Essen. Bestsellerautor und Kinderpsychiater Michael Winterhoff fordert bei WAZ-Diskussionsveranstaltung eine radikale Wende in der Bildungspolitik.

Die aktuelle Bildungspolitik verbaut unseren Kindern die Zukunft. Wenn nicht rasch umgesteuert wird, gerate die Gesellschaft in eine katastrophale Schieflage. Das ist eine der Kernthesen in dem neuen Buch des Bonner Kinderpsychiaters und Bestsellerautors Michael Winterhoff. Eltern, Kitas und Schulen versagten bei der Erziehung, die Kinder wachsen zu Narzissten und Egozentrikern heran, die nur dem Lustprinzip und ihren eigenen Interessen folgten.

„Verdummt Deutschland?“ Und was ist dagegen zu tun? Über diese Fragen diskutierte der Autor am Mittwochabend mit WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock und etwa 200 Gästen im neuen FUNKE Medienhaus. Darunter waren auch die Aufsichtsratsvorsitzende der FUNKE-Mediengruppe, Julia Becker, sowie Thalia Chef Michael Busch.

Lehrer im Katastrophenmodus

Winterhoffs Thesen sind so prägnant wie umstritten. In seinen millionenfach verkauften Büchern „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ oder „SOS Kinderseele“ legt er den Finger in die Wunden der herrschenden Pädagogik. In seinem neuen Buch „Deutschland verdummt“ fordert er eine radikale Umkehr.

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„Man muss Eltern und Lehrer aus dem Katastrophenmodus holen“, rief Winterhoff. Die Digitalisierung führe nicht nur bei Kindern zu einer Reizüberflutung, sondern auch bei den Erwachsenen. „Ich würde als erstes alle Lehrer in den Wald schicken, damit sie merken, wie schön es ist, wenn man in sich ruht.“ Besonders vehement stellte er sich gegen das „autonome Lernen“, das sei eine „Katastrophe“. Kinder benötigten ein Gegenüber, damit sich ihre Psyche entwickeln könne.

Kinder bleiben sich selbst überlassen

Doch aus Lehrern seien „Lernbegleiter“ geworden, die Kinder zu sehr sich selbst überließen. Eltern seien von Erziehern zu Partnern geworden. „Wenn ich Kindern die Beziehung wegnehme und Lehrer nur noch im Hintergrund habe, fehlt der entscheidende Faktor zur Erziehung.“ Die Kinder „verwahrlosen vor sich hin und bleiben schon in der Kita sich selbst überlassen.“ So blieben sie auf dem Stand von Kleinkindern stehen.

Winterhoff, trug seine Thesen mit Engagement, Verve und hörbar kölschem Zungenschlag vor. Manchem der offenbar zahlreich anwesenden Pädagogen sprach er bei der Schilderung der vermeintlichen Bildungsmisere offenbar aus der Seele, mehrmals wurden seine Ausführungen von Applaus unterbrochen.

Was aber wäre die Lösung außer Waldspaziergängen? Kinder benötigten wieder Bezugspersonen, an Schulen müsse „personenorientiert“ unterrichtet werden, zudem seien kleiner Klassen wichtig. „Was brauchen die Kinder?“, fragte Tyrock. Winterhoff: „Uns! Lehrer, Eltern und Menschen, die in sich ruhen.“