Ruhrgebiet. Noch kein Ausgangsverbot, keine Kontaktverbote aber viele Einschränkungen. So war das Wochenende im Ruhrgebiet.

Vielleicht war es am Ende das Wetter, das schön war aber kühl. Vielleicht aber war es auch die späte Einsicht, dass die Lage eine besondere ist. Die Menschen im Revier haben jedenfalls an diesem Wochenende getan, was die Virologen von ihnen gefordert und die Politik ihnen auferlegt hat. Sie sind zu Hause geblieben.

In den meisten Städten des Ruhrgebietes war es am Samstag menschenleer. Frei die Parkplätze, geschlossen die meisten Geschäfte, viel Platz in den Fußgängerzonen. Nur in Bau- und Supermärkten, auf den Wochenmärkten und an den wenigen Waschstraßen, die noch geöffnet hatten, herrschte zumindest am Morgen Betrieb. Momentaufnahmen aus einer merkwürdigen Zeit.

„Es fehlt vor allem die Laufkundschaft“

Auch die Innenstadt in Dortmund ist am Samstag menschenleer.
Auch die Innenstadt in Dortmund ist am Samstag menschenleer. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Auf der Königstraße in Duisburg stehen die Kunden in großen Abstand nebeneinander an den Ständen des Marktes. „Es fehlt vor allem die Laufkundschaft“, sagt Händler Uwe Westerhoff. Die fehlt auf allen Märkten.

Bereits am Freitag hatte die Stadt Dortmund Versammlungen von mehr als vier Personen und Aktivitäten wie Grillen oder Shisha-Rauchen im öffentlichen Raum untersagt. „Die aktuellen Ansammlungsverbote sind die letzte Ausfahrt vor einer Ausgangssperre“, warnte Oberbürgermeister Ulrich Sierau. Zumindest an diesem Wochenende scheint diese Warnung gefruchtet zu haben.

Man habe keine Verstöße feststellen können, heißt es auf Anfrage bei Polizei und Ordnungsamt. „Sehr, sehr ruhig“, beschreibt ein Beamter im Streifenwagen die Lage in Essen. Nur in der Nacht zu Samstag müssen Beamte in Rüttenscheid eine private Geburtstagsfeier in einer Gaststätte beenden. „Dummköpfe“, die den „Ernst der Lage immer noch nicht erkannt haben“, nennt die Polizei sie in einer Mitteilung und stellt klar: Den Beteiligten droht jetzt eine Strafanzeige.

Nichts los am Phoenix-See in Dortmund

Aber das ist eine Ausnahme, wie sich bei einer Fahrt durch das Ruhrgebiet zeigt. Am Phoenix-See etwa, wo sich sonst am Wochenende Tausende Menschen tummeln, sieht man nur vereinzelte Jogger, trifft Familien, die mit ihren Kindern einen Spaziergang machen und junge Pärchen, die „frische Luft schnappen, bevor uns zu Hause die Decke auf den Kopf fällt“. In einem windgeschützten Biergarten sitzen drei Gäste – in gebührendem Abstand voneinander. „Wahrscheinlich zum letzten Mal in absehbarer Zeit“, sagt einer.

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Sieben Grad zeigt das Thermometer am Samstag gegen Mittag und frisch weht der Wind über die Uferpromenade. „Länger als fünf Minuten kann man nicht auf einer Bank sitzen“, sagt Manfred Peters. „Dann wird es einem kalt.“ Der Früh-Rentner traut der Leere dann auch nicht ganz. „Zehn Grad mehr und es würde vielleicht anders aussehen hier.“

Betrieb in Waschstraßen und Baumärkten

Für stolze Autobesitzer ist es offenbar schon warm genug. An den wenigen Waschanlagen die noch geöffnet haben, laufen die Hochdruckreiniger am Morgen heiß. Sollte das Auto schon vor der Tür stehen bleiben müssen, dann doch bitte sauber. Ordentlich Betrieb herrscht am Samstagmorgen auch in vielen Baumärkten. Ein junger Mann schleppt zwei Eimer weiße Farbe zur Kasse. Der Laden, in dem er arbeitet, hat für die nächsten Wochen schließen müssen. „Ich will die Zeit nutzen, meine Wohnung zu renovieren. Wer weiß, wie lange ich hier noch einkaufen kann.“

Hier staut sich sonst der Verkehr mehrere Kilometer. Die A40 bei Essen am frühen Samstagabend.
Hier staut sich sonst der Verkehr mehrere Kilometer. Die A40 bei Essen am frühen Samstagabend. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Im Supermarkt nebenan wohl auch in Zukunft noch. Und langsam scheint sich das auch bei den Menschen herumzusprechen. Die langen Schlangen, sie sich noch am Morgen vor vielen Märkten gebildet haben, sind Samstag am frühen Nachmittag fast überall verschwunden. Toilettenpapier ist allerdings im Ruhrgebiet immer noch schneller ausverkauft, als es geliefert werden kann. Das führt mittlerweile zu ganz neuen Straftaten. „Drei Mal haben sie uns jetzt schon das Toilettenpapier vom Klo geklaut“, erzählt ein Mitarbeiter des Lokals „Tomate“ in Mülheim.

Bürger danken Pflegern, Krankenschwestern und Supermarkt-Angestellten

Im Dortmunder Stadtgebiet haben Unbekannte an mehreren Stellen schwarz-gelbe Banner aufgehängt. „Danke allen Helfenden“ steht darauf zu lesen oder „Pflegekräften danken heißt Lohn erhöhen.“ Auch in Bochum wehen seit dem Wochenende lange Schriftzüge im Wind. Danke für eure unermüdliche Arbeit! Gebt nicht auf! UB99“, haben die Ultras Bochum darauf geschrieben. Und in Duisburg-Großenbaum haben Kunden ein Plakat gemalt, auf dem sie sich für den Einsatz und die starken Nerven der Mitarbeiter der örtlichen Aldi-Filiale bedanken. „Danke, dass Sie den Laden am Laufen halten.“

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Am Sonntag dann ist nahezu alles zu. Fast alle Märkte schicken ihre Mitarbeiter in das Wochenende, das sie sich redlich verdient haben und sind so vernünftig, die Ladentüren nicht zu öffnen. Was durchweg auf Verständnis bei den Menschen stößt, die ansonsten gar nicht mehr reden mögen über Corona.

Noch kühler ist es geworden am zweiten Tag des Wochenendes, an dem die Kirchen leer bleiben müssen und viele Gemeinden den Gottesdienst ohne Besucher im Internet übertragen. Ruhig ist es im Revier. „Vielleicht“, sagt ein älterer Mann, der in der Nähe des Dortmunder Rombergparks seinen Hund ausführt, „nutzen wir alle die Chance, mal ein wenig herunter zu kommen.“