Essen. Den „Dortmunder Herbst“ gibt es nicht mehr, die Verbrauchermesse Mode Heim Handwerk in Essen dagegen feiert glanzvolles 50. Jubiläum. Warum nur?

Mode, Heim, Handwerk, Messetag Eins, Mittagszeit. „Eigentlich“, sagt Claudia Westerhoff aus Witten, „wollte ich ja nicht so viel kaufen“. Doch „nicht so viel kaufen“ ist zwar machbar auf der nach eigenen Angaben größten Verbrauchermesse des Landes, aber irgendwie macht der Besuch in den Essener Messehallen dann wenig Sinn.

Das hat auch Claudias Mann Peter festgestellt, seit er an jeder Hand zwei große Einkaufstaschen tragen muss. Gebäck und Schokolade – „alles Markenware aber ganz billig hier“ – sind darin, ein spezieller Fensterputzer und eine Jacke. „Und wir waren noch nicht mal in allen Hallen“, schwant dem 56-Jährigen nichts Gutes für den Rest des Tages.

Kurze Besuche sind die Ausnahme

Kurzbesuche auf dieser Messe, die 2019 zum 50. Mal stattfindet, sind dann auch eher die Ausnahme. „Man kann hier mühelos einen ganzen Tag verbringen“, weiß Monika Konkowski aus der Erfahrung der letzten Jahre. Mehr als 700 Aussteller sind gekommen, alle Hallen belegt. Man kann Vorträgen lauschen, Workshops besuchen, Shows und Schauen ansehen, Wein und Sekt probieren. Und eben kaufen.

Lichterfee Ramona Buchwald zeigt  auf der Messe Mode, Heim und Handwerk in Essen die neuesten Trends in Sachen Weihnachtsbeleuchtung.
Lichterfee Ramona Buchwald zeigt auf der Messe Mode, Heim und Handwerk in Essen die neuesten Trends in Sachen Weihnachtsbeleuchtung. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wein und Wurst, Gemüseschäler und Industriekleber, Christbaum-Kugeln und Lichter-Deko. Manchmal versteht man die Anordnung der Stände nicht aber das findet Frau Westerhoff nicht schlimm. Im Gegenteil: „So werde ich immer wieder überrascht.“ Auch Werner Flunkert findet sich „ganz gut“ zurecht. Er kommt regelmäßig auf die Messe. „Anderswo bekommt man viele Sachen nämlich nicht“. Außer beim Tele-Shopping oder im Internet vielleicht. „Ja klar“, sagt der 68-Jährige, „aber da kann ich die Sachen ja nicht anfassen.“

Ausprobieren an vielen Ständen ausdrücklich erwünscht

Hier schon, hier ist anfassen in den meisten Fällen sogar ausdrücklich erwünscht. „Nehmen Sie mal den Staubsauger, fährt sich kinderleicht, oder?“, heißt es am Vorwerk-Stand, wo gerne „nebelfeucht“ gereinigt wird und die Außendienstler in diesen Tagen mal nur Heimspiele haben. Ein paar Meter weiter warnt der Mann mit den Vibrations-Boards: „Aufgepasst, ich schalte jetzt mal einen Gang höher.“ Und während Papa sich die Muskeln lockern lässt, ist Mama mit den Kleinen eine Halle weiter gegangen – wo sich Kinder kostenlos auf dem historischen Karussell im Kreise drehen können.

Mitmachen ist erwünscht in der Styling & Beauty Lounge.
Mitmachen ist erwünscht in der Styling & Beauty Lounge. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Für Messegeschäftsführer Oliver P. Kuhrt ist es genau dieser „Erlebnischarakter“, der die „Mode Heim Handwerk“ von vielen vergleichbaren Ausstellungen unterscheidet. Jüngstes Beispiel sei die Styling & Beauty Lounge, in der die Besucher aktiv eingebunden werden und sich auf einer Bühne beraten und umstylen lassen können. „Der Trend geht ganz klar zu Mitmach-Angeboten wie diesen. Die Leute wollen nicht nur kaufen und schauen, sondern etwas erleben.“

Selbsthilfegruppen stoßen auf großes Interesse

Manche wollen sich auch einfach mal informieren. Und zwar nicht nur über Whirl-Pools oder Garagentore, sondern auch an den Ständen der vielen Selbsthilfegruppen – von Adipositas über Osteoporose bis hin zur Schwerhörigkeit- , die auf die Messe gekommen sind. Ralf Nies von der Schlafapnoe Essen, blickt kurz auf die Strichlisten die sie führen am Stand und nickt zufrieden. „Schon fast 15 längere Gespräche am ersten Morgen“, sagt er und Kollege Klaus Holz weiß: „Die Hemmschwelle, uns anzusprechen, ist hier sehr niedrig.“

Überhaupt ist nichts tabu auf dieser Messe, selbst der Tod nicht. Kaum ein Stand, an dem so viele Fotos geschossen werden, wie am Stand für Särge. Da könnte allerdings auch an der Farbgebung der dort ausgestellten Modelle liegen. Blau-weiß ist das ein, schwarz-gelb das andere.

Zusatzmessen tragen zum Erfolg bei

Messe läuft noch bis nächsten Sonntag

Die Messe ist bis zum 14. November täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Freitag, 15. November, 10 bis 20 Uhr, Volkstrauertag 13 Uhr bis 18 Uhr.

Parallel zur Mode, Heim, Handwerk organisiert die Messe Essen gemeinsam mit dem Verein Ernährung-NRW die Veranstaltung „NRW - Das Beste aus der Region“, die vom 14. bis 17. November stattfindet. Hofläden, Direktvermarkter und Schutzgemeinschaften stellen ihr schmackhaftes und vielfältiges Angebot in Halle 8 vor.

Eine reguläre Tageskarte für die Mode Heim Handwerk kostet 8,50 Euro (ermäßigt 7,50 Euro), Kinder und Jugendliche von sechs bis 13 Jahren zahlen drei Euro. Unter sechs ist der Eintritt frei. Die Familie spart mit dem Eltern-Kind-Ticket für 17 Euro. Für alle, die erst später Zeit haben, lohnt sich das Nachmittagsticket - es gilt täglich ab 15 Uhr und kostet 4,50 Euro. Eine Eintrittskarte der Mode Heim Handwerk berechtigt auch zum Besuch der jeweils stattfindenden Parallelmesse.

Infos unter www.mhh.de im Internet

Mittags gibt es den vielen Tischen der Essensstände kaum noch freie Plätze. Die Hergets aus Mülheim essen deshalb im Stehen und müssen auch gleich weiter. „An einem Tag ist diese Messe kaum noch zu schaffen.“ Auch weil es parallel zur Mode, Heim, Handwerk mit der kreativ.essen oder der tierlieb.nrw gleich mehrere so genannter Plusmessen gibt, die laut Geschäftsführer Kurth ebenfalls zum Erfolg beitragen.

Am frühen Nachmittag wird es in einigen Gängen eng, drängen sich vor manchen Ständen. größere Menschentrauben. Es gibt „Messepreise“, „Sonderangebote“ und „Superschnäppchen“. Und einen guten Rat, der sogar kostenlos ist. „Lassen Sie sich“, warnt ein besonders lautstarker Verkäufer in Halle 2, „nicht von fremden Leuten ansprechen. Die wollen alle nur ihr Geld.“