Ruhrgebiet. Weil Schutzmasken gegen das Corona-Virus kaum noch zu kriegen sind, setzen sich Freiwillige an die Nähmaschinen. Nur, was nutzen die Mundschutze?

Das war zuviel des Guten. Die Telefone im Klinikum Dortmund standen nicht mehr still, alle wollten Mundschutze machen. „Nähe, wer kann!“, so war ein Aufruf durchs Internet gegangen, der so gar nicht gemeint war – und eigentlich nur für den internen Gebrauch gedacht. Die Klinik entschuldigte sich, mit Dank zurück.

Dabei hatte der Vorsitzende der Geschäftsführung Rudolf Mintrup das tatsächlich geschrieben: „Neben der Eigenproduktion von Desinfektionsmitteln müssen wir auch in die Eigenproduktion von Nasen-Mund-Schutzmasken gehen.“ Es gebe „nichts mehr zu bestellen und zu kaufen“, man brauche „Unterstützung aller Art, auch bei den Bürgerinnen und Bürgern Dortmunds“. Zuschneiden und nähen sollten aber nur die eigenen Mitarbeiter.

Am Theater Hagen nähen sie Masken gegen Corona für ein Krankenhaus

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„Wir machen das nicht, weil wir glauben, dass übermorgen Schluss ist“, stellte Kliniksprecher Marc Raschke am Montag klar. Es sei lediglich „eine vorausschauende Maßnahme“. Man wolle vorbereitet sein, heißt es aus dem Klinikum, noch herrsche an Mundschutzen „keine Knappheit“.

Das ist nicht überall so im Revier. Weshalb allerorten die Menschen längst an den Nähmaschinen sitzen. Die Mitarbeiter der Kostümwerkstatt des Theaters Hagen nähen Mundschutze für das Krankenhaus in Schwerte, 1000 haben sie schon geliefert. In Essen wird in sechs Awo-Heimen genäht, gern gepunktet, geblümt und jedenfalls bunt, was die Mitarbeiter in den Pflegebereichen freut und die Bewohner erheitert. Stoffreste und Material gibt es vor Ort. Auch die Caritas in Kirchhellen bat um Hilfe, Stoff sei schon besorgt und zugeschnitten.

Überall sitzen Ehrenamtliche an den Nähmaschinen

Pflegekräfte des Berta-Krupp-Hauses in Essen sitzen ebenfalls an den Nähmaschinen.
Pflegekräfte des Berta-Krupp-Hauses in Essen sitzen ebenfalls an den Nähmaschinen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In Mülheim rattern die Maschinen Ehrenamtlicher für Pflegedienste und -heime, in Iserlohn die von Sängern des Chores „RiseUp“. In Witten nähte Jessica Berg schon mehr als 100 Masken, die die Menschen bei ihr abholen, auswählen dürfen sie nicht: „Ich nehme die Stoffe, die ich noch zu Hause habe oder die besonders günstig sind“, sagt die 31-Jährige. Überhaupt geht Witten offenbar in die Massenproduktion: Altenpflegerin Charline Liebchen näht für sich und ihr Team, zehn Minuten pro Maske, wenn sie erst zugeschnitten ist. „Das ist keine große Kunst.“ Ein Modeberater verkauft modische Varianten aus Hemdenstoff, Stückpreis 12,90 Euro, und eine 78-jährige vernäht alte Gardinen und T-Shirts zu Masken. Weil das Nahtband nicht kommt, zerschnitt sie einen Nylonstrumpf.

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Acht Teilnehmerinnen eines Nähkurses der Awo versuchen sich in Gelsenkirchen an der neuen Disziplin. „In 15 Minuten“ schafft Silvina Yugova aus Bulgarien eine Maske, die in den Evangelischen Kliniken eingesetzt wird. Ilham Karim, Schneiderin aus Syrien, ist auch aus Dankbarkeit dabei: „Ich habe hier viele Menschen getroffen, die mir geholfen haben. In dieser Situation will ich nun helfen.“

Vorsicht: Selbstgemachte Masken schützen nur bedingt

Auch die Mundschutze von Alexia Meyer in Kleve sind selbstgenäht.
Auch die Mundschutze von Alexia Meyer in Kleve sind selbstgenäht. © Caritas Pflegedienst | Alexia Meyer

Was aber nutzen solche Masken aus Baumwolle? Sie sind waschbar, immerhin, aber weder geprüft noch zertifiziert. Die Verwendung erfolge auf eigene Gefahr, warnt etwa die Stadt Hattingen, die wie viele andere Kommunen eine Anleitung zum Selbstnähen liefert. Der einfache Mundschutz, sagen Experten, schütze zwar eher nicht vor einer Infektion, aber womöglich davor, andere anzustecken. Dazu komme der psychologische Effekt: Wer eine Maske trägt, greife sich nicht so leicht und oft ins eigene Gesicht, sagt etwa Prof. Christoph Hanefeld, Geschäftsführer des Katholischen Klinikums Bochum. In Dortmund warnt Dr. Bernhard Schaaf, Direktor der Klinik für Infektiologie im Lungenzentrum des Klinikums, ein selbstgemachter Mundschutz mache nur im Nahbereich Sinn. Ihr Träger sollten „dennoch nicht nachlässiger mit den anderen Hygienestandards“ sein.

Trotzdem sind im Ruhrgebiet immer mehr Menschen mit den selbstgemachten Mundschutzen unterwegs. Und in Herne näht auch Lukas, an der Nähmaschine seiner Uroma. Keine Mundschutze wie seine Mama, das war dann doch etwas zu schwierig für einen Zehnjährigen. Lukas näht für Menschen, die traurig sind: kleine „Sorgenfresser“ in Hasenform – weil bald Ostern ist.