Ruhrgebiet. Tagesmütter sollen helfen, die Kinder von Eltern mit wichtigen Berufen zu betreuen. Ihre eigenen Kinder allerdings können dabei zum Problem werden.

Nein, so ganz hat Birgitt Müller (Name geändert) die Welt in den vergangenen Tagen nicht mehr verstanden. Tagesmutter ist die Frau aus NRW, hat zurzeit aber keine Kinder zu betreuen. „Die Eltern“, sagt Müller, „sind alle nicht in den systemrelevanten Berufen tätig.“ Mitte der Woche aber hat sie Post vom dem für sie zuständigen Jugendamt bekommen. Sie solle sich bitte bereithalten, um kurzfristig neue Kinder aus eben diesen Berufen aufzunehmen, steht in dem Schreiben. Sollte sie sich weigern, werde die Finanzierung gestrichen, die sie derzeit erhalte. Aber Müller will sich gar nicht weigern: „Ist ja mein Job, mache ich gerne.“

Amt bedauert: Kein Ausnahmefall

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Dann aber stutzt sie. Sollten tatsächlich Kinder kommen, müsse sie ihren eigenen Nachwuchs selber zur Betreuung abgeben, heißt es weiter in dem Schreiben. Ein Kind in die Notgruppe des Kindergartens, das andere in die Betreuungsgruppe der Grundschule, in das es geht. „Ein Missverständnis“, denkt Müller und ruft beim Jugendamt an. Das habe schon seine Richtigkeit, erfährt sie dort, und zum Beweis verweist das Amt auf die Seiten des Familienministeriums NRW.

Für viele Tagesmütter gibt es derzeit reichlich zu tun.
Für viele Tagesmütter gibt es derzeit reichlich zu tun. © picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Dort steht: „Demnach sollen in der Regel Kinder von Kindertagespflegepersonen, die bislang nicht mitbetreut wurden, nicht in das eigene Kindertagespflegeangebot aufgenommen werden.“ Ausnahmen seien „im Einzelfall“ nur zugelassen, wenn andernfalls die Betreuung der eigenen Kinder nicht sichergestellt werden könne. Das sei – wegen der Notgruppen im Kindergarten und Grundschule - aber nicht der Fall, sagt das Amt. Also liege keine Ausnahme vor.

„Völlig absurd“, findet Müller das und rechnet vor. Ihre beiden Kinder in zwei unterschiedlichen Betreuungsgruppen, abends aber wieder zu Hause bei Mama und Papa. „Da bilden sich doch ganz unnötig zwei neue mögliche Infektionsketten.“

Familienministerium hat Problem erkannt

Das hat das Ministerium auf Anfrage der WAZ mittlerweile ebenfalls erkannt. Wenn, wie im vorliegenden Fall, bislang keine Kinder von Personen in kritischer Infrastruktur von der Kindertagespflegeperson betreut würden, sagt ein Sprecher, sie insoweit „nur“ in Bereitschaft sei, könne von dem Grundsatz – „Keine Mitbetreuung eigener Kinder“ – abgewichen werden.

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Denn sobald „neue“ Kinder betreut würden, bilde sich ohnehin ein neues Kontaktnetz. „Vor diesem Hintergrund ist die Betreuung der eigenen Kinder im Rahmen dieses Betreuungsangebots möglich“, heißt es aus dem Ministerium. Auch weil bei der Betreuung der eigenen Kinder in anderen Angeboten ebenfalls neue Kontaktnetze geschaffen würden, die es aber nach Möglichkeit zu vermeiden gilt.

„So macht es Sinn“, findet Müller und kann auch verstehen, dass an solche Fälle nicht gleich gedacht wurde. „Zur Zeit ist ja so viel los“, sagt sie, „da kann man schon mal etwas übersehen.“