Ruhrgebiet. An den Bahnhöfen wird es voller und enger. Forscher wollen untersuchen, wie sich gefährliches Gedränge vermeiden lässt. Sie suchen Test-Drängler.
Der Dortmunder Hauptbahnhof ist ein gutes Beispiel, weil es da so schlimm ist. Zu Stoßzeiten kommen die Reisenden kaum die Treppen von den Bahnsteigen herunter, geschweige denn hinauf; und wo sich die Wege von Bahn- und U-Bahn-Fahrern kreuzen, kann man sich eigentlich nur wundern, dass noch nichts Schlimmes passiert ist. So ein Gedränge!
In Dortmund wird sich das hoffentlich ändern mit dem Umbau des Bahnhofs, der 2018 begonnen hat. Aber insgesamt wird das Problem wachsen. Denn die Zahl der Bahnreisenden steigt seit Jahren, 2,6 Milliarden Passagiere gab es 2018 und allein im Fernverkehr fast 150 Millionen Kunden. Schätzungen sagen: Im Jahr 2030 werden es 200 Millionen sein. Wo sollen die hin?
Teilnehmer müssen bereit sein, sich Enge und Gedränge auszusetzen
Die zukünftige Sicherheit am Bahnhof ist eine Frage, die auch Sozialpsychologen der Ruhr-Universität Bochum und Simulationsforscher des Forschungszentrums Jülich bewegt. Sie suchen für Anfang März bis zu 1500 Probanden, die bereit sind, sich Enge und Gedränge auszusetzen. Vor laufenden Kameras und unter den Augen der Wissenschaftler, versteht sich.
Sie wollen schauen, ob und wie man Szenarien vorbeugen kann, die Fachleute bereits heraufbeschwören: „Bahnhöfe, die dem Ansturm nicht mehr gewachsen sind . . . Risiken für gefährliches Gedränge auf dem Bahnsteig . . . Stauungen an Treppen oder in Unter- und Überführungen . . . Stürze ins Gleisbett.“ Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt. Darauf schauen auch die Deutsche und die Schweizer Bahn, die Kölner Verkehrsbetriebe und die Bundespolizei.
„Ab wann empfinden Menschen körperliche Nähe als unangenehm und stressig?“
In Hallen der Messe Düsseldorf werden daher Anfang März Bahnsteige, Treppen und Zugtüren nachgebaut sein. Die Teilnehmer bekommen zur Aufgabe, sich wie an Bahnhöfen zu bewegen, Züge zu betreten und zu verlassen. „Hierbei können zeitweise hohe Dichten und Drücke zwischen den Probanden auftreten. Oder anders gesagt: Bei vielen Personen auf wenig Raum kann es auch mal eng werden“, heißt es in einer Mitteilung des Forschungszentrums Jülich.
Beteiligt ist auch ein Team um die Psychologin Dr. Anna Sieben von der Ruhr-Universität. Sie erhofft sich Antworten auf Fragen wie: „Was passiert, wenn sich alle an die soziale Norm halten, zuerst aussteigen zu lassen? Was, wenn einzelne diese Norm missachten? Nutzen Menschen den Bahnsteig anders, wenn sie durch die Nutzung eines Handys abgelenkt sind? Ab wann empfinden Menschen die körperliche Nähe zu anderen beim Warten und beim Gehen als unangenehm und stressig?“
Um letzteres zu ergründen, tragen die Teilnehmer Messgeräte am Körper, die Stress anzeigen: den Herzschlag zum Beispiel, die Hautleitfähigkeit, die Schweißproduktion. Ziel des Experimentes ist es, zu baulichen Lösungen für mehr Menschen zu kommen und neue Raumnutzungskonzepte zu entwickeln, da viele Bahnhöfe nicht mehr vergrößert werden können. Für Belastungsspitzen soll auch ein besseres Management für die Führung von Menschenmassen entwickelt werden.
Zeitplan und Anmeldung
Die Experimente finden vom 3. bis 6. März statt, täglich in der Zeit von 8.30 bis 17 Uhr. Interessierte, die mindestens 18 Jahre alt sein müssen, können sich als Proband oder als Helfer bewerben. Sie bekommen eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro pro Tag sowie einen kleinen Mittagsimbiss und Getränke.
Informationen zur Teilnahme und die Anmeldung gibt es auf der Internet-Seite des Projekts unter www.croma-projekt.de/croma-projekt/Anmeldung.