Rund 300.000 Euro hat der Professor als Chef einer Essener Firma veruntreut. Dafür soll er aber nicht ins Gefängnis, sichert das Gericht ihm zu.
Ein ehrenwerter Mann sitzt am Mittwoch vor der XII. Essener Strafkammer. Professor Dr. Dr. ist der 71-Jährige, Gründungsrektor einer privaten Hochschule und lange Jahre Geschäftsführer einer Essener Wohnungsgenossenschaft. Und in dieser Eigenschaft soll der Wittener laut Anklage innerhalb von fünf Jahren rund 300.000 Euro Genossenschaftsgelder veruntreut haben. "Aber nicht um mich zu bereichern", betont er.
Ins Gefängnis wird er wohl nicht gehen müssen. Nach Verständigungsgesprächen sicherte die Strafkammer ihm zu, dass vermutlich eine Bewährung mit einer Geldauflage in Höhe von 75.000 Euro herauskommen wird. Voraussetzung dafür ist aber ein laut Richter Simon Assenmacher "glaubhaftes und qualifiziertes Geständnis im Sinne der Anklage". Kommt es nicht, so fühlt das Gericht sich auch nicht an die Zusage gebunden.
Feierlich in den Ruhestand verabschiedet
Feierlich war der Angeklagte vor wenigen Jahren von der Wohnungsgenossenschaft in den Ruhestand verabschiedet worden. Offenbar erfolgreich hatte er das Unternehmen geführt und die Geschäftsfelder erweitert. Seinem Nachfolger fiel aber auf, dass es noch ein wenig mehr hätte sein können. Denn der Herr Professor hatte laut Anklage Rechnungen für eigene private Ausgaben, etwa für sein Haus in Witten, über die Firma laufen lassen, dafür auch mal Urkunden gefälscht.
Zivilrechtlich hat die Wohnungsgenossenschaft ihr Geld bereits erstritten und zurückgezahlt bekommen. Weil die Verjährungsfristen im Zivilprozess deutlich von denen im Strafrecht abweichen, ging es dort um einen weit längeren Zeitraum mit einer größeren Summe: So hatte der Professor sogar 800.000 Euro an die Genossenschaft zu überweisen.
Herzensangelegenheit: anderen Menschen helfen
Jetzt also das Geständnis. Anfangs ist das nicht so ganz zu erkennen. Denn eigentlich habe er der Genossenschaft keinen Schaden zufügen wollen, versichert der Angeklagte. Ihm sei jetzt zwar klar, dass er manches "getan habe, was nicht ganz in Ordnung" war. Aber das Hauptproblem sei eben gewesen, dass er die Hilfe für andere Menschen als "Herzensangelegenheit" gesehen habe.
Ein Beispiel ist der Bochumer Rechtsanwalt, der die Genossenschaft früher juristisch beraten "und auch nicht immer eine Rechnung geschrieben hatte". Der sei ab 2012 in wirtschaftliche Not geraten, da habe er diesem mit einem Darlehen in Höhe von 30.000 Euro helfen wollen. Leider habe der das Geld nie zurückgezahlt.
Rückzahlung aus dem Blick verloren
Manchmal will er auch selbst die Genossenschaft nur für eine Zwischenfinanzierung genutzt haben. Auch dieses Geld kam aber nicht zurück. "Ich habe die Rückzahlung aus den Augen verloren", erklärt der angeklagte Professor.
So geht es weiter, und fast scheint es, als strapaziere der Professor die Langmut des Gerichtes. Zunächst gibt es immer die fast wie im Hörsaal dozierte Lang-Version mit vielen Erklärungen. Etwa in dieser Art: "Es gab nie den Entschluss, jetzt begehe ich eine Untreue."
Das wird Richter Assenmacher irgendwann zu bunt, er hinterfragt ganz unakademisch: "Herr Professor, es tut mit leid, aber das ist Quatsch."
Professor gibt Fehler zu
Nach der Mittagspause kommt die Kurz-Version. Offenbar hat Verteidiger Jürgen Wessing den Angeklagten ein wenig eingenordet. Nun räumt er knapper und ohne viele Umschweife seine Schuld ein: "Das war dumm und ein Fehler von mir."
Assenmacher hinterfragt auch das ach so uneigennützige Motiv, anderen zu helfen. Denn in einer früheren Vernehmung hatte er den Ermittlern mal gestanden, er habe sich nur das genommen, was ihm zustehe. "Ja", bestätigt der Angeklagte jetzt, "es war wegen meiner Verdienste. Ich war verärgert und dachte: ich mache so viel, eigentlich steht mir mehr zu".
Zehn Tage hat die Kammer angesetzt. Sie dürfte aber wohl weit schneller zum Urteil kommen.