Ruhrgebiet. Musiker Sebel (39) aus Recklinghausen schrieb das Corona-Lied „Zusammenstehen“. Und lud zum Mitmusizieren ein. Nun geht der Song viral.

Was macht ein Musiker, den die Pandemie ausbremst? Er setzt sich hin und verarbeitet seine Gedanken in einem Lied. Sebastian Niehoff aus Recklinghausen, besser bekannt als „Sebel“, musste eine Tournee abbrechen, dafür geht nun sein Corona-Song um die Welt: „Zusammenstehen“ sammelte in kaum zwei Wochen allein auf Youtube bald zwei Millionen Aufrufe, und dabei ist er noch gar nicht richtig fertig.

Es war Freitag, der 13., als die Absage kam. Sebel spielte mit dem Künstler Stoppok; das Konzert in München sollte das neunte werden auf ihrer Tour, die Anfang März in Gelsenkirchen begonnen hatte und eine Woche später nach Duisburg führen sollte. Aus, vorbei. „Es war ein unglaubliches Gefühl von Leere und Ratlosigkeit“, sagt Sebel. Was dann passierte, nennt er selbst eine „Kurzschlussreaktion“. „Ich wusste nicht so richtig, wohin mit meinen Gedanken.“ Also packte der gebürtige Bochumer sie in dieses Lied.

„Es traf uns wie ein Schlag ins Gesicht, aus ’nem fiesen dunklen Hinterhalt. Erst Einen, dann Zwei, dann gleich Tausende und es ist kein Ende in Sicht.“

Schon bald zwei Millionen Klicks auf Youtube

Allein im Studio, aber im engen Kontakt mit der Musikwelt: Sebel bekommt Tonmaterial von überall her zugeschickt.
Allein im Studio, aber im engen Kontakt mit der Musikwelt: Sebel bekommt Tonmaterial von überall her zugeschickt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Eine zarte Klaviermelodie aus einem warm beleuchteten Wohnzimmer, Sebel spielt und singt, die zweite Stimme übernimmt seine Partnerin Inga Strothmüller, die sonst in Dortmund das Hansa-Theater betreibt. Sebel, 39, sitzt im Halbdunkel, Kappe auf, eine Flasche Bier und eine Schachtel Zigaretten auf dem Piano, dazu diese sanfte, fast traurig klingende Ballade. „Ich glaube, dass diese Krise einen tiefen Einschnitt in die Geschichte unserer Gesellschaft bewirken wird“, sagt der Künstler. Trotzdem hat er kein Fruststück geschrieben, eher ein Mutmachlied, das allein auf Youtube bis Dienstagmittag 1.916.083 Leute anhörten.

„Doch – ich glaub´, dass sich gerade was Großes tut, zwischen hier und dem Ende der Welt.“ ... „Wir können etwas schaffen, wenn wir als Menschen das Große und Ganze sehen – und in den Kampf gehen gegen das Virus, weil wir alle zusammenstehen!“

Kinderchor schickte Background-Stimmen aus Düsseldorf

Und das will Sebel auch musikalisch tun. Mitmachen sollen die Menschen, zu den Instrumenten greifen, ihre Stimmen aufnehmen, mitsingen. Das schrieb er so auf Facebook und kam schon nach einer Nacht „nicht mehr richtig hinterher“. Er schickt Playback und Harmonien, zurück kommen Tonspuren aus ganz Deutschland, mehr als 130 Beiträge erreichten sein Studio in kaum zwei Wochen. Gitarren, Percussion, zweite Stimmen, eine „Pedal Steel Guitar“ – einfach „alle Instrumente“ und sogar ein Dudelsack. Gänsehaut machte Sebel eine Einsendung aus Düsseldorf: Dort hat ein Kinderchor seinen Song eingesungen, jeder einzelne kleine Sänger zuhause, von der Chorleiterin zusammengefügt.

Dass es „ganz, ganz viele Künstler“ gibt, „die nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit und ihrer Kreativität“, hatte Sebel geahnt, aber damit nicht gerechnet: Inzwischen gibt es eine italienische Version („Insieme“) mit zwei italienischen Sängern, in der Sebels Kiosk, der „die Schotten dicht macht“, die „Bar von Luca an der Ecke“ ist. Und, ganz neu, eine englische („We Can Make a Change“), gemeinsam mit den Künstlern Jan Loechel (Münster) und Christina Lux (Köln). Cover-Versionen sind zu hören aus Bielefeld und Hannover, „Psychodelics“ versuchte sich an einer Rock-Variante.

