Bochum. Es gibt nichts, was er nicht kaputt kriegt. Warum Wolfgang Stabe es immer wieder in TV-Sendungen krachen lässt.
Wenn es kracht und knallt im deutschen Fernsehen, dann ist Wolfgang Stabe meist nicht weit. Der professionelle Pyrotechniker aus Wattenscheid jagt in die Luft, was das Drehbuch hergibt. Und die richtigen Waffen für TV-Polizei wie für -Verbrecher, die kann er auch gleich mitliefern.
Pistolen? Wolfgang Stabe lächelt. „So viele Sie brauchen.“ Gewehre? „Natürlich.“ Auch alte? Stabe verschwindet nach hinten, um Sekunden später mit einer Muskete im Arm wieder zu kommen. „Meinen Sie so was.“ Stabe lächelt wieder. „Ich kann alles besorgen.“ Zumindest, wenn es eine Waffe ist. Oder Sprengstoff. Stabe darf auch alles besorgen. Denn der 63-Jährige ist nicht nur Pyrotechniker, sondern auch Waffenmeister und –händler sowie Büchsenmacher.
Sandburgen und Panzerwagen in die Luft gejagt
Begonnen hat alles in den 1980er-Jahren. „Als immer mehr Theater ihre Requisiteure abschafften. Stattdessen rufen sie beim Waffenhändler an, wenn eifersüchtige Ehemänner oder hinterhältige Mörder auf der Bühne eine Pistole benötigten. „Herr Stabe, können Sie helfen? Und weil Stabe immer kann, kommen die Anrufe bald auch vom Fernsehen. Tatort, Action-Kracher auf RTL oder die Infotainment Show Galileo auf Pro7 – in mehr als 1000 Filmen oder Einspielern hat Stabe es nach eigener Schätzung krachen lassen in den vergangenen 30 Jahren.
Was für verrückte Sachen waren dabei. Sandburgen hat er in St. Peter Ording die Luft gejagt, was schwieriger ist, als es klingt, zumindest wenn professionelle Burgenbauer sie gebaut haben. Weil deren Gemisch aus Sand und Wasser die Energie förmlich aufsaugt. „Am Ende hat es aber doch geklappt“, sagt Stabe. Genau wie bei den Geldtransportern, deren Widerstandsfähigkeit er für das Fernsehen getestet hat. Das Schwierigste daran war, überhaupt an solche Transporter zu kommen, aber: „Ich kannte da einen, der hatte ein paar ausrangierte Modelle.“
Attentat auf Hitler nachgestellt
Eines der aufwendigsten Experimente war die Nachstellung des Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944. „Ein Sender wollte wissen, was passiert wäre, wenn Stauffenberg nicht nur einen sondern beide Blöcke des Sprengstoffes mitgenommen hätte, den er besaß.“ Neun Monate hat Stabe recherchiert, hat die Örtlichkeiten nachgestellt. Dann hat er einen nahezu identischen Sprengstoff gezündet und wenig später waren Experten sich einig: „Bei der doppelten Menge wäre Hitler tot gewesen.“
Auch 1000 Flaschen Sekt hat Stabe hochgehen lassen. Gleichzeitig. Nicht mit Sprengstoff, mit Mentos und einer von ihm erfunden Vorrichtung, die die Kaubonbons in die Flaschen fallen lässt. „Eine schöne Sauerei war das.“ Und dann gab es da noch die sieben Tonnen Feuerwerkskörper, die er im TV-Auftrag auf einem ehemaligen – weiträumig abgesperrten – Kasernengelände mit nur einer Lunte gleichzeitig entzündet hat. Das sei dann ein klein wenig aus dem Ruder gelaufen, räumt Stabe bei der Betrachtung der Bilder von eiligst davonrennenden Mitarbeitern und Feuerwehrleuten ein. „Aber es ist ja nichts passiert.“
Gefährliche Dreharbeiten in der Karibik
Anders als bei einem seiner größten Aufträge in der Karibik. Wo ein auf Dokumentationen spezialisierter Sender die Schlacht von Tobago aus dem Jahr 1677 nachstellen ließ. Mit vielen Kanonen und brennend sinkenden Schiffen. Mit „großem Besteck“ ist Stabe angereist, hat von einer Spezialfirma und mit Sondergenehmigung tonnenweise Ausrüstung – also Waffen und Sprengstoff – einfliegen lassen auf die Insel, auf der jede Art von Pyros „grundsätzlich verboten“ sind. Ausgerechnet bei diesem Dreh hat es Stabe zum ersten und bisher einzigen Mal erwischt. Weil die Technik streikte, Rauchpulver durchzündete und die Flammen ihn verbrannten. „Ein Alptraum. Zum Glück trug ich Schutzkleidung und hatte einen eigenen Arzt dabei“, erzählt er und zeigt auf seine Arme. „Ist nichts Schlimmes zurückgeblieben.“
Zu Silvester im Feuerwerk-Einsatz
Es hätte jedenfalls schlimmer kommen können. Und das wird auch wieder in der Silvesternacht. Nicht bei Profis wie Stabe aber bei den vielen Amateuren, die nicht zufrieden sind mit dem, was sie frei erwerben können seit Samstag. Junge Männer meist, die bei Stabe ins Geschäft kommen und fragen: „Hast du nicht mal was Richtiges für mich?“
Stabe wirft sie nach eigenen Angaben raus, aber natürlich finden sie andere Stellen, um an illegale Kracher zu kommen. „Die so genannten Polenböller gibt es immer noch“, weiß der Pyrotechniker. „Und sie werden immer größer.“ Irgendwo, fürchtet Stabe, „wird wieder etwas Schlimmes passieren.“
Zu Silvester muss Stabe arbeiten - immer
Er selbst wird den Jahreswechsel nicht feiern. Er wird arbeiten, wie seit Jahren und wie alle in der Firma. Vier große Feuerwerke werden sie zünden. In Oberhausen, auf der Wasserburg Kemnade, in Gescher und in Bad Driburg. Dort lässt es Stabe selbst krachen. Klar, es ist Arbeit aber es macht ihm Spaß. Und die TV-Engagements? Die sollen weitergehen sagt Stabe und weiß auch, warum. „Im Kaputtmachen bin ich der Größte.“