Moers. Sie meckern nicht, sie werden nie müde. In einem Restaurant in Moers servieren seit wenigen Wochen Roboter das Essen. Dem Gewerbe fehlt Personal.
Kurz vor 12 Uhr mittags. Dienstbeginn für Amy. Die ganze Nacht hat Amy an der Steckdose gehangen, jetzt kommt Chien Seng Chiang und erweckt sie und ihre Kollegen mit ein paar Knopfdrücken zum Leben. Auf dem runden Bildschirm im Kopf bilden Leuchtdioden Augen und einen stets lächelnden Mund. Noch ein paar Knopfdrücke und zwei Amys folgen dem Chef der „Neuen Epoche“ in die Küche – ein Doppeltablett vor dem Plastikbauch, einen roten Schal um den Hals.
Im großen Saal des China-Restaurants in Moers haben inzwischen die ersten Gäste Platz genommen. „Meine Frau wollte das mal sehen mit den Robotern“, sagt Peter Stephan (75). Zunächst aber sieht sie Hai Wei Chiang, die Tochter des Chefs, die zum Tisch eilt und die die Bestellung aufnimmt. Denn das können die Maschinen noch nicht gut genug.
Monatelang in den Räumen des Lokals geübt
Kurz Zeit später hat der Küchenchef die Bestellung fertig und stellt sie auf die Tabletts der geduldig wartenden Amy. Dann drückt er ein paar Knöpfe, geräuschlos dreht die künstliche Kellnerin sich um und fährt zu Tisch 14. „Wir haben mit den Robotern monatelang in der Gaststätte geübt“, sagt Rainer Becker, Chef der Firma Shobotixx, die die Geräte vertreibt, programmiert und wartet.
Offenbar mit Erfolg. „Gab keine Probleme bis jetzt“, sagt Vater Chiang; und wenn die Amys in Moers so gut laufen wie ihre rund 30.000 Kollegen, die es in Asien bereits gibt, sind auch nicht viele zu erwarten. „Dort liegt die Ausfallquote bei 0,8 Prozent“, weiß Becker.
Kinder sind von den künstlichen Kellnern ganz begeistert
Amy hat ihr Ziel erreicht. „Hier ist ihre Bestellung“, sagt sie und bittet die Gäste, sich die Teller vom Tablett zu nehmen. „Niedlich“, sagt Elke Stephan, während sie ihr Handy wegsteckt, mit dem sie – wie fast alle Gäste beim ersten Mal - die Ankunft des Roboters gefilmt hat. „Die meisten Besucher finden das toll“, hat Hai Wie Chiang in den letzten Wochen festgestellt. „Und Kinder sind völlig begeistert.“
Roboter günstiger, als man denkt
Die Firma Shobotixx aus Remscheid hat sich auf den Einsatz unterschiedlicher humanoider Roboter spezialisiert.
Sie baut die Maschinen nicht selber, sondern importiert sie aus Asien. Programmierung und Wartung übernehmen dann in Deutschland eigene Mitarbeiter.
Die Roboter-Kellner aus Moers kosten – inclusive Wartung und Programmierung – rund 9.000 Euro pro Stück und Jahr. Weitere Infos unter https://www.showbotixx.com/
Mittlerweile sind mehrere Roboter im Einsatz. Amy bringt die Speisen, ein anderer Roboter, hausintern „Robbie“ getauft, die Getränke. Er fährt etwas langsamer, damit nichts überschwappt. Zusammenstöße gibt es nicht, auch wenn sich immer wieder mal Gäste in den Weg stellen. Amys Sensoren stoppen sofort und ihr Sprachmodul sagt: „Bitte machen sie den Weg frei, damit ich den Gästen ihr Essen servieren kann.“
„Es wird ja immer schwieriger, Personal zu bekommen“
Anfangs, sagt Werner Auerbach, seien er und seine Frau Petra aus Neugierde gekommen. Mittlerweile sei das aber „Nebensache. Uns schmeckt einfach das Essen hier.“ Und ein paar Tische weiter mutmaßt eine ältere Dame: „Das soll die Gäste doch nur ins Restaurant locken, das ist doch alles nur ein Spaß.“
Ist es nicht. Zwar gibt Becker zu, dass man die „Neue Epoche“ als eine Art Show-Room nutze. „Aber da steckt ja viel mehr hinter.“ Zahlreiche Gastronomen würden den Einsatz von Robotern mit wachsendem Interesse beobachten. „Es wird für die Branche ja immer schwieriger, Personal zu bekommen.“
In Moers geht der Mittagstisch zu Ende. Zum bezahlen kommt wieder menschliches Personal an den Tisch. Amy könnte zwar – zumindest bei Kartenzahlung - auch kassieren, darf das aber in Deutschland bisher nicht.
Keine Konkurrenz für menschliche Mitarbeiter?
Überhaupt, versichert Becker, müsse niemand die mechanische Konkurrenz fürchten. Nicht in der Gastronomie, auch nicht in der Pflege. „In beiden Berufen wird es immer Menschen geben, die die wichtigen Arbeiten machen.“ Roboter seien gedacht, den menschlichen Kollegen stupide, sich immer wiederholende Arbeiten abzunehmen. Nie müde, nie mürrisch und absolut zuverlässig – so lange die Technik funktioniert.
Gastronomen sollten neue Technik nicht unterschätzen
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) rät seinen Mitgliedern, sich angesichts immer größerer Personalprobleme mit dem Einsatz von Robotern zu beschäftigen. Es gebe durchaus Bereiche, in denen Robotik im Lokal oder Hotel helfen könne, sagt Thomas Kolaric, Geschäftsführer der DEHOGA Nordrhein. Deutschland habe im Vergleich zu Asien oder den USA „Nachholbedarf“. Viele Gastronomen würden die Technik unterschätzen. „Dabei ist das mittlerweile weit weg von jeder Spielerei.“
Giuseppe Saitta, Geschäftsführer der DEHOGA-Kreisgruppe Düsseldorf, sieht das ähnlich, schränkt aber ein: „Die Räumlichkeiten müssen passen.“ Treppen etwa seien für Roboter nur schwer zu überwindende Hindernisse. An anderer Stelle, ist aber auch er überzeugt, seien Roboter eine „Riesenhilfe“. So könnten sie zum Beispiel die in immer mehr Hotels nicht mehr vorhandene Mini-Bar ersetzen und bringen, was der Gast bestellt. Arbeitsplätze sieht Saitta dadurch nicht gefährdet. „Man muss sich keine Sorgen um Mitarbeiter machen, die es zur Zeit gar nicht gibt.“
Und selbst wenn die Technik der Roboter stetig besser wird, besteht laut Becker kein Grund zur Sorge. „Es gibt“, hat er immer wieder festgestellt, „Kunden und Patienten, die wollen einfach nicht mit einem Roboter reden.“