Heinsberg. Prof. Hendrik Streeck wirft dem Robert-Koch-Institut vor, in der Corona-Krise, Zeit verloren zu haben. Er leitet eine Großstudie in Heinsberg.

Der renommierte Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck hat dem Robert Koch-Institut (RKI) vorgeworfen, wertvolle Zeit bei der Bekämpfung des Coronavirus verloren zu haben. „Ich bin überrascht, dass das RKI die Studie, die wir jetzt in Heinsberg machen, nicht selbst gemacht hat. Man hätte da früher reingehen können, das ist eine verpasste Chance.“

Streeck erforscht seit Montag im Auftrag der NRW-Landesregierung die Infektionsketten in Gangelt im

Stephan Pusch (M, CDU), Landrat des Kreis Heinsberg, Hendrik Streeck, Direktor am Institut für Virologie im Universitätsklinikum Bonn, und Ricarda Schmithausen, Oberärztin im Fachbereich One Health im Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universitätsklinik Bonn, heute bei der Pressekonferenz in der Kreisverwaltung.
Stephan Pusch (M, CDU), Landrat des Kreis Heinsberg, Hendrik Streeck, Direktor am Institut für Virologie im Universitätsklinikum Bonn, und Ricarda Schmithausen, Oberärztin im Fachbereich One Health im Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universitätsklinik Bonn, heute bei der Pressekonferenz in der Kreisverwaltung. © dpa | Jonas Güttler

Kreis Heinsberg, wo mehr als 1100 bestätigte Infizierte leben. Dort hatte sich das Corona-Virus nach einer Karnevalsveranstaltung rasant ausgebreitet. Streeck sieht hier eine große Chance: „Wir sprechen derzeit noch sehr viel über Modelle und Rechnungen, jetzt ist es an der Zeit, Fakten zu besorgen, zum Beispiel darüber, wie hoch die Durchseuchung ist.“ Nur daraus könne die Politik Schlüsse für Entscheidungen ziehen.

1000 Freiwillige werden untersucht

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Namhafte Forscher und 40 Medizinstudenten untersuchen 1000 Freiwillige heute und in den nächsten Tagen. Streeck bei einer Pressekonferenz am Morgen: „Wir machen Abstriche, mit denen sich nachweisen lässt, ob jemand gerade infiziert ist oder die Infektion gerade überstanden hat, wir nehmen Blut ab, damit sich erkennen lässt, ob der Betreffende vor einer Weile eine Infektion hatte.“

Streeck will die Dunkelziffer bei den Infizierten ermitteln

Streeck sagte, man könne dann unter anderem errechnen, „wie hoch die Dunkelziffer bei Infizierten ist“. Hinzu kommen Umweltuntersuchungen im Ort. Man wolle herausfinden, wie genau sich das Virus verbreite. Gangelt sei für die Untersuchung ideal, betonte er: „Wir wissen ziemlich genau, wann und wie es mit dem Virus angefangen hat, nämlich bei dieser Karnevalsveranstaltung. Es ist immer an Orten ausgebrochen, wo wild gefeiert wurde. In Gangelt war es der Karneval, in Ischgl der Après-Ski, in Bergamo ein Fußballspiel“, so Streeck. „Es ist immer: Viele Menschen auf engem Raum.“

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Spannend sei auch, zu erarbeiten, warum sich viele bei der Kappensitzung in Gangelt infiziert hätten, viel aber auch nicht. Zudem werde man sich die Problematik in Kliniken, Pflegeheimen und Kindergärten genau ansehen.

Erste Ergebnisse sind Ende nächster Woche zu erwarten

Streeck rechnet mit ersten Ergebnissen bis Ende nächster Woche, vier Wochen soll die Studie insgesamt dauern. Die Hoffnung: Handlungsempfehlungen aus den Untersuchungen zu filtern. „Wir können die Fakten liefern“, sagte der Virologe, „aber die Politik muss dann Entscheidungen treffen, zum Beispiel mit Blick auf Ausgangsbeschränkungen oder ähnlichem.“ Er sehe aber, „dass wir auf ein ethische Dilemma zusteuern, um eine Verhältnismäßigkeit zu erreichen. Am Ende wissen wir, wie hoch die Sterblichkeitsrate ist, und dann setzt man sie in ein Verhältnis zu den Existenzen, die wir gefährden.“

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