Köln. Wenn an den Unis das neue Semester beginnt, ist der Kampf um eine günstige Bleibe groß – gerade dann, wenn man nicht Müller oder Schmidt heißt.
Ein paar Mal ließ sie sich mit Dutzenden anderen Suchenden durch leere Wohnungen schleusen. Einige Wochen harrte sie auf einer Couch bei Freunden aus. Eine Weile stand sie um 4 Uhr morgens auf, um mit dem Zug rund 100 Kilometer zur Uni zu pendeln. Yeliz-Elif Albayrak hat so ziemlich alles hinter sich, was sich an Horrorgeschichten über die Suche nach einer Mietwohnung erzählen lässt. „Ich glaube, dass es an meinem Namen liegt“, sagt die Studentin.
Jedes Jahr im Herbst, wenn an den Hochschulen neue und alte Studenten eintrudeln, beginnt der Kampf aufs Neue. Die Suchportale laufen voll vor Anfragen von Erstsemestern, die Schlangen bei Besichtigungen nehmen scheinbar kein Ende. Studien bestätigen, dass ausländische Bewerber es auf dem umkämpften Markt schwerer haben als andere.
Diskriminierung ist nach wie vor feststellbar
„Es gibt eine solche Diskriminierung. Sie ist zwar deutlich zurückgegangen, aber immer noch feststellbar“, sagt der Münchner Soziologe Andreas Schneck, der mit Kollegen von der LMU München und der Uni Konstanz bisherige Erkenntnisse zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ausgewertet hat. Arabische und muslimische Bewerber seien dem zufolge am häufigsten betroffen, gefolgt von schwarzen.
Albayrak wirkt nicht wie eine Frau, die man nicht gern in die eigene Wohnung lassen würde. Sie lacht viel und schaut einem ins Gesicht, während sie erzählt. Ihre Eltern stammen aus der Türkei, sie selbst aus Münster. Dass sie fließend Deutsch spricht, ist also kein Wunder – und werde trotzdem häufig genug kommentiert. Seit zwei Jahren studiert sie in Sankt Augustin bei Bonn. Angekommen ist sie nicht.
Teure Wohnungen, sanierungsbedürftige Wohnheime
Dass Wohnraum immer knapper und teurer wird, macht den Wettbewerb nicht leichter – egal, mit welchem Namen. Eine kleine Standardwohnung ist in Köln innerhalb eines Jahres fast fünf Prozent teurer geworden, wie eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft und der Finanzberatung MLP belegt. Da die Einkommen von Studenten nicht im gleichen Maße steigen, wird der Anteil, der für Miete aufgebracht werden muss, immer größer. In den teuersten Uni-Städten Köln, Bonn und Düsseldorf werden bei 30 Quadratmetern im Schnitt mehr als 400 Euro fällig.
Da Studenten bei privaten Vermietern oft nicht die erste Wahl sind, bleiben noch Wohnheime – wenn man denn einen Platz bekommt. In Aachen warten laut den Studierendenwerken aktuell noch rund 5.000 Studenten, in Köln sind es mehr als 2.100. Mehr als die Hälfte der rund 38.000 Wohnheimplätze der nordrhein-westfälischen Studierendenwerke sind deren Angaben zufolge „dringend sanierungsbedürftig“. Die Studierendenwerke fordern daher Unterstützung von der Politik – je schneller, desto besser.
Wohnungsnot wird Thema im NRW-Landtag
Dank eines Antrags der Opposition steht das Thema am Donnerstag auf der Agenda des Landtags. Die Landesregierung müsse darlegen, „wie die Situation für die Studierenden in NRW verbessert werden kann“, fordert die SPD-Fraktion. In Köln beginnt das Uni-Leben für einige Studenten in diesen Tagen auf der Luftmatratze.
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Der Asta stellt – wie in vielen anderen Städten auch – einen Notfall-Raum für diejenigen bereit, die es auch in letzter Minute nicht mehr geschafft haben, eine Bleibe zu finden. An einem Ort, wo sonst Konzerte oder Partys stattfinden, schlafen im Schnitt 15 Studenten. „Darunter sind besonders viele Erasmus-Teilnehmer aus dem Ausland“, berichtet Asta-Sprecher Florian Puttkamer.
Exzellenz-Unis haben besondere Anziehungskraft
Für internationale Bewerber haben Exzellenz-Unis eine besondere Anziehungskraft, ist Stefan Brauckmann, Direktor des Moses-Mendelssohn-Instituts, überzeugt. Das Institut erforscht jährlich die angespannte Lage in deutschen Uni-Städten. Bonn müsse sich als neue Exzellenz-Uni-Stadt somit auf einen größeren Andrang einstellen. Für die Stadt Köln, deren Uni den Exzellenz-Titel in diesem Jahr verlor, gab das Institut jedoch trotzdem keine Entwarnung, da andere Faktoren die Stadt weiterhin attraktiv hielten.
Unbeantwortete Mails und ausbleibende Rückrufe sind für Albayrak zum Alltag geworden. Angebote, sich statt einer Wohnung mit jemandem das Bett zu teilen, gab es auch. Zeitweise habe sie überlegt, ihr Studium wieder abzubrechen. „Ich will einfach irgendwann mal irgendwo ankommen und in Ruhe studieren“, sagt die 37-Jährige. Aktuell wohnt sie in einer WG im Kölner Stadtteil Nippes. Auf ihre ganz eigenen vier Wände hofft sie aber weiter. (dpa)