Sebel hat versprochen, sie alle einzubauen in seinen Song, was schon deshalb „eine Herausforderung“ wird, weil der bloß 2:52 Minuten lang ist. „Jeder kommt vor“, der Musiker wird „keinen ausschließen“ – „auch wenn es ganz leise ist“. Das kleine Lied wird etwas Großes werden, das ist schon jetzt zu hören. Und kaum einer kommt ja noch an der Melodie vorbei: Zigtausendfach wird sie geteilt, verschickt, empfohlen.

Erlöse für die Deutsche Orchesterstiftung

Die Erlöse aus den Streamings sollen der Deutschen Orchesterstiftung zu Gute kommen. Die kümmert sich in der Krise nicht nur um Orchestermusiker, sondern auch um alle freischaffenden Musiker im Land. Sebel geht es „nicht ums Geldverdienen“, auch wenn er selbst „gucken muss, wie ich durchkomme“. Sich an dem Überraschungserfolg zu bereichern, hält er für das „falsche Signal“.

Vielmehr will er etwas sagen: „Was sich gerade auf unserem Planeten abspielt, lässt mich nicht kalt“, schreibt er auf Facebook. Sebel ist fest davon überzeugt, dass „die Dinge sich gravierend ändern und neu ordnen. Ich glaube, wir haben derzeit noch keine Vorstellung davon, wie krass dieser Einschnitt sein wird. Es liegt jetzt in unseren Händen, wie wir aus dieser Krise hervorgehen.“ Und so lange die Krise andauert, spielen diese Hände eben Klavier...

www.sebel.de

>>DER SONGTEXT: „ZUSAMMENSTEHEN“, „INSIEME“ ODER „WE CAN MAKE A CHANGE“

DEUTSCH: Es traf uns wie ein Schlag ins Gesicht, aus ’nem fiesen dunklen Hinterhalt. Erst Einen, dann Zwei, dann gleich Tausende und es ist kein Ende in Sicht. Auch der Kiosk um die Ecke macht die Schotten dicht. Ich weiß, es tut weh, doch anders geht es nicht. Doch – ich glaub´, dass sich gerade was Großes tut, zwischen hier und dem Ende der Welt. Nichts bleibt wie es war, die Weichen werden neu gestellt. Ich bleib’ Optimist und ich geb’ nicht auf. Am Ende kommt bestimmt was Gutes raus!

Refrain: Wir können etwas schaffen, wenn wir als Menschen das Große und Ganze sehen – und in den Kampf gehen gegen das Virus, weil wir alle zusammenstehen! Es geht ein Gespenst um die Welt, und es ist scheißegal, ob arm oder reich, ob schwarz oder weiß… Jedes verlorene Leben ist ein zu hoher Preis! Auch wenn es droht, dass es alles auseinanderreißt, könnt’ es sein, dass es uns alle zusammenschweißt. Ich glaube an das Gute, und ich hör’ damit nicht auf!

ITALIENISCH: È stato come un pugno in faccia, venuto dal buio senza avvertimento. Prima uno, poi due, poi mille e non si sta fermando. Anche il Bar di Luca all´angolo ha spento le luci. Dev´esser così, ma fa male lo stesso. Ma, io credo succeda qualcosa di grande. Tra qui e la fine del mondo. Tutto cambierà, niente sarà come prima. Ho la speranza e non mi arrenderò. E alla fine spero che vincerò.

Refrain: Possiamo costruire qualcosa se tutti noi saremo insieme. Combatteremo insieme questo virus, che non ci lascia vivere. Esiste un fantasma e non gliene frega un cazzo, se sei ricco o povero, bianco o nero. Per ogni vita perduta il prezzo è impagabile. Anche se il rischio è grande da dividerci sarà più grande la forza di riprenderci. Io credo nel bene e non smetterò.

ENGLISCH: Like a slap in the face unexpected it came – into days of ignorance. It started with one – no end in sight. This scary avalanche, even Jimmy closed his bar yesterday. It’s hurting but theres no other way. Now – Values change and lives are rearranged. In every corner of the world. Nothing stays the same but I trust there will be brighter days. You may call me a dreamer, but I won’t give up. Hey mankind – show me what you got.

Refrain: We can make a change if we embrace the whole world. So let’s hold on to each other. Please, don’t give up. No matter what your colour’s like. If you’re black or white. Your pockets full – or money`s tight. Losing the ones we love ain’t worth the price. You may be afraid that everything will fall apart. But it might as well bring us close and heart to heart. I won’t stop believing, no I won’t stop believing.