treffen sich einmal im Jahr, immer woanders. 2015 kamen 120 von ihnen ins Ruhrgebiet. Sie waren, man glaubt es kaum, „überrascht, wie grün es hier ist“, erzählt Gräfer. Aber mancher belächelte im Stillen wohl auch, wie wenig Natur es hier zu schützen gilt. Für 17.000 Hektar Fläche ist der RVR-Eigenbetrieb Ruhr Grün zuständig. „Für Bayern ist das nix“, sagt Zielkowski. Aber, was die Kollegen nicht wussten: „Wir haben hier ein weit riesigeres Einzugsgebiet als sie, mit potenziell 2,1 Millionen Besucher.. An Arbeit mangelt es uns nicht.“ In den letzten (Corona-) Monaten, in denen es überall in Deutschland mehr Menschen als je zuvor in die Natur zog, begriff der ein oder andere wohl, was das heißt. Deutschlands bekanntester Ranger, Achim Laber, etwa meldete sich aus dem Schwarzwald bei Ulrich Gräfer. „Jetzt fühle ich mit Euch.“ Am Feldberg hatte er soeben Wohnmobile entdeckt, „in Ecken, in denen nie zuvor ein Menschen war“.

Arbeitszeiten schrecken viele junge Forstwirte ab

Das Abzeichen der Ranger: Sechs beschäftigt der RVR derzeit. Bundesweit gibt es rund 400.
Das Abzeichen der Ranger: Sechs beschäftigt der RVR derzeit. Bundesweit gibt es rund 400. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Man muss brennen für diesen Job“, sagen Gräfer und Zielkowski. Die Arbeitszeiten – es sind immer die Wochenenden und Feiertage, oft mehr als zehn Stunden pro Schicht und das gern bis 21, 22 Uhr – schreckten viele junge Forstwirte, sich zum Ranger fortbilden zu lassen. Obwohl sie dringend gebraucht würden, sagt Gräfer, der inzwischen selbst Prüfer ist. Übrigens: dürfen sich auch Forstwirtinnen bewerben. Chefin der RVR-Ranger ist mit Revierförsterin Manuela Ortenstein zwar eine Frau, aber in all den Jahren gab es erst eine einzige Rangerin beim RVR. Sie wechselte vor ein paar Jahren in den Nationalpark auf der Insel Rügen.

„Man kommt viel mit Menschen in Kontakt, man ist ständig an der frischen Luft, die Arbeit ist so abwechslungsreich“, wirbt Zielkowski für den Job der Ranger – die weit mehr zu tun haben, als in Naturschutzgebieten zu patrouillieren. Sie führen Menschen durch unsere Wälder, laden zu Workshops ein und organisieren „Waldjugendspiele“ für Grundschulklassen. „Viele der Kinder“, berichten sie, „waren noch nie zuvor im Wald, Und wenn man denen dann vorsichtig einen Mistkäfer in die Hand legt.... Man kann doch nur schützen, was man kennt.“ Ranger beschneiden aber auch Obstbäume, fräsen in der hauseigenen Schreinerei alle Hinweisschilder, die nötig sind – und sie siedeln ganze Ameisenstaaten um, wenn das einmal nötig ist. Zielkowski liebt alle diese Aufgaben. Mit einer Ausnahme: „Eichenprozessionsspinner abzusaugen, im dicken Schutzanzug bei 30 Grad“.

>>>Info: Die Ranger

Wörtlich übersetzt ist ein Ranger der Hüter eines Landschaftsraumes. Als Berufsbezeichnung geht er zurück auf die amerikanischen Wildhüter.

Der erste Ranger in einem Nationalpark war Harry Yount. 1880 nahm er seine Arbeit im Yellowstone Nationalpark in den USA auf. Er sollte der Wilderei und dem Vandalismus im Park Einhalt gebieten. Yellowstone war 1872 der erste Nationalpark in den Staaten.