Bonn. Den großen Kirchen laufen die Mitglieder davon. Was tun? Der Kriminologe Christian Pfeiffer will das „Ruhekissen Kirchensteuer“ abschaffen.
Die katholische und die evangelische Kirche veröffentlichten am Freitag ihre Mitgliederzahlen für 2018. Fast 50.000 Menschen sind 2018 in Nordrhein-Westfalen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Die genaue Zahl betrage 49.755, teilte die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn mit. Das sind deutlich mehr als 2017, als gut 38.000 Menschen in NRW der katholischen Kirche den Rücken kehrten. Die Gesamtzahl der Katholiken im bevölkerungsreichsten Bundesland fiel von 6,86 Millionen auf 6,75 Millionen.
Auch bei den Protestanten nahm die Zahl der Kirchenaustritte zu
Bei den Protestanten nahm die Zahl der Kirchenaustritte ebenfalls zu. Aus der Evangelischen Kirche von Westfalen traten knapp 16.000 Menschen aus - gegenüber 14.000 im Vorjahr 2017. Aus der Evangelischen Kirche im Rheinland traten 22.864 Menschen aus.
Schon seit langem gehen die Zahlen zurück. Die Kirchen erklären den Schwund vor allem mit der Alterung der Gesellschaft. Viele Gemeindemitglieder sterben weg - zusammen mit den Kirchen-Austritten ergibt sich daraus ein Minus, das sich durch Taufen und Eintritte nicht kompensieren lässt.
Entfremdung von der Kirche
Zu den Austrittsmotiven gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Studien und Umfragen, in denen als Kernmotiv eine Entfremdung von der Kirche festgestellt wurde. Eine Studie des katholischen Bistums Essen ergab im vergangenen Jahr als Hauptgründe: die Kirchensteuer, Entfremdung oder fehlende Bindung zur Kirche, rückständige Haltung der Kirche, Glaubenszweifel, ein persönlich enttäuschendes Erlebnis, Skandale.
„Eine Glaubwürdigkeitskrise der Kirche selbst“
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Der Kirchenrechtsexperte Thomas Schüller sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Kirchenaustritte sind kein Naturphänomen, sondern Ausdruck einer Entfremdung der Gläubigen von der Kirche und einer Glaubwürdigkeitskrise der Kirche selbst.“
Der Kriminologe Christian Pfeiffer, selbst evangelischer Christ, regt eine Diskussion über die Notwendigkeit von Kirchensteuern an. So seien die Kirchen in den USA - wo es keine Kirchensteuer gebe - viel lebendiger, sagte Pfeiffer der dpa. „Ein Grund dafür ist mit Sicherheit, dass sie es sich dort nicht auf dem Ruhekissen der Kirchensteuer bequem machen können.“ Sie müssten etwas unternehmen. „In Deutschland dagegen verlangweilen sich die Kirchen immer mehr. Die Pfarrer sind quasi verbeamtet. Vielleicht wäre es ein Befreiungsschlag, wenn sie sich von der Kirchensteuer befreien würden.“
Diskussion über Abschaffung der Kirchensteuer
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Schüller sagte zu der schon länger schwelenden Debatte, die Kirchensteuer sei meist nur der letzte Baustein einer Entfremdung von der Kirche. „Zudem treten sehr viele Katholiken aus, die gar keine oder nur eine vergleichsweise geringe Kirchensteuer zahlen.“
In Nordrhein-Westfalen gehörten 2017 etwa 6,86 Millionen Menschen der katholischen Kirche an, 80.500 weniger als 2016. Auch bei der Evangelischen Kirche im Rheinland setzte sich der Mitgliederschwund fort. Sie zählte 2017 nach eigenen Angaben rund 2,54 Millionen Mitglieder - nach 2,58 Millionen im Vorjahr. Rückläufige Zahlen verzeichneten auch die westfälische und die lippische Landeskirche. (dpa)