Witten. Hausärzten geht die Schutzkleidung aus. Trotzdem sollen sie bei möglicherweise an Corona erkrankten Patienten Hausbesuche machen.

Arne Meinshausen klingt ruhig. Aber man merkt, dass es brodelt in ihm. Über ein Schreiben des Gesundheitsministeriums NRW regt er sich auf. Sollte sich, rät das Ministerium darin nach Abstimmung mit den Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen im Land, bei einem Patienten, der sich telefonisch in einer Arztpraxis gemeldet hat, der Verdacht auf Corona erhärten, könne der Hausarzt vorbeischauen, um zwecks Überprüfung einen Abstrich zu entnehmen. „Das ist eine Ungeheuerlichkeit“, schimpft Meinshausen, der in Witten praktiziert und auch Geschäftsführer der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW) ist, in der rund 90 Prozent der Ärzte der Stadt zusammengeschlossen sind.

„Man will uns ungeschützt an die Front schicken“

Meinshausen kann es kaum fassen: „Man will uns ungeschützt an die Front schicken.“ Natürlich sei ein Abstrich in den eigenen vier Wänden des Infizierten geeignet, die Ausbreitung zu verringern. „Aber das ist Sache der Gesundheitsämter, nicht die der Hausärzte.“ Anders als Rettungsdienste, Krankenhäuser, Labore oder Gesundheitsämter verfügten niedergelassene Ärzte meistens gar nicht über eine ausreichende Grundausrüstung mit Schutzkleidung, Masken, Brillen und Desinfektionsmitteln.

Für Hausärtze ist  ein Infektions-Schutzanzug wie dieser derzeit so gut wie nicht zu bekommen
Für Hausärtze ist ein Infektions-Schutzanzug wie dieser derzeit so gut wie nicht zu bekommen © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein widerspricht: Die Praxen müssten „selbstverständlich für Untersuchungen entsprechend ausgerüstet sein – das gilt immer, beispielsweise beim Arbeitsschutz, für den der Praxisinhaber sorgen muss“. Praxen hätten im Alltag auch mit vielen weiteren Infektionskrankheiten zu tun, die entsprechende Schutzmaßnahmen erforderten.

Praxen könnten lange geschlossen werden

„Wir würden ja sofort Schutzkleidung kaufen“, sagt Meinshausen. „Aber zur Zeit kriegen sie ja nirgendwo etwas.“ Selbst wenn es wieder Nachschub geben sollte, hält er Hausbesuche in Sachen Corona allerdings für kaum praktikabel. „Jedes Mal in einen neuen Schutzanzug steigen, den man anschließend fachgerecht entsorgen muss. Und möglicherweise auch noch den eigenen Pkw desinfizieren. Wie soll das zu schaffen sein?“

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Und falls sich ein ungeschützt durchgeführter Abstrich als positiv herausstellte, gibt der ÄQW-Geschäftsführer zu bedenken, werde die Praxis für 14 Tage geschlossen. „Bei der Größe unserer Praxis mit zehn Ärzten kann man sich vorstellen, was das für Witten heißen würde.“

Diebe stehlen Desinfektionsmittel im Krankenhaus

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Fehlende Schutzkleidung ist nicht nur bei Haus- und Kinderärzten ein großes Problem. Auch in den ersten Kliniken der Region werden Brillen, Masken, Hauben oder Handschuhe nach Erzählungen von Pflegern und Krankenschwestern langsam knapp. Selbst wo es noch keine Corona-Fälle gebe, berichtet eine Krankenschwester, sei das Personal angehalten, sparsam mit Schutzkleidung umzugehen. „Bei Patienten mit schwerer Grippe oder resistenten Keimen könnte es deshalb möglicherweise zu Einschränkungen bei den Besuchsmöglichkeiten kommen.“ Offiziell bestätigt werden solche Befürchtungen bisher allerdings nicht.

Ziel von Dieben: Flaschen mit Desinfektionsmitteln im Krankenhaus. Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services
Ziel von Dieben: Flaschen mit Desinfektionsmitteln im Krankenhaus. Foto: Olaf Ziegler / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Beim Versuch, sich vor dem neuartigen Coronavirus zu schützen, greifen manche Menschen mittlerweile auch zu kriminellen Mitteln. Aus einer Klinik im Rheinland ist zu hören, dass Unbekannte Schutzmasken gestohlen haben, die für Besucher der Krebs-Station bestimmt waren. In drei Krankenhäusern am Niederrhein wurden sogar Desinfektionsflaschen aus den öffentlichen Spendern entwendet. Der Zusammenhang mit dem Coronavirus sei offensichtlich, erklärte ein Sprecher.

Zahnärzten droht ohne Mund- und Nasenschutz die Kurzarbeit

Zahnärzte bekommen die Folgen von Corona ebenfalls zu spüren. Sie müssen – unabhängig vom aktuellen Virus – bei der Arbeit stets Mund- und Nasenschutz tragen. Der schützt zwar nicht vor Erregern wie Corona, ist in den letzten Wochen von den Menschen in Deutschland so oft gekauft worden, dass nahezu alle Reserven aufgebraucht sind.

Eine letzte Charge habe man noch kriegen können, heißt es aus einer Praxis in der Nähe von Dortmund. Die reiche für maximal vier Wochen. „Wenn dann nichts nachkommt, müssen wir vorübergehend schließen“, fürchtet eine Ärztin. Die Zahnärztekammer Nordrhein bestätigt dieses Befürchtungen nach Anfrage beim Robert Koch Institut:„Behelfslösungen für Zahnärzte“, hat man dort klar gestellt, „gibt es nicht.“