Ruhrgebiet. Fahrschulen sind voll wie lange nicht mehr. Das liegt nicht nur an Migranten, die den Führerschein wollen. Sorge bereitet den Betreibern anderes.

Die Behauptungen geistern derzeit durch die sozialen Netzwerke. Fahrschulen, heißt es da, würden von Flüchtlingen förmlich überrannt. Noch dazu von Flüchtlingen, denen der deutsche Staat die Fahrausbildung bezahle. So groß sei der Andrang, dass für deutsche Kunden weder Fahrstunden noch Prüfungstermine zu bekommen seien. Rainer Zeltwanger schüttelt verständnislos den Kopf, wenn er so etwas hört. „Das ist alles völliger Unsinn“, sagt er. Und Zeltwanger muss es wissen. Er ist Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Fahrschulunternehmen.

Befürchtungen sind nicht wahr geworden

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Die Prognosen der vergangenen Jahre waren auch eher besorgniserregend. Junge Leute, lauteten sie, hätten gar kein Interesse mehr daran, den Führerschein zu machen, würden viel lieber mit Bus und Bahn fahren oder das Rad nehmen.

Kaum jemand kennt solche Befürchtungen besser als Friedel Thiele, 1. Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen. „So schlimm ist es aber nicht gekommen.“ Zumindest nicht überall. „In eher ländlichen Regionen machen immer noch knapp 50 Prozent der jungen Leute den Führerschein mit 17 Jahren.“ Doch selbst in Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet ist das Geschäft nicht überall eingebrochen. Im Gegenteil.

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„Wir haben schon schlechtere Zeiten erlebt“, erinnert sich Hermann Hermanski, der in Essen sechs Fahrschulen betreibt. In manchen Gesellschaftsschichten, das bestätigen viele Fahrlehrer, seien Auto und damit auch der Führerschein „extrem wichtig.“ Nicht unbedingt, um von A nach B zu kommen, sondern als Status-Symbol.

Erstattungsregelung gilt auch für Deutsche

Nun kommen noch die Flüchtlinge der vergangenen Jahre hinzu. Zum einen die, die noch nie eine Fahrerlaubnis hatten. „Die bekommen die Kosten für ihren Führerschein tatsächlich teilweise von der Agentur für Arbeit erstattet, wenn sich dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern“, bestätigt Zeltwanger. „Aber das hat nichts damit zu tun, dass sie Flüchtlinge sind. Die Regelung gilt auch für Deutsche. Die gilt für alle.“

Dann sind da noch die Migranten, die die Fahrschulen „Umschreiber“ nennen. Führerscheine aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan etwa, werden in Deutschland nicht anerkannt. Ihre Besitzer müssen zwar nicht die sonst vorgeschriebene Zahl von Fahr- und Theoriestunden nehmen, sie müssen aber die Fahrprüfung noch einmal ablegen. Und dafür brauchen sie einen Fahrlehrer, der sie für „prüfungstauglich“ erklärt.

Lücke zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlichem Können

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Ein heikles Thema. Nicht nur, weil die Sprachkenntnisse manchmal nicht ausreichen. Oft klaffen auch Selbsteinschätzung und Fahrlehrermeinung weit auseinander. „Manche fahren wie in ihrer Heimat“, sagt ein Fahrlehrer aus dem Revier, der ungenannt bleiben möchte. „Das kann dann schon mal schwierig werden“ – vor allem bei beratungsresistenten Schülern. „Die lassen sich nichts sagen.“ Stattdessen wechseln sie, erzählt der Lehrer, so lange die Fahrschule, bis sie jemanden finden, der sie zur Prüfung anmeldet, um seine Ruhe zu haben. „Die meisten schaffen die Prüfung dann natürlich nicht.“

Rainer Zeltwanger kennt solche Geschichten. „Aber sie allein können bundesweite Durchfallquoten von fast 40 Prozent nicht erklären“, stellt er klar. Schon weil etwa in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern sogar mehr als 40 Prozent durch die Prüfung fallen. „Und da gibt es so gut wie keine Flüchtlinge in den Fahrschulen.“

Nicht bestandene Prüfung kann auch Geschäftsmodell sein

Theoretische Prüfung am Tablet. Über 1000 Fragen können da auftauchen.
Theoretische Prüfung am Tablet. Über 1000 Fragen können da auftauchen. © picture alliance / Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa | Bernd Wüstneck

Die Prüfung sei schwieriger geworden, räumen viele Fahrlehrer ein. Unter anderem wegen der Videosequenzen, aus den sich einige Fragen ergeben. Da könne man nichts mehr auswendig lernen. „Man müsse, fordert Zeltwanger dann auch, an den über 1000 Fragen der Theorieprüfung arbeiten. Da ist echter Schwachsinn dabei, da muss man mal ausmisten.“ Und dann sind da auch noch einige schwarze Schafe in der Branche. „Fahrschulen, bei denen nicht bestandene Prüfungen zum Geschäftsmodell gehören“, nennt sie Zeltwanger. Weil sie so mehrfach Prüfungsgebühren kassieren können. Gibt es, bestätigen viele Fahrlehrer hinter vorgehaltener Hand, sagen aber auch: „Das sind nur wenige.“

All das macht die Fahrschulen voller, Engpässe bei der Ausbildung aber, verursacht es nicht. Die entstehen „in einigen wenigen Ausnahmefällen“ durch zu wenig Fahrlehrer. „Es fehlt uns immer mehr an Nachwuchs“, gibt Zeltwanger zu. Vielen Kunden ist es allerdings angeblich auch egal, wenn es länger dauert, bis man den Führerschein hat. Es kommt ihnen manchmal sogar gelegen. „Die jungen Leute“, hat Herman Hermanski immer wieder festgestellt, „haben heutzutage gar keine Zeit mehr, um die Fahrstunden schnell durchzuziehen.“

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