Essen. Polizisten sicherten den Vergewaltigungsprozess gegen den Sohn eines libanesischen Clan-Chefs. Doch es blieb ruhig, nur zwei Zuhörer kamen.

Die befürchtete Randale blieb aus. Nur zwei Zuhörer besuchten am Freitag den mit vielen Polizei- und Justizkräften gesicherten Prozessauftakt gegen den 18 Jahre alten Sohn eines mutmaßlichen Clan-Chefs aus dem Hause Rammo. Verantworten muss er sich vor der V. Essener Jugendstrafkammer für eine laut Anklage hinterhältige Tat.

Nach der mutmaßlichen Tat am 15. September vergangenen Jahres soll der Angeklagte die 19-Jährige gefragt haben, ob sie ihn denn nicht kenne. Er sei der Typ von der Schulhof-Schlägerei. Im Frühsommer hatten ihn nämlich aus letztlich ungeklärtem Motiv mehrere Mitglieder der Familie Saado auf einem Schulhof im Essener Stadtteil Altendorf verprügelt. Sie sind dafür mittlerweile vom Essener Amtsgericht verurteilt worden. Es wird aber zu Berufungsverhandlungen kommen.

Mit Nacktfotos Druck gemacht

Am 15. September, so die aktuelle Anklage, soll der Rammo-Sohn mittags eine 19-Jährige per WhatsApp angeschrieben und zu einem Treffen aufgefordert haben. Dazu soll er ihr Nacktfotos zugeschickt haben, die sie durch einen früheren Freund von sich hatte machen lassen. Unter diesem Druck folgte sie der Aufforderung und kam zu ihm in die nördliche Essener City.

Er führte sie dort in eine Wohnung und forderte sie laut Anklage zum Geschlechtsverkehr auf. Sie weinte, er habe die Nacktaufnahmen zu ihrer Beruhigung gelöscht. Als sie sich dann aber weigerte, mit ihm eine ernsthafte Beziehung zu führen, habe er gesagt, die gelöschten Bilder besäße er natürlich noch.

Mit Verbreitung der Bilder gedroht

Sie sei aber standhaft geblieben und habe Sex abgelehnt. Dann dürfe sie sich nicht wundern, wenn die Bilder am nächsten Tag "überall" kursierten, soll er gesagt haben.

Sie weinte weiter, er drohte. So schildert die Anklage die Minuten, bevor es dann doch zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Anschließend soll er sie gefragt haben, ob es denn wirklich so schlimm gewesen sei. Schließlich ließ er sie gehen. Am übernächsten Tag erstattete sie Anzeige.

Vergewaltigung eingeräumt

Seit September sitzt der Angeklagte in U-Haft, hatte bislang geschwiegen. Am Freitag räumte er die Vergewaltigung ein. Er habe die Nacktbilder verschickt und sie dadurch erpresst. Er sei von einem "Deal" Bilder gegen Sex ausgegangen.

Bei der schlechten Akustik im Saal 101 ist nicht alles davon zu verstehen. Aber seine Verteidiger Manfred Gregorius und Wolf Bonn versicherten der WAZ, dass der 18-Jährige die Vergewaltigung gestanden habe. Das Ausmaß der Gewalt schildere er aber weit geringer als die Anklage.

Angeklagter spricht auch von einvernehmlichem Sex

Der 18-Jährige selbst hat sein Geständnis vielleicht auch nicht immer in Erinnerung. Denn zwischendurch sprach er auch mal wieder von "einvernehmlichem Sex". Immerhin sagte er auch, er bereue die Tat. Und gesichert sind Chat-Protokolle, aus denen Richter Volker Uhlenbrock vorliest. Darin entschuldigt der Angeklagte sich nach Deutung des Richters bei dem mutmaßlichen Opfer.

Die 19-Jährige wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Stundenlang. Wie es heißt, sei sie bei ihren belastenden Aussagen geblieben.

Vater Rammo saß hinten im Saal

Im öffentlichen Teil der Verhandlung am Vormittag hatte zunächst nur Rammo-Senior, der Vater des Angeklagten, gesessen. Später gesellte sich ein weiterer Sohn zu ihm. Der 45-Jährige aus Rüttenscheid hatte kürzlich auch für zwei Monate in U-Haft gesessen und war von der Polizei als Clan-Chef bezeichnet worden.

Er soll im Sommer Racheaktionen gegen die Familie Saado organisiert haben, weil diese seinen Sohn auf dem Schulhof verprügelt hatten. Für diese Aktionen muss er sich demnächst vor der XVII. Strafkammer verantworten.