Ruhrgebiet. Eine neue Autobahn in Hessen verkürzt demnächst die Fahrt ins Revier erheblich. Anlieger befürchten mehr A40-Verkehr. „Straßen NRW“ verneint das.
Der Verkehr auf der A40 könnte in den 2020er-Jahren nochmals deutlich zunehmen, befürchten Anlieger und Initiativen. Der Grund ist der Neubau von 70 Kilometern Autobahn 44 zwischen Hessen und Thüringen, wodurch die Strecke ins Ruhrgebiet erheblich kürzer und attraktiver wird.
„Im weiteren Verlauf verteilt sich der Verkehr auf die A40 und die A42“, heißt es beim Bundesverkehrsministerium auf Anfrage unserer Redaktion. Und weiter: „Für den grenzüberschreitenden Fernverkehr ist die A40 dabei die wichtigste Verbindung.“
Der Landesbetrieb „Hessen mobil“ erwartet, dass „innerhalb Deutschlands die aus dem Ruhrgebiet kommende Autobahn eine wichtige Verbindungsfunktion in West-Ost-Richtung wahrnehmen wird“. Die Strecke verbinde „die Benelux-Staaten im Westen mit Polen sowie den Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Osten“.
A40: Kreuz Bochum wird ausgebaut auf bis zu zehn Spuren
Widerspruch kommt vom Landesbetrieb „Straßen NRW“. Nach seinen Prognosen werde „der Transitverkehr auf der A40 in Bochum und Dortmund nicht maßgeblich anschwellen“. Dasselbe gelte für die Zahl der Lkw.
Ähnlich urteilt der „Verband Spedition und Logistik“: Der Verkehr zwischen Ost und West werde durch die neue Verbindung zwar umgeschichtet, aber gerade der Fernverkehr werde das Ruhrgebiet weiter auf den Autobahnen 1 und 2 umfahren, so sein Vorstand Rüdiger Ostrowski.
Die A44 mündet, von Hessen kommend, in Dortmund in die B1 und die A40 ein. In Richtung Unna hat deren Ausbau auf sechs Spuren bereits begonnen, in Richtung Bochum ist er gerichtsfest geplant und soll Mitte der 20er Jahre anfangen. Dann entsteht zunächst ein deutlich größeres Bochumer Kreuz (40/43) mit abschnittsweise bis zu zehn Fahrspuren. Im „Bundesverkehrswegeplan 2030“ hat die Strecke die „Verbindungsfunktionsstufe 1“, die definiert ist als „Verbindung zwischen Oberzentren und Metropolregionen“.
Als Engpass bleiben gut drei Kilometer B1 südlich der Dortmunder Innenstadt, wo die Strecke eine Stadtstraße ist mit Tempolimit 50. „Der Durchbau als A40 ist im Moment die Ultima Ratio“, fürchtet Otto Schließler von der Initative „B1 Dortmund plus“, in der sich frühere Amtsleiter und Architekten zusammengetan haben. Sie fordern, stattdessen die Umfahrungsmöglichkeiten auf Autobahnen um Dortmund herum auszubauen. „Die Dortmunder müssen aus Selbsterhaltungsgründen den Ring stärken.“
A40 soll sechsspurig „fit für die Zukunft“ werden
„Straßen NRW“ betont hingegen, dass am Umbau der B1 „derzeit nicht gearbeitet wird“. Der Ausbau der anschließenden A40 auf sechs Spuren erfolge nur, um „die schon heute stark überlastete A40 fit für die Zukunft zu machen“. Bestimmte Abschnitte in Bochum stellten „unsere Planer vor Herausforderungen“. Vor allem in den Stadtteilen Hamme und Grumme steht die Bebauung teilweise sehr nah an der alten, nur vierspurigen A40.
Geschehen ist bereits einiges: die Freigabe eines neuen Stückes Autobahn zwischen Hessisch-Lichtenau und Waldkappel. Politiker zerschnitten dort ein symbolisches Band, Gäste durchmaßen einen neuen Tunnel, und seitdem hat die A44 in Osthessen einen 18 Kilometer langen Abkömmling, der befahren wird, aber noch nicht angebunden ist. Wegen der hohen Naturschutzauflagen entsteht hier gerade die teuerste Autobahn der Welt: 70 Kilometer für 1,8 Milliarden Euro.
