Essen. Steine anmalen und draußen auslegen. Was hinter der Idee steckt, die aus den USA stammt und in diesem Sommer das Ruhrgebiet erreicht hat.
Begonnen hat alles am Sandy Neck Beach in West Barnstable auf Cape Cod in den USA. Dort wo die heute 53-jährige Megan Murphy gerne spazieren geht. Und wo sie im März 2015 damit beginnt, Steine auszulegen, auf die sie kleine Nachrichten geschrieben hat, um den Findern eine Freude zu machen. „Kindness Rocks“ (Freundliche Felsen) nennt sie das Projekt. Über England und Norddeutschland ist der Trend der „Painted Stones“ in diesem Sommer ins Ruhrgebiet geschwappt. Kaum noch eine Stadt im Revier, in der sich Menschen nicht zum Steine anmalen zusammenschließen.
Austausch erfolgt vor allem über Facebook-Gruppen
„Eine Freundin von der Küste hat mir davon erzählt“, sagt Brigitte Bethge. „Ich fand das sofort Klasse.“ So Klasse, dass sie sich nicht nur gleich hinsetzt und ihre ersten Steine – Motiv: Marienkäfer – bemalt, sondern auch eine Gruppe bei Facebook ins Leben ruft: „Die RuhrpottSteine“. „Ich bin hier zu Hause, da war der Name schnell gefunden.“ Bethges Gruppe ist nicht die einzige in Essen. Da gibt es noch die Pottsteine oder die „Karnaper Kiesel“. Aber als Konkurrenten sieht Bethge die anderen nicht. „Wir alle fluten Essen mit bunten Steinen“, sagt die 52-jährige.
In Hattingen hat diese Aufgabe der Heimatverein übernommen. Ende Juni gestartet, hat die Facebook-Gruppe „Hattinger Steine“ mittlerweile bereits über 1300 Mitglieder, die sich regelmäßig über „ausgewilderte“ oder gefundene Exemplare austauschen. „Das ist ein echter Hype geworden“, sagt Birgit Schlag, Beisitzerin im Vorstand des Vereins
„Kinder gehen viel aufmerksamer durch die Stadt“
Und das nicht nur bei Erwachsenen. „Kinder finden das super“, hat Schlag festgestellt. Statt vor dem Computer oder dem Fernseher zu sitzen, soll der Nachwuchs bestätigen Gerüchten zufolge immer öfter Wünsche nach Spaziergängen äußern. „Die Kinder gehen viel aufmerksamer durch die Stadt.“
Das kann Brigitte Bethge nur bestätigen. „Aber viele Erwachsene halten die Augen ebenfalls offen.“ Das lohnt sich auch. „Wir verteilen fast überall“, sagt Bethge. In Hattingen sogar in der öffentlichen Bücherei und in einer Apotheke, die von der Idee begeistert ist. Autos allerdings sind tabu. „Da kann schnell etwas kaputt gehen.“ Und auch auf Friedhöfen wird nicht ausgewildert. Das gehört sich nicht, finden viele Steinemaler. Und gefährlich, da sind sich alle Gruppen einig, darf es für den Finder auch nie sein. In den Vergnügungsparks von Walt Disney, das nur mal am Rande, fürchtet man angeblich weniger die Gefahr für den als durch den Finder. Dort sind die bemalten Steine nach Erzählungen von Urlauber verboten, weil sie als Waffe missbraucht werden könnten.
Keine Nachschubprobleme beim Rohmaterial
Ratschläge und Infos aus dem Internet
Wer wissen möchte, ob es in seiner Stadt auch ein Facebook-Gruppe zum Bemalen von Steinen gibt, kann unter dem Suchbegriff „Liste aller bekannten Steingruppen auf Facebook (für Deutschland)“ nachschauen
Ratschläge zu Rohlingen, Technik und Farbe gibt es in den einzelnen Städtegruppen aber auch auf vielen anderen Seiten im Netz. Einfach in der Suchmaschine „Steine bemalen Tipps“ eingeben.
Nachschubprobleme in Sachen Rohmaterial gibt es nicht. „Geeignete Steine findet man fast überall“, weiß Schlag und schwärmt von Fluss- oder Bachufern. Falls die nicht in der Nähe sind, hilft nach Bethges Erfahrung ein Besuch im Baumarkt. „Ist nicht teuer.“ Dann benötigt man nur noch Acrylstifte und Klarlack und schon kann es losgehen. „Malen kann jeder“, sind sich Schlag und Bethge einig. Der eine mehr, der andere weniger. Aber Können ist auch zweitrangig. „Was zählt ist die Idee“, sagt Schlag.
Tiere, Landschaften, Märchen oder Comic-Figuren
Manche Steine sind dann einfach nur mehrfarbig angemalt auf anderen sind wahre Kunstwerke en miniature zu sehen – Tiere, Landschaften, Märchen- oder Comicfiguren. „Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Kirsten Ihde-Schnarr, die in Düsseldorf die Facebook-Gruppe „Rhein Steine“ gegründet hat (1023 Mitglieder). Manchmal sind – wie bei den Steinen in den USA – auch einfach nur Sprüche aufgemalt.
Wer einen der bunten Steine findet, kann ihn woanders wieder auslegen, er kann ihn aber auch behalten. Aber in jeder Facebook-Gruppe sind die Mitglieder überaus erfreut, wenn man einen Fund meldet. Meist steht der Gruppenname klein auf der Rückseite des Brockens. „Natürlich kriegen wir nicht immer eine Rückmeldung“, sagt die Düsseldorferin. „Alte Menschen oder kleine Kinder sind ja meist auch gar nicht bei Facebook.“ Ihr reicht es dann auch, wenn sie sieht, dass der von ihr ausgelegte Stein verschwunden ist. „Wenn er dem Finder nicht gefallen hätte, hätte er ihn ja nicht mitgenommen.“
Malen ist für viele unglaublich entspannend
Millionen Steine, noch mehr Ideen, sie zu bemalen. „Ich glaube, die Sache wird noch eine ganze Zeit lang weitergehen“, sagt Ihde-Schnarr. Was den Steinmalerinnen nur recht ist. Auch im eigenen Interesse. „Ich kann mich beim Malen unglaublich entspannen“, sagt Schlag. „Man kommt runter“, hat auch Bethge festgestellt, die nur noch mit Steinen in der Jackentasche herumläuft. „Rohlinge und bemalte Exemplare.“
Am Ende zählt für alle aber der Gedanke von Megan Murphy und ihren „Kindness Rocks“. Anderen Menschen Freude machen. „Das funktioniert“, ist Bethge überzeugt. „Ich habe jedenfalls noch niemanden gesehen, der nicht gelächelt hat, wenn er einen bemalten Stein gefunden hat.“