Düsseldorf. Frei Parkplätze, leere Läden, enttäuschte Heimkehrer, besorgte Deutschland-Urlauber, die nur noch weg wollen – Ausnahmezustand am Airport DUS.

Man merkt es schon im Parkhaus: Dies ist kein normaler Tag, dies ist Corona-Krise – alles frei in P3 am Düsseldorfer Airport. NRWs größter Flughafen, er wirkt an diesem Morgen schon von außen: verlassen.

Flug BA 8242 nach Friedrichhafen: annulliert. Flug DL 8433 nach Paris: annulliert. Flug OK 523 nach Graz: ebenfalls. Genau wie die Maschinen nach Wien, London, Warschau, Atlanta und viele, viele mehr. Bis vor einer Woche noch wären hier an einem Dienstag rund 650 Maschinen gestartet und gelandet. Derzeit sind es um die 70 Prozent weniger, hatte der Flughafen am Montag bekannt gegeben. Genauere Zahlen mag und kann Flughafen-Sprecher Thomas Kötter nicht nennen. „Was ich jetzt sage, ist in einer Stunde obsolet.“

„Komm heim, in China bist du sicherer als in Deutschland“

Mehr als 70 Prozent aller Flüge in Düsseldorf sind wegen der Corona-Krise bereits annulliert worden.
Mehr als 70 Prozent aller Flüge in Düsseldorf sind wegen der Corona-Krise bereits annulliert worden. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Im Abflug-Terminal tummeln sich dennoch ein paar Menschen. Aber glücklich sehen die wenigstens aus. Chunyang Li ist sogar den Tränen nahe. Singapore Airlines hat ihr soeben die Mitnahme verweigert. „Corona-Krise, wir transportieren nur noch „Singaporeans“, habe es am Schalter der Airline am Düsseldorfer Flughafen plötzlich geheißen, erzählt die 25 Jahre alte Chinesin. Dabei habe sie die 1500 Euro für den Flug bereits bezahlt. Seit drei Jahren studiert Li in Aachen Maschinenbau. Jetzt wollte sie über Singapur heim – nach Peking – fliegen, weil die Eltern darauf drängten, die Mutter am Telefon so heftig schluchzte. „In Deutschland gehen die Infektionszahlen hoch, in China runter. Hier ist es viel sicherer als in Deutschland“, habe die Mama argumentiert. Drei Monate sollte die Tochter in Peking bleiben, bis sich „die Lage in Europa beruhigt“ habe. Doch nun steht die junge Chinesin da in Düsseldorf mit ihrem riesigen Koffer und ihrem Mundschutz. Ratlos. „Werde ich mich wohl zuhause in Aachen einigeln“, sagt sie beim Gehen.

Auch Katharina Moeller-Herrmann will mit ihrer Familie in den Flieger nach Singapur. Es sei der letzte, der bis Ende Mai dahin starte, hat sie erfahren. „Von keinem europäischen Flughafen geht mehr was“, sagt die Rheinländerin, auf einem halben Dutzend gepackter Koffer und Taschen sitzend. Sie ist tatsächlich „Singapore Resident“, lebt und arbeitet in dem asiatischen Stadtstaat, für Bayer Crop Science. Dürfte von der Fluggesellschaft also nicht abgewiesen werden wie Chunyang Li. Doch das hilft gerade auch nicht weiter. Denn die offizielle Bestätigung der Behörden vor Ort, dass sie, ihr Mann und die beiden Kinder wieder einreisen dürfen, steht noch aus. Den Urlaub in der alten Heimat NRW hatte die Familie „angesichts der aktuellen Entwicklung ziemlich spontan abgebrochen. „In 20 Minuten müssen wir eingecheckt sein“, sagt Moeller-Herrmann und blickt nervös erneut ins Handy, ob die erlösende Mail endlich eingetroffen ist. „Ich wäre in diesen Corona-Zeiten viel lieber da als hier, in Asien fühlen wir uns supersicher.“

„Jede Minute fühlt sich an wie eine Stunde“

Leere Gänge auch im Ankunftsbereich des Düsseldorfer Airports.Nur verieinzelt landen noch Heimkehrer
Leere Gänge auch im Ankunftsbereich des Düsseldorfer Airports.Nur verieinzelt landen noch Heimkehrer © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Geschäfte rund um die Check-in-Schalter sind derweil verwaist. Kein Kid im Kiddieladen, kein Kunde am Last-Minute-Desk. Und im Buchladen an der Ecke langweilt sich Joseph Steven Hartstuff auf Übelste, nur zehn Kunden hat er bislang bedienen dürfen. An einem normalen Morgen wären es hundert gewesen. „Wir nennen das hier eigentlich unseren Hektikerladen“, sagt Hartstuff, „aber heute fühlt sich jede Minute an wie eine Stunde.“

Vor einer Bäckerei ganz in der Nähe warten viele einladende Tische auf Gäste. Auf jedem zweiten pappt ein Aufkleber „Please do not sit here!“ Eine Schutzmaßnahme gegen das Virus genau wie die Liste, in die sich eintragen muss, wer hier frühstückt oder ein Stück Kuchen isst. Doch die Liste ist so leer wie die Tische. Nur Kaffee habe sie bislang verkauft, berichtet Mitarbeiterin Naphat van Loock gegen 10 Uhr. Zwei Tassen. Um sieben Uhr hat ihr Dienst begonnen.