Schwerverkehr spielt auf der A40 bisher keine große Rolle
Man sieht es schon an solchen Summen: Das Vorhaben ist überaus ernst zu nehmen, auch im Ruhrgebiet. Denn wenn die A44 hier, zwischen Kassel und Eisenach, erstmal fertig ist, dann rückt Osteuropa durch diese neue Abkürzung über 30 Autobahnkilometer näher ans Ruhrgebiet. Wird die wichtigste Autobahn des Ruhrgebiets damit zur Fernstrecke für Laster aller Art?
Bisher gilt sie zwar als sehr voll und relativ unfallarm, aber Schwerverkehr spielt auf der A40 nur eine kleine Rolle: Er liegt bei 9 Prozent aller Fahrzeuge, auf der regionalen A42 schon bei 15 Prozent, auf der überregionalen A2 sogar bei 18,5 Prozent.
Bund hat den Ausbau als dringlich eingestuft
Dazu passt: Den sechsspurigen Ausbau in Bochum und Dortmund hat das Bundesverkehrsministerium als „Vordringlichen Bedarf (Engpassbeseitigung)“ eingestuft, dringlicher geht es nicht. Interessanterweise hatte zuvor Nordrhein-Westfalen ihn nur als „Weiteren Bedarf“ angemeldet: Das war Verkehrsplanerdeutsch und bedeutete St. Nimmerlein – bis zur Änderung.
Der frühere Lehrer Johannes Habich ist der wahrscheinlich beste Kenner der A40 abseits der Straßenverwaltung. Für ihn ist die Transitstrecke A40 bereits ausgemachte Sache, er hält Vorträge darüber: auf eigenen Veranstaltungen, auch vor geschichtsinteressierten Kreisen oder Bürgerversammlungen. „Es ist ja auch vorgesehen, die 42 und die 43 sechsspurig auszubauen. Dann haben sie eine Feinstaub- und Lärmbelästigung in Hamme, da helfen Ihnen die Schallschutzwände auch nichts mehr.“
„Mit so wenig Einschnitten wie möglich auf den Grundstücken arbeiten“
Hamme und Grumme sind Vororte von Bochum, und tatsächlich sind hier die Probleme der Verbreiterung am größten. Was wird aus dem vierspurigen Grummer Tunnel? Wohin mit Möbelhaus und Tankstelle, mit Discounter und Autobahnkirche, mit Bordell und einzelnen Wohnhäusern, die in Hamme teilweise sehr nah an der Trasse stehen?
„Über Auswirkungen kann noch niemand etwas sagen“, sagt ein Sprecher der Stadt Bochum: „Es ist einfach zu früh.“ Allerdings hat die Stadt die Bezirksbürgermeister Mitte, Nord und Ost bereits informiert, was da kommt; und „Straßen NRW“ lud zu einer ersten Bürgerversammlung. Tenor: „Wir werden mit so wenig Einschnitten wie möglich auf den Grundstücken arbeiten“, so Projektleiterin Carola Ziebs.
„Sechsstreifige Autobahnen, die Druck machen“
In Dortmund weiß Otto Schließler von der Initiative „B1 Dortmund plus“, der frühere Leiter des Stadtbahnbauamtes, natürlich, wie speziell Autobahnbauer so lange Stückwerk liefern, bis daraus Sachzwang wird. Motto: In Gottes Namen, verbinden wir die beiden fertigen Abschnitte also doch noch. Der Umbau der Dortmunder B1 zur Autobahn steht im Plan zwar nur als „Weiterer Bedarf“, also vorgesehen für irgendwann mal; hat sich aber im letzten Planungsstadium ebenfalls verändert: von einem vier- zu einem sechsspurigen Vorhaben, so Schließler.
Der Umbau wäre „die Zerstörung der Stadtachse und der Stadtallee“, sagt Schließler. Ein „Nadelöhr B1“ erkennt auch er, eingerahmt von „sechsstreifigen Autobahnen, die Druck machen“. „Und es gibt bestimmt bei manchem Baukollegen die Taktik, zu sagen, die werden dann schon weich“, sagt der alte Fachmann.