Dortmund. Goldschmiede-Kurse sind beliebt: Hier können Laien unter Anleitung ihren Schmuck selbstmachen – oder den von Oma zu neuen Stücken verarbeiten.
Die Hitze des Feuers löst alles auf. Den Freundschaftsring aus Kindertagen, der nicht einmal mehr an den kleinen Finger passt. Das Armbändchen von der englischen Freundin der Familie. Den Kettenanhänger mit dem Anfangsbuchstaben der ersten Liebe. Eine Handvoll Silber (der Ring der Tante war nichts wert), ein Häufchen Erinnerungen, geschmolzen zu Material für etwas Neues. „Nur Zugucken ist langweilig“, hat der Goldschmied gesagt über seinen Kurs. Was nicht stimmt, aber Mitmachen ist so schön wie der Schmuck, der an diesem Tag entsteht.
„Wie dick sind die Hälse von Teenagern?“ Ein großes Fragezeichen hängt über den Werkbänken, sieben Händepaare greifen sich selbst an die Kehle, es kommt natürlich auf die Teenager an. Susanne macht Ketten für ihre Töchter, sie dürfen nicht zu kurz sein und nicht zu lang, und an ihr Ende kommt das Zeichen für Unendlichkeit. Das Silber dazu stammt aus einem alten Armreif. Die liegende Acht ist nicht ganz gleichmäßig geworden, Susanne, 52, rümpft die Nase. „Das Leben“, sagt Reinhold Willeke, „ist aber auch nicht gleichmäßig.“
Meister schickt die Schülerin zurück ans Schmirgelpapier
Es wird viel gelacht in seinem Goldschmiede-Kurs, in dem sie alle Wiederholungstäter sind an diesem Samstag, aber auch ein bisschen gejammert: „Zähneputzen ist einfacher“, hat Ela gerade gesagt, da hatte der Meister sie zurückgeschickt ans Schmirgelpapier. „Das ist mir nicht gründlich genug, so kommst du mir nicht davon!“ In einer Ecke feilt eine Kursteilnehmerin an einem Ring, das Altgold hat Riefen und wird und wird nicht glatt. Christa braucht gerade „eine schöpferische Pause“, die Kettenglieder kommen nicht in Form. Auch Ela in ihrer Ecke seufzt: „Man wächst mit seinen Aufgaben.“
So hocken sie, die Köpfe tief gebeugt über die hölzernen Werkbänke, in denen die Sägen Kerben hinterlassen haben und glühende Ringe dunkle Abdrücke, etwas Silberstaub auf der Nase, die Hände rot von der Arbeit. „Hier kann ich mich kreativ ausleben“, sagt Susanne, die heute auch noch einen Ohrring in einen Fingerring verwandeln wird, „alles um mich herum vergessen.“
Pinneken biegen, Stecker dran, Kreole!
Und später werden die Leute draußen fragen: Hast du das wirklich selbst gemacht? Susanne sagt, „das macht total Spaß, man geht mit etwas Geschaffenem nach Hause.“ Immer, das ist der „sportliche Ehrgeiz“ für den Goldschmied: am Ende des Tages fertigzuwerden, obwohl er arbeitet an sieben, acht Teilen zugleich. „Ihre Träume und Ideen werden zu unvergleichlichen Schmuckstücken“, steht an der Wand.
Ela war auch schon häufig da, sie hat einen „Trinity“-Ring nachgemacht, „der ist im Laden ja nicht zu bezahlen“, heute will sie aus einer alten Uhrenkette eine lange Kette zaubern. Nur ist sie erst zu breit, dann zu schmal, Ela, 55, hätte es gern „elagant“. Da hat es Frauke einfacher mit dem Geschmeide für die Ohren: „Pinneken biegen, Stecker dran, Kreole!“ Schon naht der „Lötdoktor“ mit seinem „Zahnarztwerkzeug“, sieht wirklich so aus.
Kannst du mal, guckst du mal, was muss ich jetzt machen?
