Essen. Sie sorgen für die schönsten Wochen im Jahr, erleben selbst aber die schlimmsten Monate. So kämpfen die Reisebüros in der Region ums Überleben.

Dürfen dürften sie ja wieder in Urlaub fahren, die Deutschen. Die weltweite Reisewarnung, die Deutschland ausgesprochen hat, endet für die EU-Staaten am 14. Juni. Alles gut für die Reisebüros also? Nicole Kellermann-Rummel, die in Dinslaken ein Reisebüro winkt ab. „Es kommt noch kaum jemand.“

Zumindest nicht, um zu buchen. Manchmal zum Umbuchen, meistens aber, um zu stornieren. „Viele Kunden sind verunsichert“, hat die 52-Jährige festgestellt. Jedenfalls haben sie viele Fragen. Wie läuft das bei der Einreise in Spanien? Fliegt der vor Monaten gebuchte Flieger überhaupt? Was ist mit dem Mindestabstand im Bus, der vom Flughafen zum Hotel fährt?

„Die Leute wollen wissen, was sie erwartet“

„Die Leute wollen wissen, was sie erwartet“, sagt auch Marija Linnhoff aus Iserlohn, Vorsitzende des Verbandes unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR), in dem rund 2700 Unternehmen zusammengeschlossen sind. Leider wissen die Reisebüros das derzeit selbst oft noch nicht. „Es gibt vieles, was noch nicht oder nicht richtig geklärt ist“, sagt Kellermann-Rummel.

Sie forscht nach, gibt weiter, lässt sich erklären, erklärt den Kunden. Genau wie der Auszubildende des Büros. „Kaum zu schaffen zu zweit“ sei der Job im Augenblick, aber der Rest der bis vor kurzem noch neunköpfigen Belegschaft ist in Kurzarbeit oder hat einen neuen Job gefunden.

Provision gibt es erst, wenn der Kunde startet

Nicole Kellermann-Rummel ist kein Einzelfall. „Die Reisebüros arbeiten alle seit Monaten am Limit“, bestätigt Linnhoff. Und das, ohne damit etwas zu verdienen. „Stornierungen, Umbuchungen, Auskünfte geben - dafür kriegen wir ja nichts“, erklärt die VUSR-Vorsitzende. Im Gegenteil: Wird eine Reise storniert, fällt auch die Provision des Büros weg und muss zurückgezahlt werden.

Kennt die Probleme der Branche: Marija Linnhoff
Kennt die Probleme der Branche: Marija Linnhoff © Michael May IKZ | Michael May

Wenn es denn überhaupt eine gegeben hat. 80 Prozent aller Reiseunternehmen zahlen laut Linnhoff erst, wenn der Kunde tatsächlich in den Urlaub gestartet ist. „Deshalb arbeiten wir nun schon seit Monaten ohne Einkommen.“ Und das Licht am Ende des Tunnels ist noch klein. „Es gibt Leute, die wollen nach den vergangenen Monaten einfach weg, egal wohin“, weiß Linnhoff. Aber das ist anscheinend eine Minderheit. „67 Prozent der Bevölkerung“, hat Kellermann-Rummel in einer Umfrage des Fachmagazins „Travel Talk“ gelesen, „wollen sich in Sachen Urlaub erst einmal zurückhalten.“

Alle wollen Urlaub in Deutschland machen

Österreich, die Balearen und Kanaren, Griechenland, vor allem aber Kroatien werden zumindest wieder angefragt, erzählen Reisekaufleute. Voll aber dürfte es nur in Deutschland werden. Viel zu voll sogar. „Die Hot-Spots sind längst überbucht“, hat die Dinslakerin festgestellt. Und fast alles ist teurer. Möglicherweise aber nicht so teuer wie im kommenden Jahr. „Die Preise“, glauben die meisten in der Branche, „werden 2021 steigen.“

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Das macht es für die den Reisebüros nicht einfacher. Alleine werden die Reisevermittler nach eigener Einschätzung dann auch nicht aus der Krise kommen. „Die ersten stehen mit dem Rücken zur Wand“, warnt Linnhoff und rechnet damit, dass gut 35 Prozent der deutschen Reisebüros nach Corona vom Markt verschwunden sein werden.

Bisherige Hilfen reichen nicht aus

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Soforthilfen, Konjunkturpaket das seien alles richtige Maßnahmen, sagt Kellermann-Rummel. „Aber am Ende ist das für jeden einzelnen Betrieb zu wenig, was bei ihm ankommt.“ Sie wünscht sich Kredite bei Banken, für die im Notfall der Staat bürgt. Das Risiko dabei sei viel kleiner als bei den Millionenkrediten für „alle möglichen Konzerne“. Wenn sich die Lage wieder normalisiert habe, sei es für die meisten Reisebüros gar nicht so schwierig, das Geld zurück zu zahlen. „Der Branche geht es nämlich ohne Corona gar nicht so schlecht, wie viele immer denken.“

Das sieht die VUSR-Vorsitzende ähnlich. „Familien und ältere Leute haben immer noch stark bei uns gebucht und nicht im Internet. Am Ende, hofft sie, könnte die Krise sogar eine Chance für die sein, die sie überstehen. „Wer in den letzten Monaten stundenlang an Telefon-Hotlines gehangen hat, um seine Reise zu stornieren, der wird künftig vielleicht lieber da buchen, wo er auch bei Problemen einen festen Ansprechpartner hat, dem er gegenübersitzt.“