Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet wird überschwemmt von ausgespuckten Kaugummis, weggeschnippten Kippen und Hundehaufen. Wie die Städte sich wehren.
Es passiert immer öfter. Jeden Tag, überall und immer wieder. Kippen werden achtlos weggeschnippt, Kaugummis einfach gedankenlos ausgespuckt, Hundehaufen auf dem Bürgersteig nicht entsorgt, Coffee-To-Go-Becher in die Büsche geworfen. Die meisten Städte im Revier haben deshalb die Strafen für das so genannte „Littering“ in den vergangenen Wochen und Monaten teils drastisch erhöht.
„Bei Umweltsünden erheben wir in Zukunft das Maximum dessen, was möglich ist“, bringt es der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auf den Punkt. „Wenn man sich nicht an die Regeln hält, wird´s richtig teuer.“ Und Maximilian Löchter, Pressereferent bei der Stadt Dortmund bestätigt: „Wir haben jetzt ein ganz anderes Preisniveau.“
Strafen wurden in diesem Jahr teils drastisch erhöht
Kaugummi und Kippen falsch entsorgt wird dort neuerdings statt mit 15 mit 50 Euro geahndet, Hundehaufen liegen lassen kostet statt 50 nun 75 Euro. Die Stadt Essen greift seit kurzem sogar noch härter durch. Dort kostet jedes dieser Delikte 100 Euro Strafe – wenn man denn auf frischer Tat ertappt wird.
Fast drei Milliarden Pappbecher pro Jahr
Der Verbrauch von Einwegverpackungen hat bundesweit enorm zugenommen. Laut Bundesregierung nehmen die Deutschen jährlich allein 2,8 Milliarden Pappbecher mit auf den Weg.
Stündlich sollen es 320.000 To-go-Becher sein, die in Deutschland über die Theken gehen, sagen Zahlen der Bundesregierung. Das Müllaufkommen sei in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, beklagt der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU).
Grundlage ist in allen Fällen der vor einiger Zeit überarbeitete „Bußgeldkatalog für den Bereich Abfall“, der den zuständigen Behörden in den Kommunen eine „Entscheidungshilfe zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Umweltschutzes“ sein soll. „Mit dem neuen Erlass gibt uns das Land die Möglichkeit, die Bußgelder entsprechend zu erhöhen“, so Oberbürgermeister Thomas Kufen. „Diese Möglichkeit schöpfen wir voll aus.“ Genau dazu hatte jüngst NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) aufgerufen. Der öffentliche Raum sei schließlich „kein Mülleimer“.
Mehr Müll durch die schönen Sommer
Er wird aber immer öfter als solcher genutzt. Petra Hartmann, Sprecherin des Dortmunder Entsorgers EDG, ahnt auch warum. Nicht ganz unschuldig, glaubt sie wie viele ihrer Kollegen, seien auch die schönen, trockenen Sommer beiden vergangenen Jahre. „Die Menschen sind einfach viel öfter und viel länger draußen. Da fällt auch mehr Müll an.“
Zum Beispiel durch die Coffee-To-Go-Becher, mit denen man auf der Bank sitzt oder durch die Fußgängerzone bummelt. Alleine in Essen gehen davon laut der deutschen Umwelthilfe jeden Tag rund 80000 über die Ladentheken. Mehrwegbecher oder Pfand-Systeme , von denen es im Ruhrgebiet mehrere gibt, werden bisher eher verhalten aufgenommen.
Appelle verhallen in den meisten Städten oft ungehört
Es gibt keine Zahlen, es gibt meist nicht einmal Schätzungen darüber, wie viele Kaugummis, Zigaretten oder Kaffeebecher nicht ordnungsgemäß entsorgt werden. Aber bei fast jedem Entsorger ist es in den letzten Jahren „gefühlt schlimmer geworden.“ Nur Herne sieht eine Besserung. „Es ist sauberer in der Stadt“, findet Christoph Hüsken, Sprecher der Stadt. „Ich habe den Eindruck, die vielen Appelle haben gefruchtet.“
In den Nachbarstädten scheinen sie meist ungehört verhallt zu sein. Und vielerorts hat es auch wenig gebracht, wenn die Städte Gumwalls (Kaugummiwände), mehr Abfallkörbe, oder Automaten mit kostenlosen Plastiktüten für die Hinterlassenschaften von Hunden aufgestellt haben. An manchen Stellen ist es besser geworden“, sagt Silke Kersken, Pressesprecherin der Wirtschaftsbetriebe Duisburg. „Aber grundsätzlich gelöst sind die Probleme natürlich nicht.“
Reinigung ist kaum noch zu bezahlen
Stattdessen wird es immer aufwändiger und teurer, Kippen und Kaugummis zu entsorgen. Einmal festgetreten lässt sie die klebrige Masse nur noch mit speziellen Hochdruckreinigern entfernen. Und herkömmliche Kehrmaschinen, weiß Petra Hartmann, schaffen es längst nicht immer, Zigarettenreste aus Spalten und Ritzen im Boden zu fegen. Da hilft in beiden Fällen oft nur Handarbeit. „Doch das“, warnt die EDG-Sprecherin, „ist kaum noch zu bezahlen.“
Am Ende, fürchtet sie, „helfen wohl tatsächlich nur Strafen“. Sofern es auch Personal gibt, um sie durchzusetzen. „Schwierig sei das“, heißt es aus Ordnungsämtern. Aber nicht unmöglich, wie ein Blick nach Dresden zeigt. Dort gab es nach Zahlen des Ordnungsamtes 2018 knapp 1500 Verfahren wegen Müllablagerungen etwa von Kaugummis oder Pappbechern. Insgesamt wurden Bußen in Höhe von etwa 33 000 Euro verhängt.
Mittlerweile ist sogar untersucht worden, wer am meisten spuckt, schnippt und wegwirft. Einer Studie des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) zufolge sind die Hauptsünder junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren. Auch die Gründe für das Littering will die Studie herausgefunden haben:
Faulheit und mangelnde Erziehung.