Und der Ring aus dem Silber des heimischen Schuckkästchens: Ist nun doch eigentlich zu breit. Wäre für den Ringfinger doch eigentlich schöner. Und wäre nicht eigentlich ein Stein...? „Es ist ein Prozess“, sagt jemand von den alten Hasen. „Du bist nicht die Einzige, die ihr Programm umschmeißt“, sagt Willeke. Der einzige Mann in der Runde schmeißt nichts um. Thomas sitzt schon den vierten Kurs-Samstag still in seiner Ecke, er macht eine schwere Kupferkette, ganz allein. Keine Fragen. Gegenüber stehen fünf Frauen im Kreis hinter ihrem Meister: „Kannst du mal, guckst du mal, was muss ich jetzt machen?“
„Ausglühen, ablöschen, weiterarbeiten“, die Hand ist kraftlos, das inzwischen siebte Sägeblatt zersprungen, das Stück Sterlingsilber trotzdem schief abgesägt. Jemand scherzt: „Es gibt Meistersägeblätter und Schülersägeblätter“, letztere sind die, die dauernd kaputt gehen. Und Marjoree kriegt die Ohrringe nicht rund. „Es gibt Tage“, sagt sie, „da bricht alles ab, obwohl man alles richtig macht.“ Reinhold Willeke aber lacht: „Heute Nachmittag“, sagt der Meister, „operieren wir den Finger. Wenn der Ring nicht passt, müssen wir ihn eben anpassen.“
„Bisschen Schwund ist immer“
Überhaupt trägt man heutzutage „eher zwei filigrane Ringe als einen dicken“, weiß Reinhold Willeke von seinen Schülerpraktikanten, die er auch deshalb regelmäßig nimmt: „Ich muss mit der Zeit gehen.“ Also wird der Ring gedrittelt, das heißt Sägen der Länge nach. Es dauert lange, die Schulter schmerzt, irgendwann ist das Silber durch, die Haut leider auch. Irgendwo bei den Steinen („Ich bin steinreich“, hat der Goldschmied gesagt) liegen in einer Schublade auch Pflaster. „Bisschen Schwund ist immer“, sagt Willeke und führt zur Ringbiegemaschine.
Ela mag das Zieheisen lieber. Sie übt sich gerade an der „Flexibilität des Schmuck“, sie sägt zwei Ringe, die ein Zwilling waren, wieder auseinander. In der Ecke wird immer noch am Altgold gefeilt. Irgendwann am Nachmittag verliert Susanne die Fassung. „Die ist nicht weg, die ist nur woanders“, macht jemand einen flachen Witz und kriecht ungefähr auf dem Niveau über den Boden. „Wir finden alles!“, tröstet Marjoree, es springt ja dauernd irgendetwas durch die Werkstatt, Ringe rollen, und Fassungen sind natürlich weniger als winzig. „Dein Ring braucht auch eine“, sagt Willeke beiläufig, „wenn du gern kleinteilig arbeitest, kannst du schon mal...“ Nein!
Zum Schluss polieren oder mattieren
Trotzdem findet das Stück schon Zustimmung, „fängt an, schön zu sein“. Er wird am Ende des Tages tatsächlich fertig. Wie die Kreolen von Frauke, die Ketten und der Mondsteinring von Susanne, die Ohrringe für die Freundin von Marjoree. Ab in die Beize, „polieren, mattieren“, da ist es schon eine Viertelstunde über die Zeit. Nur die Ketten von Christa und Thomas, die werden noch ein paar Samstage brauchen.
>>INFO: GOLDSCHMIEDE- UND PERLENKURSE IM RUHRGEBIET
Viele Gold- und Silberschmieden in beinahe jeder Stadt im Ruhrgebiet bieten inzwischen Kurse für Laien an. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Die Experten geben Hilfestellung beim Feilen, Sägen, Biegen, informieren auch über Materialien und deren Verarbeitung. Das Edelmetall wird meist nach Tageskurs berechnet. Teilnehmer können aber auch Stücke aus der eigenen Schmuckschatulle mitbringen, Erbstücke oder solche, die sie nicht mehr tragen. Die werden dann eingeschmolzen, verrechnet oder gleich zu neuen Schmuckstücken verarbeitet – für viele eine schöne Erinnerung an Eltern oder Großeltern. Sehr beliebt sind auch Trauringkurse: Künftige Ehepaare schmieden ihre Trauringe selbst, schreiben ihre Namen und das Hochzeitsdatum hinein, die dann ausgefräst werden.
Kurse bei Reinhold Willeke in Dortmund (s. o.) können u.a. über die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung oder die Volkshochschule gebucht werden. Der Goldschmied bietet mehrwöchige Abendkurse oder siebenstündige Tageskurse an Samstagen an. Die Workshops in seiner eigenen Werkstatt kosten je nach Anzahl der Stunden ab ca. 60 Euro, für Sägeblätter, Schmirgelpapier und sonstiges Verbrauchsmaterial werden pauschal 10 Euro erhoben.
Alles so schön bunt hier! In der Perlenwerkstatt „aufDraht“ in Mülheim macht Inhaberin Jutta Tolzmann Lust auf Perlenschmuck. Sie hat ihre eigene Leidenschaft zum Beruf gemacht und alles in ihrem Geschäft, was Kreative für das Selbstmachen von Perlenschmuck brauchen – ein Paradies aus farbenfrohen Kugeln!
Auch Jutta Tolzmann, wie weitere Werkstätten im Ruhrgebiet, bietet Anfängern und Fortgeschrittenen Kurse an, um Schmuckstücke selbstzumachen. In dreistündigen Kursen (12 Euro zuzüglich Material) können Teilnehmer nach Anleitung Perlen aufreihen oder ihre ganz eigenen Werke entwerfen. Kontakt: auf.draht@t-online.de