Dortmund. Eine Ausstellung stellt von Freitag an in Dortmund dar, wie Technik und Sport zusammenwirken. Das Ziel: noch höher, noch schneller, noch weiter.

Im WM-Viertelfinale 1966 hatte Schiedsrichter Rudolf Kreitlein (1,68 Meter) seine liebe Not, den argentinischen Mittelfeldmann Antonio Rattin (1,91 Meter, und sie nannten ihn „Die Ratte“) des Feldes zu verweisen. Der war nämlich entschlossen, nichts zu verstehen; und er verließ erst nach sieben Minuten unter einer Kaskade der 100 gebräuchlichsten Unschuldsgesten sowie in Begleitung zweier Polizisten das Feld.

Die Szene hatte zwei Folgen: Kreitlein hieß fortan „das tapfere Schneiderlein“, denn das war tatsächlich sein Brotberuf. Und: Ihm und dem Schiri-Betreuer Ken Aston ging abends, an einer Ampel wartend, buchstäblich ein Licht auf, wie das Verwarnungs- und Verweis-Problem zu beheben wäre: mit gelben und roten Karten. Ampeln gab es schließlich auf der ganzen Welt, mutmaßlich sogar in Argentinien.

In der Börse für Wettscheine sind sie sicher verwahrt

Die Schnurre aus Kreitleins wunderbarer Welt des Fußballs ist Bestandteil einer neuen Ausstellung in Dortmund, die von Freitag zu sehen ist, dem 27. September. „Fertig? Los! Die Geschichte von Sport und Technik“ heißt sie und präsentiert 330 Objekte aus 180 Jahren in der Arbeitswelt-Ausstellung Dasa.

Darunter so hübsche Dinge wie eine Börse für Wettscheine bei Pferderennen aus dem 19. Jahrhundert: Wenn man die Wettscheine darin verschloss, blieb die eingebaute Uhr stehen, so dass man später ablesen konnte, ob vielleicht nach dem Rennen noch Wettscheine hineingelegt worden waren.

„Der moderne Sport ist nicht durch Zufall im 19. Jahrhundert entstanden“

Lederhauben sollten bis in die 30er-Jahre als Schutz ausreichen für Motorrad-Fahrer bei Steher-Rennen. Boxhandschuhe waren in England Boxern Jahrzehnte früher als in Deutschland vorgeschrieben.
Lederhauben sollten bis in die 30er-Jahre als Schutz ausreichen für Motorrad-Fahrer bei Steher-Rennen. Boxhandschuhe waren in England Boxern Jahrzehnte früher als in Deutschland vorgeschrieben. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wo wir gerade bei Versuchen sind, dem Glück Beine zu machen: Doping begann auf englischen Pferderennen. Mit den Pferden, versteht sich. Englische Jockeys waren die ersten Profi-Sportler der Neuzeit, hervorgegangen aus reitenden besseren Kreisen, die zunächst nur ihrer Zerstreuung nachgegangen waren.

„Der moderne Sport ist nicht durch Zufall im 19. Jahrhundert entstanden, als Industrialisierung und Technisierung einsetzten“, sagt Alexander Sigelen, Projektleiter der Ausstellung aus dem Mannheimer Arbeitsmuseum „Technoseum“, woher die Schau kommt. Wettkampfgedanke und Leistungsmessung wurden modern, „nicht mehr nur zu siegen, sondern auch Rekorde zu erzielen. Leistung über den Wettkampf hinaus vergleichbar zu machen.“

Schon um 1900 werden Zieleinläufe fotografiert und gefilmt

So kamen Stoppuhren ins Spiel, hier liegt eine von 1840, und schon um das Jahr 1900 wurden Zieleinläufe fotografiert und gefilmt, um sicher entscheiden zu können, wer gewonnen hat. Besucher von „Fertig? Los!“ können an dieser Stelle die Zeit eines verfilmten Laufs des 100-Meter-Stürmers Usain Bolt mit der Hand zu stoppen versuchen: Wegen der menschlichen Reaktionszeit entspricht sie nie der Messung mit Lichtschranken. Und um ganz genau zu sein: Eine heutige Zielkamera kann bis zu 30.000 Aufnahmen machen, pro Sekunde natürlich.

Und was hat das jetzt mit Arbeit zu tun hier in der Arbeitswelt-Ausstellung? „Es geht auch im Sport um Professionalisierung“, sagt der Dasa-Leiter Gregor Isenborth. Arbeit und Sport verbänden sich im 19. Jahrhundert „unter dem Diktat der Leistung“.

Dem entgegen stand das in Deutschland entwickelte Turnen im frühen 19. Jahrhundert zunächst als reine Leibesübung mit militärischen Hintergedanken, bis sich auch dort in den 1840er-Jahren Wettkämpfe einschlichen. 100 Jahre später stehen die Hintergedanken ganz vorn: beim Handgranaten-Attrappen-Weitwurf.

Für die bewegten Fernseh-Bilder wurden die Tischtennisbälle vergrößert

In einer nachgebauten Reporterkabine können Besucher Fußballszenen kommentieren, die sich vor ihnen auf einer Leinwand abspielen. Im Bild Lisa Köhler.
In einer nachgebauten Reporterkabine können Besucher Fußballszenen kommentieren, die sich vor ihnen auf einer Leinwand abspielen. Im Bild Lisa Köhler. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Noch schneller, noch höher, noch weiter. Mit Carbonstäben springt der Mensch heute doppelt so hoch wie mit Holz, Titan im Tennisschläger verringert die Vibrationen und bringt mehr Kraft gegen den Ball. Und auch das Fernsehen hat starken Einfluss genommen: Für die bewegten Bilder wurden die Tischtennis-Bälle vergrößert; und weil ein brauner Lederball auf grünem Rasen im Schwarz-weißen Fernsehen schlecht zu sehen war, sind Fußbälle schwarz-weiß geworden.

Zum Ende hin entwickelt sich „Fertig? Los!“ ein wenig weg von Technik. Da stehen dann Milchkännchen und Teller mit bunten Blümchen aus dem legendären Kaffeeservice „Mariposa“ („Schmetterling“). Die spendierte der DFB den deutschen Fußball-Frauen, als sie 1989 Europameister wurden. Die männlichen Weltmeister bekamen ein Jahr später 125.000 Mark. Aber dafür kein einziges Milchkännchen. Fair geht vor.

Preise und Öffnungszeiten

Die Ausstellung „Fertig? Los!“ wird bis zum 19. April des kommenden Jahres in der Dasa zu sehen sein. Zur Schau gehören auch mehrere interaktive Stationen – an ihnen kann man Sportgeräte ausprobieren und seine eigene Fitness testen. Die Ausstellung hat das Technoseum Mannheim konzipiert. Die Dasa ist von montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt einschließlich „Fertig? Los!!“ kostet Erwachsene 8 Euro. Weitere Infos unter www.dasa-dortmund.de