Duisburg. Zwischen Lippe und Ruhr entsteht die erste urbane „Radreiseregion“. Das Revier steht in einer Reihe mit den schönsten Landschaften Deutschlands.
Der Allgäu um Schloss Neuschwanstein darf sich so nennen, die Marschen der Weser und die Lüneburger Heide: Nun soll auch das Ruhrgebiet zur „Radreiseregion“ werden, zertifiziert vom Fahrradclub ADFC. Das „Radrevier.Ruhr“ wäre die erste urbane Landschaft in dem illustren Club. Seit zwei Jahren arbeitet die „Ruhr Tourismus GmbH“ (RTG) daran, diesen Titel zu gewinnen, nun seien 98 Prozent erledigt, bestätigt auch der ADFC – nächstes Jahr soll es soweit sein, möglichst zur Tourismusmesse ITB im März. Profitieren würden nicht nur Gäste und die lokale Wirtschaft, auch für Alltagsradler verbessern sich die Wege.
Dies ist die frohe Kunde des 1. Nationalen Radtourismus-Kongresses, der am Mittwoch und Donnerstag im Landschaftspark Duisburg Nord stattfindet – wobei der Ort schon Botschaft ist. „Für die Ausrichtung war das Ruhrgebiet unsere erste Wahl, denn die Region ist mittlerweile eine der beliebtesten Radreiseregionen Deutschlands“, sagt Frank Hoffmann, stellvertretender Bundesvorsitzender des ADFC. Gerade weil es anders ist, nämlich dicht besiedelt, sei das Revier „eine Blaupause, wie man in der Welt das Thema Fahrradtourismus gewinnbringend vorantreiben kann“. Tatsächlich hat auch eine Befragung von über 4500 Radfahrern ergeben, dass 93 Prozent das Radreiseziel Ruhrgebiet weiterempfehlen würden.
Viele kleine Hindernisse werden noch aus dem Weg geräumt
Die Dachmarke Radrevier.Ruhr ist nun etwa drei Jahre alt, 1,9 Millionen Euro sind in das Projekt geflossen (80 % davon Fördermittel) – nun füllt es sich mit Leben. Zwischen dem Ruhrtalradweg im Süden und der Römer-Lippe-Route im Norden hat die RTG 15 neue Touren zwischen 29 und 67 Kilometern definiert für Radler, die keine mehrtägige Tour machen, sondern von ihrem Hotel oder Wohnort aus eine Region erkunden wollen. Vorgestellt wurden diese bereits im April, doch noch gibt es viele kleinere Hindernisse: Hier ein Poller, dort eine Engstelle, mal fehlt ein Lückenschluss, mal ist der Asphalt beschädigt.
Neue Radwege entstehen hier nicht direkt, aber von der Beseitigung dieser Hindernisse profitieren letztlich alle Radfahrer. „Wenn man das Freizeitthema neu erzählt“, sagt Hoffmann, könne man auch Anwohner aufs Rad locken. Nicht zuletzt macht vielleicht der Lokalpatriotismus neugierig: „Wer kennt einen Alltagsradweg, der in irgendeiner Form beworben wird?“
150 Hotels setzen auf „Bed & Bike“
Damit der ADFC sein Qualitätssiegel gibt, müssen allerdings auch Wegpflege, Ausschilderung, Infomaterial, Marketing und nicht zuletzt Unterkunftsmöglichkeiten stimmen. Letzteres ist bereits der Fall: 150 zertifizierte „Bed & Bike Betriebe“ meldet RTG-Chef Axel Biermann zum Kongress. Die Hotels haben sich verpflichtet, Gäste auch für eine Nacht zu nehmen, es gibt Trockenräume für nasse Kleider und Abstellmöglichkeiten fürs Gefährt. Eine gute Ergänzung zum Geschäftstourismus unter der Woche, nennt Biermann das Geschäft. Die Zahl der Betten sei bereits deutlich gestiegen und werde noch anziehen, glaubt er. Dies geht einher mit einer insgesamt sehr positiven Entwicklung im Tourismus – und der zu Rade macht mittlerweile ein gutes Zehntel aus. Radtourismus sei auch besonders lukrativ, denn die sportlichen, älteren und gebildeten Gäste geben etwa 20 Prozent mehr aus als der Durchschnittstourist.
Biermann hat weitere Zielgruppen im Sinn: Für Mountainbiker will er „die Halden in den Vordergrund stellen“. Familien sollen kürzere Routen vorfinden mit Haltepunkten für Kinderspaß: Klettern im Landschaftspark, Legoland in Oberhausen, das „Erfahrungsfeld der Sinne“ auf Zollverein. Und schließlich könne das Ruhrgebiet mit dem Drumrum punkten: Niederrhein, Münsterland und das Bergische sind gut erreichbar.
Die Internationale Gartenausstellung 2027 will auch bedacht werden: Duisburg, Gelsenkirchen und Dortmund gilt es per Rad zu verbinden. Und den Emscher-Park-Radweg gibt es ja auch noch. Als dritter Radfernweg könnte er in Zukunft im Herzen des Reviers ebenfalls eine eigene Destination werden. Bis es soweit ist, soll die Römer-Lippe-Route digital erlebbar werden, denn der Radtourist weiß gerne, was ihn erwartet.
>> Info: Mehr Mittel für den Radwegebau versprochen
Radfahrer und Touristiker freuen sich über Rückenwind des Bundesverkehrsministeriums. Die Mittel für den Radwegebau sollen sich bald vervielfachen, versprach die Radverkehrsbeauftragte Karola Lambeck in ihrer Begrüßungsrede. Die Mobilitätswende und das Klimaschutzpaket machen es möglich.
150 Teilnehmer treffen sich beim zweitägigen 1. Nationalen Radtourismus-Kongress bis Donnerstag im Landschaftspark Duisburg-Nord stattfindet. Der Mitausrichter ADFC nutzt das Forum für eine politische Forderung: „Wenn Deutschland richtig attraktiv für Radreisende werden will, brauchen wir einheitliche Standards für das touristische Radnetz“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Frank Hoffmann. „Das kann nur eine Koordinierungsstelle auf Bundesebene anschieben.“