Ruhrgebiet. Gut 70 Rathäuser bewerben sich, das schönste Rathaus in NRW zu sein. Das Land will so die Demokratie ehren. Doch auch Kurioses kommt ans Licht.
Das hätte sich die städtische Auszubildende Elena Salzmann auch nicht träumen lassen, dass sie einmal eine Bürgerin im Rathaus würde spielen müssen. Die einen neuen Personalausweis braucht. Und auch ihre Kollegin Jennifer Kureck, die den Antrag entgegen nehmen sollte, also, im Film, bekam genaue Anweisungen der Regie: „Sie müssen auf jeden Fall immer ganz lieb lächeln.“
Gedreht wurde Anfang Dezember in Werdohl im Sauerland, und die Inszenierung war sozusagen regierungsamtlich: Denn im Auftrag des NRW-Heimatministeriums sind jetzt einminütige Videos entstanden, die gut 70 Rathäuser in Nordrhein-Westfalen ins beste Licht setzen sollen und nach und nach im Internet auftauchen. Offenbar ein einziges Land des Lächelns.
Paderborns Rathaus ist von 1613, Ratingens von 2019
Der Grund: Das Heimatministerium hat einen Wettbewerb ausgerufen. „Wo steht das schönste Rathaus in NRW?“, heißt er. Bürger konnten Vorschläge machen, die gut 70 gingen ein, und damit die Nordrhein-Westfalen sich ein Bild machen können von den Teilnehmern, entstanden die Videos. Nun treten Gegensätze an wie das nordöstliche Detmold und das südwestliche Aachen, und Paderborns Rathaus von 1613 ist ebenso im Rennen wie das von Ratingen, Baujahr 2019.
Da darf das Ruhrgebiet natürlich nicht fehlen. Gelsenkirchen und Recklinghausen sind vorgeschlagen worden, Dortmund und Hamm, Wetter und Herdecke und aus der allernächsten Umgebung Heiligenhaus – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
„Wir haben immer noch einen Paternoster“
Und so kommt es, dass in seinem Video der Recklinghäuser Bürgermeister Christoph Tesche sagt: „Natürlich ist unser schönes Rathaus das schönste“. Und sein Dortmunder Kollege Ullrich Sierau in seinem: „Wir haben das schönste Rathaus.“ In Dortmund nenne man es „unser Bierkasten“. Schön! Andere verweisen in ihrem 55 Sekunden Film auf Besonderheiten: „Wir haben immer noch einen Paternoster“, sagt der Oberbürgermeister von Wuppertal.
Ungenannt bleibt an dieser Stelle jener Kollege, der einen Satz verstolpert: Das Rathaus, sagt er in die Kamera, habe „ein Herz im Platz der Bürger“. Dass das online so durchgeht, spricht, ehrlich gesagt, nicht dafür, dass das Heimatministerium den Wettbewerb wirklich ernst nimmt.
Das Rathaus von Datteln steht verkehrt herum
Dabei soll er doch, so das Ministerium selbst, „die ehrenamtliche Arbeit in der Kommunalpolitik und die demokratischen Institutionen auf lokaler Ebene“ würdigen. Und durch die Architektur der Rathäuser auch „das historisch-kulturelle Erbe“.
Im Rennen ist auch Datteln, nicht zu Unrecht, aber das Haus ist auch ein Kuriosum. Denn wer es entschlossen umrundet, stellt irgendwann fest: Es steht verkehrt herum. Die repräsentative Fassade schaut in ein Wäldchen, wohingegen auf der Seite zur Innenstadt hin nur zwei Türen von geringer Bedeutung auffallen sowie ein Unterstand mit Aschenbecher.
Der Sieger bekommt einen Titel, aber kein Geld
Und doch war die Ausrichtung Absicht: Denn als Amtmann Rudolf von Bülow Anfang des 20. Jahrhunderts den Bau verantwortete, ging alle Welt davon aus, der Schwerpunkt der aufstrebenden Stadt Datteln werde sich auf der anderen Seite entwickeln, der vorzeigbaren. Stattdessen: Bäume.
Bis Ende Februar sollen alle Videos im Netz sein. Bisher deuten die Klickzahlen darauf hin: Rathausfilme sind keine Katzenvideos, eher das Gegenteil. Aber egal: Danach können die Bürger online abstimmen, da werden die Chancen von Düsseldorf – 600.000 Einwohner – vermutlich größer sein als die von Rödinghausen – 9800 Einwohner. Ministerin Ina Scharrenbach gibt auf dem Heimatkongress Ende März in Wuppertal den Sieger bekannt. Geld winkt ihm nicht, wie auch, man sagt ja geradezu sprichwörtlich: Geld winkt nicht. Es gibt nur den Titel. Dabeisein ist alles. Immer nur lächeln.