Dem Angeklagten wird gefährliche Körperverletzung und sexuellen Nötigung vorgeworfen. Schwager brachte die Ermittlungen in Gang

Gegenüber seiner pflegebedürftigen Ehefrau soll ein 61 Jahre alter Dorstener mehr als ein Jahr lang gewalttätig geworden sein. Laut Anklage habe er die an Parkinson erkrankte Frau, mit der er seit 27 Jahren verheiratet ist, mehrfach grob und menschenverachtend behandelt, aber auch sexuell missbraucht. Seit Mittwoch muss sich der Frührentner wegen gefährlicher Körperverletzung und sexueller Nötigung vor dem Landgericht Essen verantworten.

Bei kaum einem anderen Delikt ist die Dunkelziffer höher als in den Fällen, in denen sich Angehörige um die häusliche Pflege der Erkrankten kümmern. Nur selten kommt heraus, was im Inneren der eigenen vier Wände geschieht.

Nicht nur Pflegeorganisationen, sondern auch das Bundesministerium der Justiz, versuchen, die Kranken durch aktive Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit zu schützen. Oft sei Überforderung der Grund, warum Angehörige zuschlagen oder zu hart anfassen.

Studie: Immer wieder Gewalt in der Pflege

In einer Studie des Berliner Zentrums für Qualität in der Pflege hatten 40 Prozent der privat Pflegenden zugegeben, innerhalb der letzten sechs Monate schon einmal gewalttätig gegenüber den Pflegebedürftigen geworden zu sein. Zu einem Großteil ging es um psychische Gewalt. Allerdings schildern die Befragten auch, sie selbst seien schon Opfer von Gewalt der Kranken gewesen. Auch hier ist die Dunkelziffer hoch. Neben Überforderung zählt das Zentrum auch häusliche Enge, Vereinsamung und finanzielle Engpässe als Grund für die Gewalt beider Seiten auf.

Immer mal wieder dringen zudem Prozesse gegen professionelle Pfleger an die Öffentlichkeit, bei denen es um Gewalt gegen Pflegebedürftige geht. Viel seltener landen Entgleisungen bei der privaten häuslichen Pflege vor den Strafgerichten. Dass der 61 Jahre alte Mann jetzt vor Gericht gekommen ist, hat die Justiz dem Schwager der Frau zu verdanken. Ihm waren die Misshandlungen aufgefallen, deshalb erstattete er Anzeige bei der Polizei. Anschließend vernahm ein Richter das Opfer.

Staatsanwaltschaft stuft Opfer als glaubwürdig ein

Die Frau bestätigte die Angaben ihres Schwagers und gilt der Staatsanwaltschaft als glaubwürdig. Der Mann kam im Februar in U-Haft, ist jetzt aber wieder frei. Im Ermittlungsverfahren hat er zu den Vorwürfen geschwiegen.

Zwölf Fälle listet die Anklage auf und folgt dabei den Angaben der Frau. Zweimal soll er ihr beim Wickeln die volle Windel ins Gesicht geschlagen haben. Auch soll er sie gezwungen haben, Tabletten ohne Wasser, nur mit ihrem Speichel hinunterzuschlucken. Die Frau war nicht in der Lage, alleine zu gehen oder zu stehen, sie musste dabei von ihrem Mann gestützt werden. Dabei habe er sie zweimal absichtlich fallengelassen. Einmal sei sie deshalb zur Behandlung in ein Krankenhaus in gebracht worden. Einmal soll er sie auch bewusst zu Boden geschubst haben. In weiteren vier Fällen geht es um sexuelle Übergriffe, etwa beim Duschen, aber auch im bekleideten Zustand. Dabei soll er sie gekniffen haben.

Zwei Prozesstage hat die XII. Strafkammer für den Fall angesetzt