Crange: So läuft der Knochenjob bei Steinmeister’s
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Herne. Steinmeister’s Bierpavillon steht seit fast 40 Jahren auf der Cranger Kirmes. Was Chef und Kellnerinnen jeden Tag erleben, erfordert gute Nerven.
„Kommen Sie einfach zum Stand“, hat er am Telefon gesagt. Er sei da und es sei auch nicht viel los auf Crange so früh am Abend. Aber der Stand ist groß, denn eigentlich sind es acht Stände, die ineinander übergehen und was Oskar Steinmeister als „nicht viel los“ bezeichnet, würde anderswo als Menschenauflauf durchgehen. Und dass er wie alle anderen, die hier arbeiten, weißes T-Shirt zu schwarzer Schürze und kurzer Hose trägt, macht die Sache nicht einfacher.
In Stoßzeiten sind bis zu 150 Mitarbeiter im Einsatz
Dann aber hat man sich gefunden. Fester Händedruck, freundliches Lächeln, elektronischen Knopf im Ohr, kleines Mikro vor der Brust. Beim ersten Rundgang erzählt der 26-Jährige wie es begonnen hat 1981. Als sein Vater und sein Onkel erstmals einen Pavillon auf Crange hatten. „Da hat die Familie gearbeitet und unsere Bekannten haben getrunken.“ Mittlerweile ist das Personal in Stoßzeiten auf 150 Mitarbeiter gewachsen und allein der Standaufbau dauert vier Wochen.
Steinmeister jr. bittet in einen der drei großen Kühl-Container. Der Weg dorthin ist nicht weit aber er dauert. Weil der elektronischen Erreichbarkeit zu Trotz irgendjemand immer etwas von ihm möchte. „Oskar, weißt du...?“ Oscar, kannst du mal...?“ Oskar weiß und Oskar kann. „Ich arbeite hier mit, seit ich 16 bin“, sagt er. Und wenn Oskar ausnahmsweise einmal nicht weiß oder kann ist da immer noch Bernd – Oskars 65-Jähriger Vater und Senior-Chef. Auch immer am Stand, kaum weniger unterwegs.
Sein Sohn entriegelt eine große Tür. Dahinter stehen lange Reihen von Bierfässern und hohe Stapel mit Softdrinks. Schon gekühlt kommt die Ware an, gekühlt kommt sie in die Städte. „Auch wenn draußen 40 Grad herrschen“, versichert Steinmeister. „Bei uns kriegen Sie ihr Bier immer 3 Grad kalt.“ Und dafür müssen nicht einmal Fässer an die Stände gerollt werden.
Getränke laufen durch unterirdische Leitungen
Martin und jemand mit dem Spitznamen „Schinken“ wuchten sie aus dem Kühlhaus, um sie ein paar Meter weiter anzuschließen. Durch unter dem Holzaufbau des Standes verlegte und mit Schaumstoff ummantelte Leitungen – die so genannten Bier-Pythons – läuft der Gerstensaft dann in die Zapfhähne der Stände – stets begleitet von speziellen Kühlleitungen. 36 Fässer sind parallel angeschlossen. „Arbeit ist genug da“, sagt Martin dann auch. „Denn das Bier muss ja immer laufen.
Jobs im Biergarten - anspruchsvoll und spannend
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„Muss es“, sagt Nicole Ahlf, die an diesem Abend im großen Bier-Pavillon am Zapfhahn steht. Die 48-Jährige ist eine der erfahrensten Mitarbeiterinnen. Seit 19 Jahren arbeitet die 48-Jährige auf Crange bei Steinmeister. „Viele denken, dass das für uns eine große Party ist“, hat sie festgestellt. Ist es aber nicht. „Das ist ein Knochenjob.“ Physisch wie psychisch. Weil irgendwann Schultern und Rücken schmerzen von den langen Stunden an der Zapfanlage. Und weil parallel zum Alkoholkonsum der Gäste sowohl das Gemeckere, als auch die Zahl der Heiratsanträge steigt. „Muss man abkönnen“, sagt Ahlf. Sie kann. „Die meisten Besucht sind ja auch in Ordnung.“
Das hat Annalena Müller auch schon festgestellt. Zum ersten Mal ist die 20-Jährige in diesem Jahr auf Crange dabei, fühlt sich aber bereits sehr wohl hinter dem Stand. Eine kurze Schulung har sie vor der Kirmes bekommen und „am ersten Abend haben mir alle immer wieder geholfen.“
Dunkel ist es mittlerweile geworden, am Stand brennen 6000 LED-Glühbirnen. Wenn es nur 5999 sind, merkt Oskar Steinmeister es recht schnell. Immer wieder streift er über den Stand. Vom frühen Nachmittag an, bis die Kirmes schließt. Guckt hier, prüft dort. Ob alles rund läuft oder ob sich möglicherweise irgendwo Ärger anbahnt. „Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür“, sagt er. Meist bleibt es ruhig. Was wahrscheinlich nicht nur am hauseigenen Sicherheitsdienst liegt, sondern auch daran, dass die Polizei – bedingt durch die Lage des Standes - immer recht nah ist.
Gummibärchen und Schnaps
Berühmt auf Crange ist das Steini auch für seinen Gummibärchen-Schnaps. Erfunden hat ihn Bernd Steinmeister schon vor Jahren. Bis heute ist das Rezept geheim.
Bekannt ist, wie man ihn trinkt. Erst das Gummibärchen mit dem Zahnstocher aus dem Glas anpiksen, dann das Bärchen ankauen und den Schnaps schließlich trinken.
Die meisten Gäste kennt der Junior-Chef. Viele nur vom sehen. Mit einigen aber hat er Abitur gemacht, mit anderen früher gespielt. Selbst wenn sie mittlerweile weggezogen sind, zur Cranger Kirmes kommen sie nach Hause. „Und dann kommen zu uns“, weiß Steinmeister. Da feiern sie dann. Oskar arbeitet. „So lange Crange läuft“, sagen Vater und Sohn übereinstimmend, „gibt es nicht einmal ein Bier für uns.“ Sie holen das nach, wenn alles vorbei ist - auf einer großen Party mit der Belegschaft.
Die Kirmes selbst aber lässt sich nicht nachholen. Wie es ist auf Crange in diesem Jahr? Steinmeister zuckt die Schultern. „Vom Betrieb außerhalb des Standes“, sagt er, „kriege ich schon seit Jahren nichts mehr mit.“
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