Düsseldorf. 5500 Aussteller zeigen bei der Medizinmesse „Medica“ in Düsseldorf die besten Erfindungen, um Patienten zu pflegen oder besser noch: zu heilen.

Nach dem Staubsauger-Roboter und dem Rasenmäher-Roboter kommt der „Home Care“-Roboter. Sagt Ulrich Schulze Althoff, der gerade rasant verfolgt wird vom neuesten Produkt seiner Neusser Firma: Gestatten, „Temi“, einer der Stars der weltgrößten Medizinmesse „Medica“, die heute in Düsseldorf beginnt. 5500 Aussteller aus 170 Ländern zeigen, was sie für die Gesundheit erfunden haben.

Temi, strahlend weißer, rollender Bildschirm in relativer Hüfthöhe zu 3500 Euro, macht keine Hausarbeit, aber er passt auf Oma und Opa auf. Erinnert morgens ans Messen von Blutdruck und Zuckerwert, erledigt beides auch gleich selbst. Ruft um Hilfe, wenn es sein muss, und sucht den alten Menschen mit seiner Kamera in der ganzen Wohnung, wenn die Kinder sich Sorgen machen. Allerdings hat sich gezeigt, dass eher noch die Enkelkinder Video-anrufen: für einen Schnack mit den Großeltern. Schulze Althoff sagt, Temi solle sorgen, „dass Senioren länger selbstbestimmt leben können“, auch allein zuhause. (Zur Not und wenn sie sich zu sehr beobachtet fühlen, können sie den Roboter auch einfach ausschalten.)

Schlaganfall-Patienten „spielen“ mit virtueller Brille

Kuscheln mit dem musikalischen Kissen: Anne Apitzsch zeigt eine Erfindung aus Dänemark, die nicht nur Demenzpatienten beruhigen soll.
Kuscheln mit dem musikalischen Kissen: Anne Apitzsch zeigt eine Erfindung aus Dänemark, die nicht nur Demenzpatienten beruhigen soll. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

So wie Temi ist vieles auf dieser Messe digital, mobil und künstlich intelligent. Wie der „PC 100 Posture Control“, ein „smarter Clip“ am Hemdkragen (100 Euro), der seinen Träger und Schreibtischtäter per Vibrationsalarm alle fünf Minuten daran erinnert, dass der sich mal wieder bewegen sollte. Und dass 500 Schritte am Tag zwar fein sind, aber nicht genug. „Klein und unauffällig, aber bewirkt Großes“, sagt Anke Niess. Wie „Moio“, das „intelligente Pflegepflaster“, das gar kein Pflaster ist, sondern ein Sensormodul, das angeblich unfühlbar am Steiß klebt und eher dem Pfleger als dem Gepflegten helfen soll: Selbst bei schwachem Funksignal meldet es, ob ein dementer Patient stürzt, davonläuft oder sich einfach nur im Bett umdreht – damit der Pflegende nicht alle paar Stunden nachsehen muss.

Oder wie die virtuelle Brille, erdacht vom Start-up-Unternehmen Rehago, die Patienten nach Schlaganfällen wieder „schneller ins normale Leben helfen soll“. Die graue Augenmaske kann spielen, rechnen, aus Labyrinthen herausfinden, ihre Anwendungen knüpfen neue Datenverbindungen im Gehirn von Menschen mit halbseitigen Lähmungen oder Aufmerksamkeitsstörungen. So viele Übungen, derzeit noch zehn, bald angeblich 100, kann ein Ergo-Therapeut gar nicht anschaffen und erst recht nicht tragen. Aber mit der VR-Brille überprüfen: Eine App verrät, wie oft der „User“ trainiert hat – was er oft tut, weil ihn Punkte motivieren.

Musikalisches Kissen lindert die Angst vorm Fliegen – oder vorm Zahnarzt

Guillaume Gibert lässt sich von einem Roboterarm massieren. Eine Idee für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern etwas gönnen wollen.
Guillaume Gibert lässt sich von einem Roboterarm massieren. Eine Idee für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern etwas gönnen wollen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Nicht jeder Erfindung aber sieht man ihre Technik an. Ein Unternehmen aus Dänemark etwa kommt mit einem Kissen für 700 Euro netto nach Düsseldorf, Teddy-groß und ähnlich kuschelig, das nicht nur Demenzkranke beruhigen soll. Das Innenleben des bunten Kissens misst über Algorithmen den Grad innerer Erregung, Komponisten lieferten Musikbausteine, die Harmonien, gehört wie gefühlt, sollen die Gefühle ins Gleichgewicht bringen. Hilft bei Alzheimer-Patienten, sagt Martin Wagner, aber auch bei Angst vorm Fliegen, vorm Krankenhaus und vorm Zahnarzt.

Und was Menschen sich nicht noch alles ausdenken, dass es anderen Menschen wohl gehe! Maschinen, die gesunde Meeresluft ins Büro pusten. Einen Massagearm, der liebevoll den Rücken knetet. Eine Kamera, die zur Spiegelung angeblich schmerzfrei in den Darm kriecht, geführt an einem Magneten. Eine Katheter-Untersuchung, die ein Computer (fast) allein übernimmt. Geräte, die den Blutdruck messen ohne Manschette. Laser, die Beinvenen ebenso selbstständig kurieren. Computerspiele für Parkinson-Erkrankte und Ultraschallsysteme für Gynäkologen mit so klingenden wie unaussprechlichen Namen: „Hyper-aperture and Enhanced Reconstruction Architecture“.

Stand-up-Paddeln ohne Wasser hilft dem Gleichgewicht

Das gute alte Kühlpaket – auch zum Wärmen geeignet. Gibt es auf der „Medica“ für alle Körperteile, vom Scheitel bis zur Sohle.
Das gute alte Kühlpaket – auch zum Wärmen geeignet. Gibt es auf der „Medica“ für alle Körperteile, vom Scheitel bis zur Sohle. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann

Für den Laien fühlt sich die Halle 4 da gewissermaßen an wie eine Kur. Bandagen, Kühlpackungen und Laufbänder, hier geht es um Fitnesssport, Therapie für Zuhause und Prävention. Und weniger technischen Schnickschnack. Gehen Sie doch mal Surfen ohne Segel, Stand-up-Paddeln ohne Wasser: auf einem einfachen Holzbrett, das Sie kippeln lässt, aber niemals fallen. Geeignet für Yoga, Sturz-Prophylaxe, hyperaktive Kinder, Aufbau von Muskulatur, die rechte Balance. So, wie ein gutes Medizin-Produkt sein muss: hilft gegen alles.

>>INFO: EINTRITT UND ÖFFNUNGSZEITEN

Obwohl die „Medica“ auf dem Gelände der Messe Düsseldorf eine Fachmesse ist, die sich vor allem an Ärzte, Therapeuten und Experten aus der Gesundheitsbranche richtet, ist sie für alle interessierten Besucher geöffnet.

Der Eintritt kostet per Online-Ticket und ermäßigt 30 Euro, an der Tageskasse 80 Euro. Für Dauerkarten werden 89 bzw. 209 Euro erhoben.

Geöffnet ist die Medica von Montag, 18. November, bis Donnerstag, 21. November, jeweils von 10 bis 18 Uhr. Internet: medica.de