Sonsbeck. Auf den Campingplätzen brummt es. Viele Gäste wissen auch schon, dass sie im Sommer nicht ins Ausland fahren wollen. Anders als geplant.
15.10 Uhr, das Handy von Leo Ingenlath schellt schon wieder. Seine Frau. „Ich bin mit dem Redakteur Wolf am Bistro“, sagt er: „Ja, du kannst fahren.“ Legt auf. „Seit dem Frühstück sind wir nur aneinander vorbeigelaufen.“ Birgit Ingenlath in der Rezeption, ihr Mann überall und nirgends. Nach dem Müll gucken. Nach den Streichelziegen. Campern Material bringen. Gasflaschen tauschen. Fragen beantworten: Wo ist . . . ? Wie kann ich . . .? Es ist stressig auf den Campingplätzen in NRW. Der Laden läuft. Die Leute kommen. Kommen, um wiederzukommen.
Ingenlaths führen die Anlage Kerstgenshof in Sonsbeck am Niederrhein. 400 Plätze, davon 300 für Dauercamper, und sozusagen 60 feste Betten in Ferienwohnungen und Holzhütten. Gilt als mittelständisch in der Branche. „Auffällig ist dieses Jahr, dass viele Leute einen längeren Aufenthalt buchen“, sagt der 63-Jährige: „Offensichtlich für den umgeplanten Sommerurlaub.“ Lange, sonnige Wochenenden liefen immer gut, aber jetzt laufen auch die Tage dazwischen zu.
Eine verlorene Übernachtung ist eine verlorene Übernachtung
Der Tag setzt sich, die Stimmung ist tiefenentspannt. Vor ihren Zelten oder Wohnmobilen sitzen die Leute, lassen sich bescheinen oder beschatten, wie es grad gefällt – aber alle lassen mindestens die Beine baumeln. Die Kinder sind irgendwo. Morgens die Tür auf, man sieht sie zum Mittagessen und abends, hundekaputt. „Wir können die Kinder laufen lassen und uns entspannen“, sagt Annette Tönges aus Dortmund. Gerade verteilt sie an ihre kleinen Levi und Hannah Baguette mit Fleischwurst. Levi, was findest du am schönsten? „Spielplatz.“ Hannah? „Marshmellows grillen . . . und alles.“
215 Campingplätze mit touristischen Angeboten gibt es in NRW, weitere gut 100 ausschließlich für Dauercamper. Acht, neun Wochen hatten sie geschlossen, je nachdem, wie gut sie aus der Schließung kamen. Es gilt, wie im wirklichen Leben: Eine verlorene Übernachtung ist eine verlorene Übernachtung. Aber jetzt hebt die Saison für die Branche gerade ab: „Die Leute suchen in der heutigen Zeit Sicherheit bei der Urlaubsplanung“, sagt Leo Ingenlath: „Keiner weiß doch zurzeit, wie sich Urlaub im benachbarten Ausland demnächst darstellt.“
Campingverband rät dazu, Buchungsanfragen für den Sommer jetzt zu stellen
Und das natürlich nicht nur in Nordrhein-Westfalen. In Schleswig-Holstein etwa berichtet Gert Petzold, der Landesvorsitzende des „Verbandes für Camping- und Wohnmobiltourismus“, dass die Buchungslage für die Sommermonate ausgesprochen gut sei. Auch jetzt sei sie schon „extrem gut: Es ist so heftig wie selten.“ Petzold rät dazu, bereits jetzt Buchungsanfragen für Juli und August zu stellen, um noch einen Platz zu bekommen.
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Doch zurück nach Sonsbeck. 400 Plätze, alle belegt. Oberhausen steht auf dem Parkplatz, Dortmund, Moers, Duisburg, Borken, Wesel. Mülheim parkt grad ein, Mettmann fährt los. Kathrin aus Köln sitzt vor der kleinen Hütte, die sie mit ihrem Freund teilt, und liest. Viel unterwegs war die 30-Jährige in den letzten Jahren. Slowenien, Vietnam, Portugal. Und 2020? „Eher so Richtung Süddeutschland.“
Urlaubspläne für das Ausland sind gestrichen, verschoben, abgesagt
Eher so in Deutschland – hört man ständig. „Wir wollten eigentlich nach Kroatien.“ Nach Holland. Nach Südtirol. Gestrichen, verschoben, abgesagt. Peppers aus Mönchengladbach hatten für Pfingsten aber nichts anderes vor, als genau hier zu sein. Ihnen gefällt der Platz. Und Camping sei eine sichere Form von Freizeit: „Wir haben immer unser eigenes Zuhause dabei“, sagt Katrin Pepper.
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Von Corona ist wenig zu sehen. Aufsteller mit den üblichen Regeln, versteht sich. Maskenpflicht im Sanitärgebäude. Das Bücherhaus ist geschlossen, die Desinfektion der Ausleih-Bücher wäre zu aufwändig. Doch ansonsten ist die Krankheit weit weg. Freilich ist auffällig: Viele Familien bleiben eher unter sich. Camping mit einer gewissen Distanz. Kennt man eigentlich nicht.
„Das ist uns jetzt zu kribbelig, zu ungewiss“
Die Scholzens und die Ohrems gehören allerdings zusammen. Zwei Generationen, eine Familie. Sitzen vor dem Fahrzeug, haben die Beine hochgelegt. Wie das manchmal so geht: Die Familie aus Rheinberg, das ist eine halbe Stunde von hier, hat am Bodensee das Lob dieses Campingplatzes gehört. Und da sind sie nun. „Wir wollten eigentlich 2020 in die Bretagne“, sagt Angela Ohrem: „Aber das ist uns jetzt zu kribbelig, zu ungewiss.“ Und wo bleiben sie stattdessen? „Wir bleiben in NRW.“
Ingenlath hört so etwas natürlich gerne. Jetzt, am späten Nachmittag, hat er umgeschaltet von Stress auf Stand-By. Wird am frühen Abend und um 22 Uhr noch zwei Runden drehen. Aber eigentlich ist Feierabend. Birgit ist auch zurück. Aneinander vorbeilaufen können sie morgen früh wieder gut.