Münster. Ein gepfändeter Mops beschäftigt die Justiz. Hat die Stadt Ahlen ihn über Ebay verkauft, obwohl sie wusste, dass das Tier krank war?
Rein rechtlich, man muss daran vielleicht mal erinnern, geht es um Schadenersatzansprüche. Zivilrecht, eher Alltag an deutschen Gerichten. Jedenfalls nichts, was Zuhörer in Scharen in einen Verhandlungssaal kommen lässt. Im Landgericht Münster ist das am Mittwoch anders. Denn es geht um einen Hund, den Mops Edda. Wahrscheinlich schwer krank, auf jeden Fall sehr süß. Gepfändet und verkauft über das private Konto eines Gerichtsvollziehers im Namen der Stadt Ahlen. „Kurios“, nennt selbst Richter Johannes Eienbröker den Rechtsstreit.
Besitzerin will 20.000 Euro Behandlungskosten
Deshalb ist der größte Saal, den sie haben in Münster , auch so voll. Kameras sind vor der Tür aufgebaut, Fotoapparate blitzen, Mikros werden in Stellung gebracht. Die Stadt Ahlen kommt in großer Besetzung, hat den Leiter des Rechtsamtes geschickt, drei Anwälte und den Gerichtsvollzieher, der den Hund im Netz angeboten hat. Es geht ja mittlerweile auch um viel Geld. 20.000 Euro fordert Michaela Jordan (53) aus Wülfrath – überwiegend sind es Behandlungskosten für den als gesund verkauften Hund.
Vor knapp einem Jahr hat der Gerichtsvollzieher ihn bei einer Dame gepfändet, um Schulden zu begleichen. Ganz „fidel“ sei der Kleine gewesen, die Besitzerin habe auch nichts von Krankheiten gesagt. Ganz anders als die Züchterin des Mopses. Die weist – bei am Ende fehlgeschlagenen Rückkaufsgesprächen - auf den Haarausfall rund um die Augen hin und rät zur Konsultation des Stamm-Tierarztes.
Kleinanzeige lief über das private Konto des Gerichtsvollziehers
Das habe er auch gemacht, sagte der Gerichtsvollzieher gestern. Ohne Hund zwar, nicht mal mit aktuellen Fotos des Tieres – aber mit der Frage, ob Edda deshalb schon mal in Behandlung gewesen sei. „Nein, war sie nicht“, heißt es in der Praxis. Das reicht dem Beamten, um das Tier in der kurz darauf aufgegeben Kleinanzeige als „kerngesund“ zu bezeichnen.
Geschaltet wird sie bei Ebay auf dem privaten Konto des Mannes – gleich unter Badelatschen, die er auch loswerden will. „Die Stadt“, erklärte er gestern einmal mehr, „hat ja kein Ebay-Konto.“ Er habe als Kontakt immerhin seine dienstliche Handy-Nummer angegeben. Trotzdem kommt Jordan die Sache merkwürdig vor, als eine Freundin sie auf das Angebot im Netz hinweist – vielleicht auch weil sie Polizistin ist. „Ich dachte, das wäre ein Fake.“ Kurzerhand greift sie zum Telefon, ruft bei der Stadt Ahlen an und sagt: „Ich hätte gerne den, der die Möpse verkauft.“ Sofort wird sie durchgestellt.
Kaufvertrag aus dem Internet heruntergeladen
Alles habe seine Richtigkeit, versichert ihr der Gerichtsvollzieher. Natürlich könne sie sich den Hund vorher gerne ansehen aber: „Das Interesse an dem Tier ist groß.“ Jordan – schon lange Mops-Besitzerin - greift für 690 Euro zu. „Ich wollte nicht, dass der Mops irgendwo als Zuchtmaschine endet.“ Nur einen Vertrag will sie haben. Doch so etwas hat die Stadt Ahlen nicht. „Den habe ich aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt“, sagt der Gerichtsvollzieher.
Pfändung kein Thema in der Verhandlung
Ob die Pfändung des Mopses überhaupt rechtmäßig war, wird in diesem Verfahren wohl nicht untersucht.
Die Stadt Ahlen beruft sich auf ein Rechtsgutachten. Unter Juristen ist das Thema allerdings strittig. Im vorliegenden Fall, erklärte der Richter, müsse er darauf aber nicht eingehen, weil die Frage für mögliche Schadenersatzzahlungen keine Rolle spiele.
Keine zehn Tage nach dem Kauf, sitzt Jordan mit Edda, die sie inzwischen Wilma nennt, zum ersten mal beim Tierarzt. Der diagnostiziert eine unheilbar und gefährliche Augenkrankheit. Mehrfach muss der Mops operiert werden, sein Leben lang braucht er nun Behandlung. Die Kosten dafür, findet Jordan, müsse der Verkäufer tragen. Der Gerichtsvollzieher sagt, er habe mit der Sache nichts mehr zu tun, verweist auf die Stadt. Die aber reagiert zunächst gar nicht und dann mit Verweigerung. Der Hund wäre beim Verkauf gesund gewesen und man wisse ja nicht einmal, ob er mittlerweile überhaupt wirklich krank sei.
Shitstorm brach über die Stadt herein
Außerdem gebe es bei Pfandsachen grundsätzlich keine Gewährleistung und im Vertrag sei die auch noch mal ausgeschlossen. Also gebe es auch keinen Schadenersatz. Als der Fall in sozialen Medien bekannt wird, bricht ein Shitstorm über die Stadt herein. Doch von dem lässt sich der Bürgermeister nicht beeindrucken. Man glaube nicht, dass Frau Jordan vor Gericht Recht bekommen, heißt es aus dem Rathaus.
Möglicherweise ein Irrtum. „Auf den gesetzlichen Ausschluss der Gewährleistung müsse explizit hingewiesen werden“, sagte Richter Eienbröker in einer ersten Einschätzung der Rechtslage. „Nach der Anzeige durfte die Käuferin erwarten, dass sie einen gesunden, geimpften und entwurmten Hund bekommt.“ Daran ändere wohl auch das aus dem Netz heruntergeladene Vertragsformular nichts. Außerdem deute vieles darauf hin, dass die Krankheit nicht erst in den neun Tagen zwischen Verkauf und erster Behandlung ausgebrochen sei.
Erst am 4. Dezember geht es weiter
Man sei nicht bereit, sich in irgendeiner Weise zu vergleichen, stellte Jordans Anwalt Wolfgang Calla dann auch am Ende des Gütetermins klar. Am 4. Dezember will der Richter nun bekannt geben, wie es weitergehen soll. Nur die Rückgabe des Tieres ist ausgeschlossen. Den Hund habe sie, allem Ärger zum Trotz, völlig in ihr Herz geschlossen, sagt Michaela Jordan. „Der geht nirgendwo anders mehr hin.“