Dortmund. Drei Dortmunder Schüler sollen einen Lehrer in einen Hinterhalt gelockt haben, um ihn zu töten. Jetzt steht das Urteil fest.
„Mir geht es gut, ich kann mit dem Urteil gut leben“, zeigte sich am Montag nach dem Urteil des Landgerichts Dortmund Wolfgang Wittchow erleichtert. Drei Schüler hatten mit Hämmern auf den 51 Jahre alten Dortmunder Lehrer einschlagen wollen, und diesen Attentatsplan wertete die Jugendstrafkammer als Mordversuch. Auf drei Jahre Jugendstrafe erkannte sie gegen den 17 Jahre alten Haupttäter, der noch auf freiem Fuß ist.
Mordkomplott: Verurteilte können in Revision gehen
Damit ist die Tat vom 9. Juni 2019 vorläufig geahndet, den Verurteilten steht aber noch die Revision offen. Ein weiterer Jugendlicher wurde durch das Gericht wegen Beihilfe zum Mordversuch verwarnt und wird drei Wochen Dauerarrest absitzen müssen. Den dritten Angeklagten sprach die Kammer frei, weil er laut Urteil den in seiner Kleidung verborgenen Hammer fallengelassen hatte. Er habe bei dem Anschlag nicht mehr mitmachen wollen, hatte er dem Gericht glaubhaft versichert. Rechtlich ist das ein strafbefreiender Rücktritt.
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Rund ein halbes Jahr hatte die Kammer gegen das Trio prozessiert. Der damals 16 Jahre alte Hauptangeklagte hatte sich über Lehrer Wolfgang Wittchow geärgert, weil dieser ihm schlechte Noten gegeben hatte. Die Versetzung in die zwölfte Klasse der Martin-Luther-King-Gesamtschule in Dortmund schien damit unerreichbar.
16-Jähriger soll Mordkomplott gegen seinen Lehrer geschmiedet haben
Laut Urteil warb der Jugendliche zwei Freunde an, um den Deutsch und Chemie unterrichtenden Pädagogen zu töten. Dafür simulierte einer von ihnen in einem Garagenhinterhof neben der Schule einen Zusammenbruch. Der 16-Jährige passte den Lehrer ab, bat ihn um Hilfe. Vor den Garagen wollten sie dann hinterrücks auf ihn einschlagen. Doch der Plan scheiterte am Misstrauen des Lehrers, der ihnen bewusst nicht den Rücken zukehrte. Bereits am Nachmittag versuchte der 16-Jährige, so das Urteil, per WhatsApp einen neuen Anschlag zu organisieren.
Richter Ulf Pennig verkündete das Urteil in nichtöffentlicher Sitzung. Zum Schutz der jungen Angeklagten waren Zuhörer während der gesamten Verhandlung ausgeschlossen. Lehrer Wittchow stellte sich nachher der Presse. Erleichtert, zufrieden. Ob es ganz passend ist, zu einer Urteilsverkündung ein T-Shirt mit dem Monopoly-Ereignisfeld „Gehen Sie in das Gefängnis“ zu tragen, blieb unerörtert.
Lehrer trat als Nebenkläger auf: “Ich konnte jeden Satz des Urteils 1:1 unterschreiben.“
Was er sagte, klang besonnen. Er schilderte seine Gefühle. Dass man als Normalbürger natürlich fürchte, dass das eigene Rechtsempfinden und das des Gerichtes nicht übereinstimmten. Das sei hier aber nicht der Fall: “Ich konnte jeden Satz des Urteils 1:1 unterschreiben.“
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Zum Prozessauftakt hatte er erzählt, er habe in der Nacht zuvor nicht schlafen können. Jetzt habe er besser Schlaf gefunden. Als er aber heute zum Gericht lief und vor ihm der Hauptangeklagte und dessen Vater hergingen, da habe er schon schlucken müssen.
Ebenso wie das Urteil differenziert auch der 51-Jährige, wenn er nach dem Auftritt der Angeklagten gefragt wird. Vor allem der 17-Jährige macht ihm Sorgen: „Ich halte ihn für gefährlich, gewissenlos.“ Er sei froh, dass dieser Angeklagte jetzt erst einmal weggesperrt sei. Und er erzählt von Angst und Misstrauen beim Rest seiner Familie. Auch einer der Juristen, die im gesamten Prozess im Saal saßen, sagt nachher, er habe noch nie einen Angeklagten in diesem Alter gesehen, der so wenig Empathie habe, sich also so wenig in die Gefühle anderer Menschen versetzen könne.
Lehrer Wittchow wertet Tat als Einzelfall - er unterrichtet weiter
Die Tat sieht Lehrer Wittchow als Einzelfall: „Dass wir Lehrer im Affekt beschimpft und geschubst werden, das ist, je nach Schule, unser tägliches Brot. Aber so etwas? Ein von langer Hand geplanter Mord, weil einem die Noten nicht passen?“ Er schüttelt den Kopf.
Er unterrichtet weiter. In der Coronazeit, so erzählt er, hätten ihm seine Schüler wirklich gefehlt. In der Schule, da fühle er sich absolut sicher. Außerhalb sei das etwas anders, auch die Verhandlungstage am Gericht hätten ihm Probleme bereitet. Aber verunsichern, so betont Wolfgang Wittchow, lasse er sich durch die Tat nicht: „Ich bin immer noch gerne Lehrer.“