Duisburg/Neuss/Kap Hoorn. Als sie an Bord des Antarktis-Kreuzers gingen, ahnten die Giesens noch nicht, was Corona bewirken würde. Nun sitzen sie fest vor Kap Hoorn.
Der Blick auf Patagonien ist natürlich nicht zu verachten, aber Dagmar und Ulrich Giesen genießen ihn nicht freiwillig. Das Land ist verboten für sie, obwohl sie drei Wochen lang "nur Pinguine gesehen haben" in der Antarktik. Doch Chile hat seine Häfen bis September gesperrt für Kreuzfahrtschiffe, ebenso wie Argentinien. Und nun sitzt das aus Ehepaar aus Neuss fest auf der MS Roald Amundsen, einem brandneuen Hybridkreuzer der Hurtigruten. Zusammen mit etwa 150 Besatzungsmitgliedern und 400 weiteren Gästen, darunter rund 100 Deutsche und 120 australischen Ärzten, die in ihrer Heimat dringend gebraucht werden, wie der Guardian Australian berichtet.
Auch der gebürtige Duisburger Ulrich Giesen (71) würde wohl gebraucht in seiner Firma, denn die betreibt ein Rechenzentrum für Steuerberater, die nun alle auf Heimarbeit umstellen. Tochter Mona und ein Mitgesellschafter sind derzeit voll ausgelastet mit täglich mehreren hundert Aufträgen. Auch aus der Antarktik hat Giesen täglich per Satelliten-Internet gearbeitet an Notfallplänen für den Geschäftsbetrieb, hat als Vorsitzender des Neusser Schlittschuh-Klubs "aus der Ferne die Entscheidung mitgetroffen, den Eislaufsportbetrieb freiwillig einzustellen", noch bevor der entsprechende Erlass kam. Denn, schreibt Giesen, "die Zuname der Pandemie-Auswirkungen waren auch im ewigen Eis das tägliche Thema", umgeben von Buckelwalen, Orcas, Albatrossen und "unendlich vielen Pinguin-Kolonien".
Einheimische protestierten gegen Kreuzfahrer
"Die Rückflüge waren alle schon bestätigt", berichtet der Unternehmer. Am 15. März sollte es heim gehen. Doch genau an diesem Morgen verhängte Chile sein Einreiseverbot für Kreuzfahrttouristen, den auf zwei Schiffen im Hoheitsgebiet waren kurz zuvor insgesamt drei Corona-Fälle aufgetreten. Zwei Passagiere sind nach Behördenangaben bei Chacabuco an Bord isoliert, ein 83-jähriger Brite kam bei Castro in ein Krankenhaus, beides südliche Häfen. Mit Verweis auf die dreiwöchige "Pinguin-Quarantäne" der MS Roald Amundsen sollen die Behörden in Punta Arenas gewillt gewesen sein, die Passagiere ohne Kontakt direkt zum Flieger bringen zu lassen. Doch Einheimische hatten dagegen protestiert.
"Die Reederei, der Kapitän, der Expeditionsleiter sind in Dauerkonferenzen mit den Heimatregierungen und den südamerikanischen Behörden", berichtet Ulrich Giesen. "Auch die Rückholaktion der Bundesregierung bringt nichts, wenn man nirgends an Land darf. Der Kapitän will nun auf See Treibstoff und etwas Proviant aufnehmen und dann versuchen, zu den Falkland-Inseln zu gelangen." Die sind etwa zwei Seetage entfernt.
Nach Informationen der Passagiere soll es in dem britischen Überseegebiet eine Anlandungsgenehmigung geben, "eventuell jedoch mit zehn weiteren Tagen Quarantäne", so Giesen. Um diese zu vermeiden, muss wohl noch verhandelt werden. Außerdem muss die MS Roald Amundsen wohl einen großen Umweg um das Kap Hoorn nehmen, "da wir nur so vermeiden können, einen Lotsen an Bord nehmen zu müssen. Darauf bestehen die Falklands, denn der Lotse aus Chile könnte uns ja anstecken."
Die Reise der MS Roald Amundsen kann man live über ihre Web-Cam verfolgen. Noch liegt sie vor Punta Arenas.