Iserlohn. Draußen ist es unerträglich heiß oder es will nicht aufhören zu regnen? Ein idealer Zeitpunkt für einen Ausflug in die Unterwelt.
Wer es nicht weiß, der ahnt es nicht. Ahnt nicht, dass hier direkt neben und unter den Gleisen, auf denen zwei Mal in der Stunde der Zug zwischen Iserlohn und Hagen fährt, die Unterwelt liegt. Groß, faszinierend, ohne Gangster und Ganoven aber mit ein paar Gespenstern. Herzlich willkommen in der Dechenhöhle in Iserlohn, nicht nur nach eigener Einschätzung eine der schönsten Höhlen des Landes.
In der Tiefe ist die Temperatur immer gleich
Mild ist der Frühsommermorgen aber Familie Schramme hat die Jacken dabei. Genau wie fast alle andere Besucher auch, die heute Deutschlands größtes Höhlenmuseum besuchen wollen, bevor sie abtauchen in die Dunkelheit. An einen Ort, an dem die Temperatur immer rund zehn Grad beträgt. Egal ob mittags oder um Mitternacht, im Winter wie im Sommer.
Was dazu geführt hat, dass die Höhle in den Rekordsommern der vergangenen Jahre einen wahren Ansturm erlebte. Bis zu 65000 Besucher im Jahr zählte der Betreiber zuletzt. „Der heißeste Tag des Sommers 2019, war auch besucherstärkste des Sommers“, sagt Stefan Niggemann, der die Höhle gepachtet hat. Er hat aber auch nichts gegen Regen. „Dann wird es meistens ebenfalls voll.“
Heute ist es trocken aber nicht zu schön. Was für die Höhle auch gut ist, wie sich an den zahlreichen Autos auf dem Parkplatz zeigt. Kennzeichen aus Hagen, Dortmund, Bochum, Essen, ja sogar aus Duisburg haben sie. Schrammes kommen aus Bochum. „Halbe Stunde Fahrt, sagt Vater Timo. „Kein Problem.“
Das größte Höhlenmuseum Deutschlands
Eigentlich wäre er jetzt auf Mallorca. „Mannschaftsabschlussfahrt“. Aber dann kam Corona. Und jetzt ist er mit Ehefrau Vesna und den Söhnen Tom (5) und Leo (3) auf Tagestour im Sauerland. „Das machen wir öfter in diesem Sommer.“ Da sind sie nicht alleine. „Es läuft wieder an“, sagt Niggemann, der die Höhle am 30. Mai nach erzwungener Corona-Pause wieder geöffnet hat.
Bevor es nach unten geht in Letmathe geht es aber erst einmal in die Vergangenheit. Im nach eigenen Angaben größten Höhlenmuseum Deutschlands sind nicht nur Dinosaurierknochen aus sauerländischen Höhlen und Dinosaurier-Nachbildungen zu sehen, sondern auch ein Höhlenbärenbaby-Skelett und ein Waldnashornschädel. „Unsere Prunkstücke“, sagt Niggemann. „Guck mal Papa, wie groß“, sagen die jüngeren Besucher.
Mehr Führungen aber weniger Teilnehmer pro Führung
Höhlenführerin Sandra Schäfer macht sich derweil mit der nächsten Gruppe auf den kurzen Weg zu der Stahltür, durch die es ins Innere geht. In normalen Zeiten begleitet sie 50 Besucher durch die unterirdische Welt. „Aber wegen Corona sind es derzeit nur rund 20 pro Führung“, sagt sie. Im Gegenzug haben wie die Zahl der Führungen erhöht.“
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Kurze Kontrolle, alle haben Masken auf, dann mal hereinspaziert. „Willkommen in der Kapelle“, sagt Schäfer und ist es anscheinend gewohnt, in staunende Gesichter zu blicken. Groß wie ein kleines Kirchengewölbe ist der erste Raum und hinten in der Ecke steht eine Stalagmitengruppe, die mit ein wenig Fantasie an die „Heilige Familie“ erinnert.
Eisenbahnarbeiter entdeckte die Höhle
Bevor es weitergeht bittet Schäfer darum, den Blick noch einmal zurück zum Eingang zu wenden. Darüber ist der Spalt, durch den im Jahr 1868 der Hammer eines Eisenbahnmitarbeiters fiel. Weil man sein Werkzeug damals noch schätzte, ließ der Mann sich in die Tiefe abseilen und entdeckte den ersten Raum der 900 Meter langen Höhle.
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400 Meter davon können Besucher erkunden. Das klingt nicht nach viel, dauert aber seine Zeit. Weil Schäfer und die anderen Führer viel erzählen können. Wobei sie sich nach der Zusammensetzung der jeweiligen Besuchergruppe richten. Sind Höhlen-Fans in die Tiefe gekommen, geht es wissenschaftlich zu.
Kinder gehen auf Gespenstersuche
Sind, wie in diesem Fall, viele Kinder dabei wird es locker, ist hier und da auch Zeit für einen Scherz, werden die Jungen und Mädchen auch mal auf „Gespensterjagd“ geschickt oder können kleine Aufgaben lösen. Einen Geist suchen? Durch eine Bärenhöhle krabbeln? Die Schramm-Kinder sind immer vornweg. „Keine Angst?“ „Nee.“
Müssen sie auch nicht haben. Muss keiner haben in dieser Unterwelt. Eng wird es selten, die Zahl der Treppen ist übersichtlich und selbst große Menschen müssen selten den Kopf einziehen. Nur festes Schuhwerk sollte man tragen. Flip-Flops fallen nicht unter diese Kategorie
Anfassen verboten, staunen erlaubt
So geht es zu Orten, die „Wolfsschlucht“, „Nixengrotte“ oder „Gemüsegarten“ heißen. Namen, die man versteht, wenn man sie erreicht. Unterwegs passieren die Besucher im geschickt angebrachten Licht unzähliger LED-Lämpchen bizarre Tropfsteingemälde und funkelnde Kristalle. Anfassen ist verboten, Fotografieren ebenfalls. Letzteres hat übrigens nichts damit zu tun, dass Blitzlichter den Stalagmiten oder Stalagtiten schaden würden. Aber wenn fotografiert wird, wissen die Höhlenführer, zieht sich jede Gruppe auseinander, lässt sich kaum noch zusammenhalten.
Nach 40 Minuten geht es am anderen Ende der Höhle wieder ins Freie. „Besser als erwartet“, hat Timo Schramme den Ausflug in die Unterwelt gefunden und auch seiner Frau hat es „gut gefallen“. Der Nachwuchs ist auch zufrieden. Alle gestellten Aufgaben haben Tom und Leo gelöst und viel wichtiger noch: „Wir haben ganz viele Geister gesehen.“
Besucher-Infos
Die Dechenhöhle ist täglich geöffnet. Sie ist per Auto oder Reisebus über die BAB 46 Hagen-Iserlohn (Anschlussstelle Iserlohn-Oestrich, ab dort Ausschilderung) zu erreichen. Kostenlose Parkplätze sind vorhanden. Bequem ist die Anreise per Eisenbahn. Die Haltestelle „Letmathe-Dechenhöhle“ liegt an der Bahnstrecke Letmathe – Iserlohn
Erwachsene zahlen 8 Euro Eintritt, Kinder 3,50 Euro. Weitere Informationen unter www.dechenhoehle.de oder unter 02374/71421