Selbst in der Flughafen-Apotheke „ist gar nix los“, berichtet Samir Sbaa. 20 Kunden, schätzt er, waren bis zum späten Vormittag da. Und was wollten die? „Was schon?“, fragt Sbaa zurück. „Masken und Desinfektionsmittel natürlich.“ Von beidem hat er „noch genug“. 6,95 Euro kostet das 100-Milliliter-Fläschen Selbstgemischtes gegen den Virus.

„Keiner will der letzte Mohikaner sein“

Vielleicht ist im Ankunftsbereich mehr los? Tatsächlich, eine Maschine aus Madrid ist gerade gelandet. An Bord: Frank N. aus Neuss. Der Unternehmensberater war beruflich auf Gran Canaria und „hätte dort auch noch genug zu tun gehabt“. Aber die Lage in der Hauptstadt Las Palmas habe sich in den letzten Tagen dramatisch verschärft. „Kellner in Schutzkleidung brachten uns den Kaffee aufs Zimmer – am ausgestreckten Arm. Wer am Strand erwischt wurde, musste 500 Euro Strafe zahlen“, berichtet der 56-Jährige. Die Rückreise aus Spanien zu organisieren sei nicht leicht gewesen, im Flughafen von Las Palmas habe „leichte Panik“ geherrscht. Über Madrid erreichte er Düsseldorf. „Andere versuchten, über Oslo und London zurück nach Deutschland zu kommen. Keiner wollte der letzte Mohikaner sein.“

Luise Müller erreichte Düsseldorf mit Aeromexico. Nun muss sie sehen, wie sie mit ihrem dicken Rucksack weiter kommt, ob noch ein Zug nach Hamburg geht, wo sie zuhause ist. Die 26-Jährige kommt aus Lima, war mit zwei Freunden auf einem Rundtrip durch Peru. „Dann hat Peru die Ein- und Ausreise komplett gestoppt“, erzählt sie enttäuscht. „Zwei Orte haben wir gesehen und jeder 1400 Euro draufgezahlt.“ Dass sie die Kosten für den neu gebuchten Rückflug jemals erstattet bekommt, glaubt sie nicht.

„Mit dem Taxi von Karlsbad nach Oberhausen“

Naphtan van Loock vor verwaistem Café: Normalerweise ist hier kaum ein Platz zu finden.
Naphtan van Loock vor verwaistem Café: Normalerweise ist hier kaum ein Platz zu finden. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Gabriele Güneweg-Kraniotaki muss den Urlaub mit ihrer Tochter ebenfalls abbrechen. Sie lebt auf Kreta seit 40 Jahren und steht nun – mit Mundschutz, Handschuhen und reichlich Abstand zu anderen Menschen – zur Abfertigung des Flugs nach Thessaloniki an. Eine kleine Europa- Rundreise hatten die beiden unternehmen wollen. Sie endete in Tschechien: Am Tag bevor das Land den Notstand ausrief, verließen die zwei Karlsbad. 350 Euro zahlten sie fürs Taxi nach Oberhausen. „Wir wollten auf Nummer Sicher gehen.“ Auf Kreta, so viel ist sicher, müssen sie nach ihrer Ankunft trotzdem erst einmal in Quarantäne. „Als Seuchenverbreiter aus Deutschland…“.

Apropos Taxi: Auch die haben Zwangspause in Düsseldorf. In zwölf Stunden, erzählt Mahmoud Rakimkhan, habe er zwei Fahrten gehabt. „Sonst sind es elf.“ Jetzt steht er vor dem Terminal und wartet schon wieder vergebens, seit Stunden schon. Für Freitag hat sein Unternehmen Kurzarbeit angekündigt, dann wird er nur noch 20 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten. „Finanziell“, sagt er, „ist das schlimm. Viel zu wenig. Aber der Chef kann ja auch nichts dafür.“

Ein paar Schritte weiter herzt eine Frau ein braun gebranntes, älteres Paar mit zwei Koffern und vielen Taschen, überstürzt zurückgekehrt aus einem Urlaub in der Sonne, scheint es. „Ihr wärt besser da geblieben“, sagt die Abholerin zur Begrüßung.